Predigt Lukas 1/26-33, 46-55 4. Advent 21.12.08 "Mit
einem Gruß fängt manches gut an" |
Liebe Gemeinde, lieber Herr Mahler!' 1.1 Diese Vorstellung der Assistenten hat ein wenig den Weg erkennen lassen, der zur Ordination heute geführt hat. Es wurde erinnert an die Zeit in Kirchenlamitz, an die Konfirmation und Jugendarbeit. Dort hat die Berufungsgeschichte für Herrn Mahler angefangen – gerade auch mit dem Konfirmationsspruch, der heute der Wochenspruch zum 4. Advent ist: „Freuet euch in dem Herrn allewege. Der Herr ist nahe.“ (Philipper 4,4) Damals waren es in der Bibellese auch die biblischen Berufungsgeschichten, die zu einem inneren Ruf für Sie, Herr Mahler, geworden sind. 1.2 Das heutige Evangelium am 4. Advent erzählt nun auch so etwas wie eine Berufungsgeschichte, die Maria erfahren hat. Bei ihr hat es angefangen mit einem etwas außergewöhnlichen Gruß: „Sei gegrüßt, du Begnadete“, sprach der Engel. „Der Herr ist mit dir. … Maria erschrak und dachte: Welch ein Gruß ist das!“ (Lukas 1,28f.) Welch ein Gruß ist das! Was kündigt sich damit an? Sei gegrüßt. Grüß Gott. Eine Geschichte, die mit diesem Gruß anfängt, verspricht eine gute Geschichte zu werden. Grüß Gott. Wer diesen Gruß ernst nimmt, der bringt Gutes, ja der bringt den Segen Gottes nahe. Gott grüßt dich. Der Herr ist mit dir. Dieser Gruß brachte für Maria in besonderer Weise die Nähe Gottes. Im Orient grüßte man eine Frau nicht. In den Norden Galiläas bemühte man sich nicht. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Und nun kommt Gott zu Maria in diesem Gruß. „Sei gegrüßt, du Begnadete. Der Herr ist mit dir.“ Welch ein Gruß ist das! 1.3 Was soll das werden, das mit so einem Gruß anfängt? Es mag wie eine Randbemerkung klingen, aber es kommt doch viel auf den Gruß an. Letzte Woche kam aus einer Gemeinde ein Beschwerdebrief. Mit einer Unterschriftensammlung beklagten sich die Leute unter anderem mit dem Vorwurf: „Unser Pfarrer grüßt uns nicht auf der Straße.“ Zuerst dachte ich: Naja, das kann ja mal vorkommen, dass man gedankenversunken einen übersieht und nicht grüßt. Aber dann merkte ich in den Gesprächen, wie viel den Menschen daran liegt, dass der Pfarrer sie nicht übersieht sondern sie wahrnimmt und grüßt. Es kommt schon auf den Gruß an. Mit einem Gruß hat schon manches wieder gut angefangen. Wenn zwei sich eine Zeit lang aus dem Weg gegangen sind – mit einem Gruß fängt manches wieder gut an. Gott fängt seine Heilsgeschichte für die Menschen mit einem Gruß an und knüpft eine Beziehung, die uns wahrnimmt und Gutes bringt. „Gegrüßet seist du. Grüß Gott. Der Herr ist mit dir.“ Kein Wunder, dass das „Ave Maria“ – gegrüßet seist du Maria – zu den beliebtesten Musikstücken gehört, weil Menschen hier den menschgewordenen Gruß Gottes und seine Zuwendung spüren. 1.4 Advent – wie der Maria damals so gilt der Gruß Gottes heute uns. Und wir bringen mit unseren Gottesdiensten und Liedern, mit Kirchenmusik und unserem ganzen Leben den Gruß Gottes zu den Menschen, seine Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Der Gruß ist so etwas wie die Kurzform des Evangeliums. Und wenn Sie nun russisch für die Ukraine lernen, dann werden sie als erstes den Gruß lernen: „Dobriden“. Denn mit einem Gruß fängt es gut an. 2.1 Nach dem Gruß folgen nun einzigartige Worte für Maria: „Du wirst einen Sohn gebären und sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Er wird ein König sein und die Herrschaft seines Friedens wird kein Ende haben.“ Was sind das für Worte für die junge Frau aus Nazareth! Für die kleine Maria sind das viel zu große Worte. Sie kann es nicht fassen. „Magnificat“. Maria singt. Sie kann es nicht recht glauben, aber sie singt: „Gott hat große Dinge an mir getan. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllet er mit Gütern.“ Maria kann es schier nicht fassen, was da geschehen soll. Aber sie singt es schon. Sie singt es sich und allen andern ins Herz. Sie ist sozusagen die Vorsängerin des Glaubens. Vielleicht hat sie es auch getanzt, wie heute manche Frauengruppen es wieder tun im liturgischen Tanz. „Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.“ 2.2 Es ist wohl auch heute so, dass für viele Menschen der Glaube beginnt, indem sie sich hineinsingen in die Liturgie des Lebens und der großen Verheißungen Gottes. Der Kirchenvater Augustin hat einmal gesagt: „Dass Gott Mensch geworden ist – fassen können wir es nicht. Verschweigen dürfen wir es nicht. Also singen wir es.“ Maria hat es gesungen und dabei ist Jesus in ihr groß geworden. Ihr Glaube ist gewachsen. Mancher mag heute erst verhalten mitsummen, wenn die Melodie in ihm etwas zum Schwingen bringt. Eigentlich ist ihm nicht zum Singen zumute. Das „O Heiland, reiß die Himmel auf“ entspricht dann mehr seiner Sehnsucht als das freudige „Tochter Zion“. Das rechte Lied zur rechten Zeit – dafür entwickeln Pfarrer und Kirchenmusikerin das Gespür. Sie folgen der Vorsängerin Maria und singen mit ihr den Glauben ins Herz. 3.1 Wenn man den Text des Magnificat nun näher anschaut, dann fällt auf, dass jeder Vers auf eine Bibelstelle im Alten Testament verweist. Da wird erinnert an Hanna, die Mutter Samuels. Gott hatte ihr Gebet erhört und alle Demütigungen überwunden. Von Hanna scheint Maria die Grundmelodie gelernt zu haben: „Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Haupt ist erhöht. Die Bogen der Starken sind zerbrochen und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.“ (1. Samuel 2) Dann singt Maria: „Er zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.“ Damit mag erinnert sein an den Turmbau zu Babel: Als die Menschen in ihrer Hybris zu weit gingen und groß sein wollten wie Gott – ein Turm bis in den Himmel, Gott gleich Tiere und Menschen züchten nach eigenem Willen – da zerstreute sie der Herr und machte zunichte das Werk der Hochmütigen. Liebe Gemeinde, in Liedern steckt viel Theologie und Glaubenserfahrung. Diese Glaubensbotschaft zu erschließen gehört zu Ihren Aufgaben, Herr Mahler, damit Melodie und Inhalt sich ergänzen und die Botschaft den Menschen ins Herz singen. 3.2 Maria singt. Und da spürt man etwas von ihrer vertrauensvollen Hingabe und ihrem trotzigen Aufbegehren: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“ Das klingt revolutionär nach Aufstand der Kleinen gegen die Großen da oben, damit sie selbst groß und da oben dann das Sagen hätten. Aber Vorsicht. Es heißt: „Er stößt die Gewaltigen vom Thron.“ Aber er verstößt sie nicht. Er entthront sie – sozusagen eine Stufe tiefer. „Und er erhebt die Niedrigen“ – sozusagen eine Stufe höher. Und da stehen sich beide nun auf gleicher Höhe gegenüber, auf Augenhöhe. Sie werden zu Bündnispartnern, um Recht und Gerechtigkeit zu verwirklichen in dieser Welt. Sie werden sozusagen zu Schwestern und Brüdern füreinander. Und auf dem Thron sitzt Christus, der Herr. Darin sehe ich sozusagen das Revolutionäre des Magnificat, dass das einst Hohe und das ehemals Niedrige auf eine Ebene gestellt werden und Christus, dem Herrn dienen – als Pfarrer und Diakone, als Hauptberufliche und Ehrenamtliche, als Kirchengemeinde und Diakonie, in Bayern und auf der Krim. Für diesen Dienst wollen wir Sie, Herr Mahler, ordinieren und dazu den Beistand des Heiligen Geistes erbitten. Amen. Wilfried Beyhl (Regionalbischof des Kirchenkreises Bayreuth) |
Text:
26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel
von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, 46 Und Maria sprach: |