| In memoriam Hanns 
			Dieter Hüsch (1925-2005) Liebe Leser,
			 
			„Ich sagte, dass ich es vorziehe, unsere Schwierigkeiten zu 
			gestehen und unsere Anstrengungen zu besprechen, warum wir oft das 
			Wort nicht hören und nicht tun, weil wir in unserer kleinen Welt den 
			Anfang und das Ende nicht mehr sehen, vom Anfang und vom Ende nichts 
			mehr hören, obwohl es täglich, stündlich überall geschieht, zwischen 
			Nord- und Südpol, augenblicklich sich vollzieht und ganz nah zu 
			sehen, zu hören und zu spüren ist. Wir ertrinken doch in sogenannten 
			Nachrichten, nach denen wir uns richten, werden mit sogenannten 
			Informationen vollgestopft, damit wir 'in Form' sind, und sind nicht 
			klüger als zuvor. Die Verteilungskämpfe haben überall begonnen, wir 
			sind unserer Welt nicht mehr sicher und bei vielen ist die Liebe 
			schon verfallen zugunsten einer sogenannten gesunden 
			Realitätsbewältigung. Ich sage es noch einmal: dies sind keine 
			Vorwürfe, sondern nur Bilder, Abziehbilder unserer kleinen Existenz, 
			wenn wir Lebendigen und Sterblichen den Dingen Anfang und Ende 
			nehmen, die auch des Menschen Würde bedeuten, eine Würde, die von 
			Gott kommt - denn am Anfang war das Wort, sein Wort, und am Ende, 
			wenn alles uns verlassen hat, ist es immer noch bei uns, bis ans 
			Ende aller Tage.“ (Hanns Dieter Hüsch,
			
			„Nein und Halleluja“, statt „Ja und Amen“)  
			 
			Hanns Dieter Hüsch, der Kabarettist und Prediger ist am 6. Dezember 
			des alten Jahres im Alter von 80 Jahren gestorben – und hat uns doch 
			über unsere kleinen und großen Befindlichkeiten jede Menge zu sagen, 
			wie dieser Ausschnitt aus einer seiner Predigten zeigt. Ja, wir 
			sollten uns seine Worte zu Herzen nehmen, damit wir die Zusage der 
			Jahreslosung nicht versäumen und in allzu kleiner Münze ausbezahlt 
			bekommen.  
			 
			Diese Jahreslosung steht in der Gefahr, missbraucht zu werden. Als 
			Unterfütterung für den wohlfeilen Appell zu neuen Ufern 
			aufzubrechen; doch endlich das Jammern sein zu lassen, neuen Mut zu 
			fassen und den Schritt nach vorne zu tun. Die Jahreslosung steht in 
			der Gefahr missbraucht zu werden. Zum Absegnen der eigenen 
			Zukunftspläne in Kirche und Gesellschaft. Eine Oberkirchenrätin hat 
			gar bemängelt, dass die Jahreslosung zu sperrig sei, wegen der 
			negativen Formulierung. Das Wörtchen „nicht“ hat sie gestört, denn 
			man erwarte in der Kirche heute doch positive Aussagen.
			Zum Piepen! Auf Seite zwei kriegt sie dann 
			noch die Kurve und ruft uns zu: Gott mit uns! Und unseren Vorhaben 
			im neuen Jahr.  
			 
			Darf man skeptisch bleiben? Muss man diese Zusage nicht gerade denen 
			nehmen, die sie sich anziehen wollen, wie den eigenen Schuh, um noch 
			ein bisschen größer und stärker zu erscheinen? Ich sage nur Hwang 
			Woo-Suk. Erinnert ihr euch? Wie er im Juli des vergangenen Jahres 
			mit sensationellen Forschungsergebnissen an die Öffentlichkeit trat 
			und in allen seriösen Wissenschaftszeitungen zum Klonkönig 
			inthronisiert wurde? Bald würde es nun Stammzellen geben, die alle 
			möglichen Krankheiten heilen könnten. Und die Mahner und Skeptiker 
			und mit ihnen die Kirchen standen wie die dummen Spielverderber und 
			Fortschrittsverweigerer in der Ecke und mussten sich schämen. Heute 
			ist Hwang Woo-Suk verschwunden und alle Welt weiß: Dieser 
			Hoffnungsträger war ein Betrüger und Schaumschläger.  
			 
			Ja, unsere Welt und ihre Sehnsucht in den Himmel zu wachsen wird 
			wohl noch mehr Wissenschaftler von dieser Sorte hervorbringen, weil 
			sie vom Koordinatensystem, in dem auch die Jahreslosung steht, 
			nichts mehr wissen will. Nichts mehr wissen will, vom Anfang und 
			Ende des Menschen, vom Unterschied zwischen Gott und Geschöpf, vom 
			Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge, vom Unterschied zwischen 
			Sein und Schein. Nichts mehr wissen will von Skeptikern und 
			Fortschrittsverweigerern. „Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass 
			du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, 
			mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch 
			zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch 
			gehst.“ So sagt es Gott gleich nach dem Vers der Jahreslosung zu 
			Josua. Der erste Teil wird gern zitiert, der zweite ehr weniger. Die 
			große Zusage Gottes hebt aber die Gesetzmäßigkeit, das 
			Koordinatensystem, in dem wir uns befinden, nicht auf. Da ist Gott 
			und hier sind wir.  
			 
			Nur dem, der diesen Unterschied noch kennt, erschließt sich die 
			Jahreslosung in ihrer ganzen Größe und ihrem ganzen Reichtum. Denn 
			bei der Jahreslosung handelt es sich eben nicht um eines jener 
			Trostpflästerchen, das man auch in der Kirche zu jeder passenden und 
			unpassenden Gelegenheit aufgepappt bekommt. Hier geht es nicht um 
			den kleinen Trost beim Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. Hier 
			geht es um unsere ganze Existenz und um unsere ganze Identität.  
			 
			So ging es damals auch dem Volk Israel, das an der Grenze des 
			verheißenen Landes stand. Mose war gestorben. Josua wird sein 
			Nachfolger. Das gelobte Land einzunehmen, es betreten und bewohnen 
			zu können, davon hing die ganze Existenz und Identität des 
			Gottesvolkes ab. Ohne dieses Land keine Zukunft, sondern endgültiger 
			Untergang. Hier geht es um viel mehr als um alte Ankerplätze und den 
			Ruf zu neuen Ufern aufzubrechen. Es geht um die Frage, wer wir sind 
			und wo wir bleiben.  
			 
			Und auf diese Frage gibt uns Gott uns nun wirkliche andere 
			Antworten, als die moderne Medizin und Forschung, die uns immer ein 
			Stückchen weiter in den Himmel wachsen lassen will. Und uns dabei 
			die Fragen und Antworten nach unserer Existenz immer mehr 
			verschleiert, statt enthüllt. Gottes Antwort macht nicht den 
			Menschen groß und ewig, sondern seine Treue groß und ewig. Die 
			Jahreslosung sagt: Wir sterblichen Menschen und der ewige und 
			lebendige Gott haben eine gemeinsame Zukunft – dank der Liebe und 
			Treue Gottes. Unsere Reaktion auf die Treue Gottes kann nur eine 
			sein: Vertrauen. Ur-Vertrauen. Egal, was uns im kommenden Jahr 
			gelingt oder nicht. Egal, ob dieses Jahr unser letztes ist oder noch 
			viele kommen. Das ändert nichts an Gottes Treue uns gegenüber.  
			 
			Die und nur die hilft uns auch, uns mit unserer Endlichkeit und 
			Begrenztheit zu versöhnen, ja sogar anzufreunden. Wie vieles setzen 
			wir Menschen ins Werk aus Angst? Aus Angst vor dem Tod, aus Angst zu 
			kurz zu kommen, aus Angst etwas zu versäumen? Wie vieles wird auch 
			in der Kirche ausprobiert und eingeführt aus Angst? Aus Angst vor 
			dem Verlust der Bedeutung, aus Angst Mitglieder zu verlieren, aus 
			Angst vor der Ebbe in den Kassen? Es darf bezweifelt werden, dass da 
			wirklich etwas Gutes herauskommt. Es könnte vielmehr so sein, dass 
			wir auf diese Weise selber Angst verbreiten, ohne es zu wollen. Die 
			Jahreslosung will uns diese Angst nehmen. Was zu tun ist, was 
			notwendig ist, soll nicht aus Angst, sondern im Vertrauen auf Gottes 
			Treue begonnen und getan werden. Nur so werden auch andere zum 
			Vertrauen bewegt. Davon wünsche ich Euch und unserer evangelischen 
			Kirche im neuen Jahr jede Menge.  
			 
			Mit Hanns Dieter Hüsch haben wir begonnen, mit seinen Worten 
			schließen wir:  
			 
			„Mit allem was wir Anfang und Ende  
			Kommen und Gehen nennen  
			So groß sind wir geworden  
			Und sind vor Gott so klein  
			Aber Er liebt uns  
			Weil Er allumfassend weiß wie wir leben und sterben  
			Und Er nimmt uns in seine Arme und schenkt uns  
			Ein Wiedersehen mit allen  
			Die wir lieben und geliebt haben  
			Die wir suchen und finden  
			Weil Gottes Geschichte länger währt  
			Als die Weltgeschichte  
			Weil Jesu Himmelfahrt älter ist  
			Als die Raumfahrt  
			Weil wir wachsen blühen und gedeihen  
			Älter werden und kleiner werden  
			Zu Erde werden  
			Aber durch den Tod hindurch  
			Weiter wachsen zu Jesus  
			Der sich bis ans Ende der Welt  
			Unser erinnert  
			Unser erbarmt  
			Und uns erlöst  
			Jetzt und immerdar.“ 
			(Hanns Dieter Hüsch, ebd.) 
			 
			Amen! 
			
      
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
      Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
      
      www.kanzelgruss.de)   | 
			Text: 
			
			 Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen 
			und verlasse dich nicht. Josua 1,5b  |