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			Liebe Leser, bleiben wir noch eine Weile an der Krippe stehen, 
			während die Hirten schon ihre Hüte aufsetzen und sich zur Tür des 
			Stalles von Bethlehem wenden. Hirten sind praktisch veranlagte 
			Menschen. Sie haben gesehen, was zu sehen war und gehört, was zu 
			hören war. Sie nehmen ihren Platz wieder ein. Sie müssen nach den 
			Schafen sehen, die ihnen anvertraut sind und die sie brauchen. Und 
			die Heilige Familie nickt ihnen freundlich zu. So soll es sein.  
			 
			Aber wir haben noch ein wenig Zeit zum Verweilen. Ist doch schön, 
			dass wir auch dieses Jahr mit den Hirten den Weg nach Bethlehem 
			gefunden haben. Mag man schimpfen über alles, was uns in der 
			Vorweihnachtszeit auf die Nerven geht; aber Weihnachten ist einfach 
			nicht zu übersehen. Jeder Tankstellenpächter knipst schon Ende 
			November seinen Christbaum an. Jeder Schlagerfuzzi hat Weihnachten 
			im Programm. Mehr Werbung geht wirklich nicht.  
			 
			Ja klar, jedes Kind weiß, dass die Weihnachtswerbeflut andere Ziele 
			verfolgt. Es geht ums große Geschäft. Es geht ums Geld. Und das war 
			damals in Bethlehem gar nicht anders. Als der gottgleiche Kaiser 
			Augustus sein Dogma erließ, hatte er ganz praktische Gründe. Nur wer 
			von der Staatsmacht geschätzt, gezählt und erfasst war, konnte auch 
			ordnungsgemäß zur Staatskasse gebeten werden. Weihnachten beginnt 
			also schon rund um Bethlehem mit dem großen Weihnachtsgeschäft des 
			römischen Kaisers und bringt schon damals alle Welt auf die Beine. 
			Wir sehen daran, wie wenig sich die Zeiten ändern. Was sich ändert, 
			sind die Bilder der Macht auf den Münzen und Scheinen.  
			 
			Da können wir ganz gelassen bleiben und uns in Erinnerung rufen, was 
			Gustav Heinemann 1950 zum Abschluss des ersten evangelischen 
			Kirchentages gesagt hat: „Wenn euch die Welt furchtsam machen will, 
			dann denkt daran und antwortet ihr: Eure Herren gehen, unser Herr 
			aber kommt.“ Und er wird zu allen Zeiten diejenigen in seinen Dienst 
			stellen, die scheinbar die Geschicke der Welt und unser Schicksal 
			bestimmen, ob sie das wollen oder nicht. Die Bibel ist voll von 
			solchen Geschichten. Gott sei Dank.  
			 
			Bleiben wir deshalb noch eine Weile an der Krippe stehen. Die Hirten 
			haben gerade die Stalltür hinter sich zugemacht. Und wer will kann 
			auch knien. Denn dann sieht man dieses Kind besser, das noch so 
			hilflos und sprachlos in seiner Futterkrippe liegt und dem doch der 
			Lauf der Welt und der Lauf der Sterne gehorchen müssen. Da sehen 
			wir, wie Gottes unwiderstehliche Macht beschaffen ist. Dort kann man 
			getrost knien und schauen.  
			 
			Unter dem Kreuz kniet ja keiner, nicht einmal die Jünger. Die hatten 
			sich längst aus dem Staub gemacht. Da hängt er über uns. Aber an der 
			Krippe des Christus kann man knien, um so mit dem Lenker der Welten 
			auf Augenhöhe zu sein.  
			 
			Sollen sie doch behaupten, Weihnachten sei ein rührseliges Fest und 
			deshalb zu meiden. Ja aber gerade deshalb nicht! Hoffentlich rührt’s 
			uns. Uns die Macher, die Ungerührten, die Abgebrühten. Wenigsten 
			einmal im Jahr tut es uns gut, an der Krippe zu knien. Es tut uns 
			gut und unseren verzweifelten Träumen vom perfekten Leben: Vom 
			perfekten Körper, vom perfekten Partner, vom perfekten Job, vom 
			perfekten Urlaub, vom perfekten Kind, vom perfekten Ruhestand und 
			schließlich vom perfekten Tod. Diesen Träumen sind wir 
			hinterhergerannt mit allen Mitteln und vielleicht längst auf den 
			Knien.  
			 
			Wer an der Krippe kniet begreift: Perfekt ist die Hölle. Ein 
			Christus, der als perfekter Säugling in einem Palast geboren wäre 
			und nach seiner Auferstehung ohne seine Wundmale daherkäme, wäre der 
			Teufel. Wer an der Krippe kniet begreift: Wir sind dem perfekten 
			Leben hinterhergerannt und was wir eigentlich suchten, war DAS 
			ERFÜLLTE.  
			 
			Erfüllt muss man werden. Das wissen wir alle. Vollfressen und 
			vollsaufen kann man sich selber. Und es soll ja sogar welche geben, 
			die sich das, was auf ihrem Gabentisch liegt, selbst gekauft haben. 
			Das sind dann sicher auch wieder solche Geschenke von der perfekten 
			Sorte. Erfüllt muss man werden. Dass es in uns zu singen anfängt, 
			dass es uns warm wird beim Anblick eines geliebten Menschen, dass 
			schlimme Sorgen und böse Träume die Flucht ergreifen - all das 
			können wir nicht machen, wollen, herstellen. Es wird uns geschenkt. 
			Es erfüllt uns. Als die Zeit erfüllt war, ist deshalb nach den 
			Worten des Apostel Paulus die kürzeste Form der Weihnachtsgeschichte 
			(Galater 4,4).  
			 
			Bleiben wir deshalb noch eine Weile an der Krippe, während die 
			Hirten längst fort sind und auch die Engel wieder gen Himmel 
			abgezogen sind. Sie werden nicht mehr gebraucht. Denn jetzt ist ja 
			Gott selbst zur Welt gekommen und ganz unten bei uns angekommen um 
			für immer bei uns zu sein. Die Übersichtlichkeit, die jetzt wieder 
			im Stall von Bethlehem herrscht, erinnert uns, um wen sich alles - 
			ja die ganze Welt - dreht. An Weihnachten wandert Gottes göttliches 
			Heute durch die Zeiten und findet am Heiligen Abend auch dich und 
			mich. Da will er auch in dir und mir geboren sein.  
			 
			Ist euch Maria aufgefallen, wie sie da so versunken steht? Maria behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 
			Unter ihrem Herzen ist jetzt kein Kind mehr, aber in ihrem Herzen 
			scheint es wieder zu sein. Es strampelt nicht länger in ihrem Bauch, 
			aber umso mehr in ihrem Herzen. Es macht sich dort Platz. Es räumt 
			um. Wenn das Kind in der Krippe auch in uns geboren wird, wird das 
			Herz neu eingerichtet. Schlimme Sorgen und böse Träume ergreifen die 
			Flucht. Gottes Gegenwart duldet keine vergebliche Zukunftsangst und 
			keine überanstrengte Vergangenheitsbewältigung. Denn in Gott ist 
			alle Vergangenheit und Zukunft längst beschlossen. Statt des 
			perfekten Lebens steht das von Gott erfüllte Leben für uns bereit.
			 
			 
			Bleiben wir deshalb noch eine Weile an der Krippe, bis das 
			Christuskind unser Herz aufgeräumt hat. Welt ging verloren, Christ 
			ist geboren. Die Welt braucht keine perfekten Menschen. Sie braucht 
			einen Christus, der sie heil machen kann. Wir sollen keine perfekten 
			Menschen sein, aber erfüllte, die sagen: „Wenn euch die Welt 
			furchtsam machen will, dann denkt daran und antwortet ihr: Eure 
			Herren gehen, unser Herr aber kommt.“ 
			 
			Bleiben wir deshalb noch eine Weile, bis das Christuskind unser Herz 
			aufgeräumt hat. Und lasst uns füreinander bitten und wünschen, dass 
			Gott uns erfüllt. Und dann geht hinter den Hirten her, hinaus in die 
			Heilige Nacht. Sie ist voller Sterne.  
		
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
		Hof) 
      	(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de
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			Text: 
			1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein 
			Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt 
			würde. 
			2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da 
			Quirinius Statthalter in Syrien war. 
			3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in 
			seine Stadt. 
			4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, 
			in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil 
			er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 
			5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; 
			die war schwanger. 
			6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 
			7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und 
			legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der 
			Herberge. 
			 
			8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den 
			Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 
			9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn 
			leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 
			10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich 
			verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 
			11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, 
			der Herr, in der Stadt Davids. 
			12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln 
			gewickelt und in einer Krippe liegen. 
			13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen 
			Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 
			14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen 
			seines Wohlgefallens. 
			 
			15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die 
			Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die 
			Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan 
			hat. 
			16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das 
			Kind in der Krippe liegen. 
			 
			17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das 
			zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 
			18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die 
			Hirten gesagt hatten. 
			19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem 
			Herzen. 
			20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für 
			alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt 
			war.  |