Predigt    Lukas 1/46-55    4. Advent   21.12.2014

"Gottes Weihnachtsgeschenk"
(von Pfr. Johannes Taig, Hospitalkirche)

Liebe Leser,

nichts ist so zerbrechlich wie eine Weihnachtsfeier. Deshalb gibt es auch eine Vielzahl von Weihnachtsgeschichten, die sich mit dem kläglichen Scheitern von besinnlichen Stunden befassen, was, ehrlich gesagt, keine große Kunst ist. Groß ist die innere Erwartungshaltung und es genügt schon ein falscher Ton, ein mühsames Dankeschön für ein offensichtlich völlig daneben liegendes Geschenk und schon ist die Heilige Nacht beim Teufel. Ganz zu schweigen von der stundenlang zubereiteten Flugente, die entweder auf dem Teller zerfällt oder wahrscheinlich mehr als zehntausend Flugstunden in der gebräunten Brust hat. Oder nehmen wir die Kinder, die sich beim Krippenspiel nicht als Christkinder, sondern als notorische Quengler und Störer erweisen, bei der Bescherung als undankbare Nörgler und bei der Hausmusik den Zuhörern das Wort „Kakophonie“ anhörlich erklären. Nichts ist so zerbrechlich wie eine Weihnachtsfeier.

Das liegt daran, dass nichts so zerbrechlich ist, wie der Innenraum, den wir der Weihnacht in unserem Herzen reservieren und den wir alle Jahre wieder mit zitternder Hoffnung betreten. Das Jahr über war er zugeschlossen und wir draußen in der bösen Welt. Jetzt an Weihnachten würden wir in ihm gerne unsere Ruhe haben und die böse Welt draußen lassen. Und alle Jahre lässt sie uns dann doch nicht allein.

Geben wir’s endlich auf! Geben wir’s endlich auf, der Weihnacht einen stillen Winkel in unseren Herzen zu dekorieren und ihn mit falscher Hoffnung anzufüllen. Dort wird kein Christkind geboren, sondern der jährliche Frust. Denn an Weihnachten kommt Gott nicht in die Herrgottswinkel dieser Erde, sondern zur Welt und zur bösen ganz besonders. Und dort soll deshalb Weihnachten gefeiert werden.

Von nichts anderem singt der große Lobgesang der Maria. Maria hält keinen Vortrag. Sie singt. Und Lieder trägt man nicht im Keller oder im stillen Kämmerlein vor. Sie wollen zu Gehör bringen. Das Lied der Maria will den zu Gehör bringen, von dem es singt: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.“ Zur Weihnacht schaut Gott mit dem Blick seines Herzens in die finstere Welt; sieht dort Maria und jeden von uns; schaut hinein in die Winkel des offensichtlichen und versteckten Elends, das sich deshalb an Weihnachten so besonders schlecht verstecken kann. Erschreckend ist das und tröstlich zugleich; denn Gott bleib nicht beim Hinschauen stehen. Er schickt sich in unsere Menschlichkeit hinein, verlässt seinen Herrgottswinkel in der Herrlichkeit um als Mensch bei uns zu sein. Sein Erbarmen und seine Menschwerdung sind eins. Erbärmlich sind die Umstände seiner Geburt und erbärmlich ist der Säugling, um den die Engel schweben; wie wir alle angewiesen auf die Brust seiner Mutter, auf die Zuwendung seines Vaters und die Wärme der Tiere. Seht hier ist Gott und wahre Menschlichkeit zugleich.

Weihnachten macht Maria nicht größer und auch keinen von uns. Gott zeigt uns unser wahres menschliches Maß als ein gutes und geliebtes. Und deshalb gilt: „Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Das ist nicht die Umwertung aller Werte und auch nicht die religiöse Variante von der sozialistischen Gleichheit aller. Hier handelt vielmehr der Gott, der dem entmenschlichten Menschen seine Menschlichkeit zurückgibt und denjenigen, der ein Übermensch sein will, auf das menschliche Maß zurückstutzt.

Gewaltig und gewalttätig kommen nicht nur die Diktatoren dieser Welt daher. Gewaltig und gewalttätig kann auch das vermeintlich Gute werden, das sich der Welt verordnen will und sich dabei notfalls den Weg freischießt. Gewaltig und gewalttätig sind die modernen Ideologien vom besseren Menschen und diejenigen, die in sein Erbgut eingreifen, um ihn zu optimieren. Gewalttätig ist die Macht der Geschäftemacher, die für den billigen Profit die Verschmutzung der Meere durch Millionen Tonnen Öl riskieren, die Leerfischung der Ozeane, die Zerstörung der Lebensgrundlagen. Gewalttätig ist jede Form der scheinbaren Steigerung des eigenen Lebens auf Kosten anderer, der Ökosysteme und damit des künftigen Lebens. Solches bleibt nicht ohne Folgen für das eigene.

Ein Ausleger schreibt: „Hochmut in allen Varianten seiner Äußerungsformen entlarvt sich als (meist unwissentlicher) Versuch, den Thron Gottes zu usurpieren – was in Wahrheit nicht einmal dem Usurpator selber gut tut. ... Was ließe sich dem aus der Anschauung unserer eigenen Zeit nicht alles hinzufügen! Führt nicht z.B die innere Verelendung bei materiellem Überfluss in und um uns erschreckend vor Augen, wie Gott die Reichen leer lässt?“ (H. Stoevesandt, in GPM, Heft 1, 4/2002, S. 37)

Schauen wir uns um. Auch wenn uns die Weihnachtsstimmung vergeht, wir den weihnachtlichen Innenraum in unseren Herzen noch öder vorfinden und unser Zeigefinger auf die böse Welt dann ganz schnell wieder in der eigenen Tasche verschwindet. Geben wir’s endlich auf! Geben wir’s endlich auf, an Weihnachten die Weihnacht selbst ausrichten zu wollen. Folgen wir einfach der Einladung der Weihnachtsbotschaft an die Hirten auf dem Felde. Machen wir uns auf zum Stall und zur Krippe und schauen wir uns dieses Jesuskind an. Wir werden unsere Welt vorfinden, wie sie nun mal meistens ist. Wir werden die Menschen vorfinden, wie sie nun mal meistens sind. Aber wir werden uns und die ganze Welt als Welt finden, um die sich an Weihnachten ganz menschliche Arme legen; Arme, zu denen das liebende Herz des ewigen Gottes gehört. Das ist das eine und große Gottesweihnachtsgeschenk.

Dann wird uns ziemlich egal sein, was es am Essen und der Weihnachtsfeier und den Geschenken auszusetzen gibt. Denn in diesen Armen werden wir lächelnd und glücklich ertragen, wie niedrig und klein wir wirklich sind. Menschen eben und doch - Gottes Kinder zugleich! Mehr kann man nicht werden und sein!

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text: 

46 Und Maria sprach:
Meine Seele erhebt den Herrn,
47 und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes;
48 denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
49 Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
50 Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten.
51 Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
52 Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen.
53 Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er gedenkt der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf,
55 wie er geredet hat zu unsern Vätern,
Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.
 


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