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      Liebe Leser,  
		
      im neuesten Sonntagsblatt kann man eine Umfrage lesen zum Thema: Was ist 
		für Sie eine gute Predigt? Eine Antwort lautet:  
		 
		“Ein guter Prediger spricht frei, spricht kurze Sätze, verständlich, 
		bezieht die Gemeinde mit ein, indem er zum Beispiel Gemeindeglieder 
		direkt (aber natürlich nicht strafend, entlarvend, sondern freundlich) 
		anspricht. Bei einem guten Prediger weiß ich als Zuhörerin, dass er 
		meine Gemeinde kennt und weiß, was im Augenblick hier los ist. Übrigens: 
		Das ist durchaus kein Traum. Ich kenne so einen Prediger.“ 
		 
		Na, sagen wir da, Johannes der Täufer kann es nicht gewesen sein. Da 
		strömen die Menschen um sich taufen zu lassen und statt leiser Musik, 
		spiritueller Atmosphäre, Bildmeditation und „Gott hat dich lieb, so wie 
		du bist“ - Liedern, werden die Leviten gelesen. Dieses Taufwasser ist 
		nicht warm oder lauwarm, sondern eiskalt. Johannes der Täufer macht uns 
		und seine Täuflinge frisch und das bedeutet vor allem: hellwach.  
		 
		Mag sein, dass wir das als störend empfinden. Besonders zur 
		Weihnachtszeit lassen wir uns ja gerne einlullen von Klängen und 
		Gerüchen. Als wäre Weihnachten für ein paar Wochen das Deodorant einer 
		ansonsten zum Himmel stinkenden Welt. Weihnachten als Euphemismus, als 
		sprachliche Beschönigung unter vielen, mit denen wir versuchen, das 
		Schlimme nicht so schlimm klingen zu lassen und unsere Welt 
		schönzureden.  
		 
		Wenn ihr Chef ihnen kündigt, dann heißt das nicht feuern, sondern 
		freisetzen. Wenn unbeteiligte Zivilisten von Bomben zerfetzt werden, 
		dann sind sie keine Opfer von Menschenverachtung, sondern 
		Kollateralschäden. Ups, dumm gelaufen, sorry. Und auch über den Wald 
		gibt kein Schadens- oder besser Katastrophenbericht Auskunft, sondern 
		der Waldzustandsbericht. Der Prediger in der Wüste hat recht: Es ist 
		schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Freilich in einem Sinn, 
		den der Täufer nicht ahnen konnte. Wir alle sorgen dafür, dass der Wald 
		stirbt. Unser Wald. Sinnbild des Lebens. Besungen und bedichtet seit es 
		Menschen gibt. Als Ökosystem unabdingbare Lebensgrundlage auch für den 
		Menschen. Sein Niedergang müsste uns allen in die Glieder fahren. Und 
		wir schlafen weiter.  
		 
		Hier sind einige, hoffentlich hellwache Bemerkungen angebracht. Es ist 
		geradezu zynisch, wie für die Forstreform in Bayern argumentiert wurde. 
		Ja, wir müssen sparen im Interesse künftiger Generationen. Da muss halt 
		Manches dann auch stärker ökonomisch betrachtet werden. Aber man darf 
		dabei nicht die Interessen künftiger Generationen gegen die Interessen 
		künftiger Generationen ausspielen. Denn der Markt – das sollten wir alle 
		inzwischen begriffen haben – hat an Dingen, mit denen sich kein Geld 
		machen lässt, kein Interesse. Er regelt nichts im Sinne ethischer 
		Prinzipien. Er ist blind dafür. Was passiert, wenn der Markt im Wald 
		regiert, kann man sich in anderen Teilen der Erde mit entsetzten Augen 
		betrachten.  
		 
		Falls sie wach waren, haben sie sicher vom Volksbegehren „Aus Liebe zum 
		Wald“ gehört. Es ist an der zehn Prozent - Hürde gescheitert. Nur neun 
		Prozent haben sich bayernweit eingetragen. Das dauerte für jeden 
		allenfalls fünf Minuten. Diese fünf Minuten hatten in 
		der Stadt Hof gerade mal  sieben Prozent. Das ist 
		nicht viel mehr 
		als der natürliche Bevölkerungsanteil an Prozesshanseln, die gegen ihre 
		Nachbarn Prozesse wegen Laubfall und überhängender Äste führen. Und wir 
		schließen gerne die Kommunalpolitiker ein, die sich deren Stimmen 
		sichern, indem sie für die Lockerung und Abschaffung von 
		Baumschutzverordnungen eintreten.  
		 
		Was sollen denn all die Debatten um Patriotismus und Vaterlandsliebe, 
		wenn wir in den fünf Minuten, in denen wir für etwas, was zu uns gehört, 
		was wir lieben und auf das wir stolz sind, mit unserer Stimme eintreten 
		könnten, dann aber etwas Besseres vorhaben? Ja, lasst euch nicht 
		verarschen, besonders nicht bei solchen Debatten.  
		 
		Woher kommt denn unter uns diese unglaubliche Gleichgültigkeit, wenn 
		nicht aus einer großen Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit, die 
		glaubt, irgendwer wird es schon irgendwann richten? Und wenn das dann 
		nicht funktioniert, dann sind wir die Ersten, die jammern, klagen und 
		anklagen. Denn Schuld sind immer die anderen.  
		 
		Damit haben wir beschrieben, was der Prediger in der Wüste meint. Nicht 
		nur zur Weihnachtszeit ist Selbstzufriedenheit und Selbstsicherheit fehl 
		am Platz. Die Kinder Abrahams können sich nicht darauf verlassen, dass 
		Gott es ihnen schon allein aufgrund ihrer Herkunft richten wird. Die 
		Alteingesessenen sollen wohl zusehen, dass irgendwann nicht andere auf 
		ihren Stühlen sitzen. Diese Stühle sind Gottesgabe, wie der Wald und das 
		Land und das Meer, und die ganze lebendige Welt. Sie bleibt Gottes 
		Schöpfung – auch ohne den Menschen. Gott kann sich aus Steinen neue 
		machen.  
		 
		Das hat der kommende Christus, auf den der Prediger in der Wüste 
		hinweist auch vor: aus dem verlorenen und in sich selbst verkrümmten 
		Menschen, einen verantwortlichen, achtsamen, liebevollen, offenen und 
		damit an Leib und Seele neuen Menschen zu machen. Deshalb wird der 
		Christus taufen mit Feuer und Geist.  
		 
		Johannes der Täufer gibt sich mit weniger zufrieden. Er ist kein 
		Revolutionär und nicht einmal Pazifist. Er fordert niemand auf ihm 
		nachzufolgen oder den Beruf zu wechseln. Schon der bereitet dem Herrn 
		den Weg, der tut, was seines Amtes ist. Wer viel hat, soll geben, was er 
		übrig hat und nun wirklich nicht zum Leben braucht. Der Beamte an der 
		Zollstation, soll nehmen was recht ist. Der Soldat soll die Konventionen 
		achten. Schon dann bereitet er dem Herrn den Weg. Aber was heißt 
		„schon“? Wir alle wissen, dass das auch bei uns viel und manchmal schon 
		zuviel verlangt ist - vor allem aber dann, wenn wir den Schlaf der 
		vermeintlich Gerechten schlafen.  
		 
		Hellwach werden, heißt daher die Devise in der Adventszeit. Hellwach für 
		den, der da kommt im Namen des Herrn. Hellwach für die kleinen und 
		großen Nöte und Seufzer der Menschen und der Schöpfung Gottes. Hellwach 
		werden und die falschen Sicherheiten beim Namen nennen. Die Sinne 
		schärfen für die kleinen und großen Niederlagen der Gerechtigkeit und 
		gegen die, die uns darüber Sand in die Augen streuen wollen. Umkehren 
		und einmal das eigentlich Selbstverständliche tun. Einmal die Hand in 
		der Tasche lassen, die sich bei anderen und der Allgemeinheit bedienen 
		will. Mein gutes Recht auch als das des anderen ansehen. Auch und gerade 
		dann wird’s so richtig Weihnachten. Amen.  
		
      
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
      Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
      
      www.kanzelgruss.de) 
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      Text: 
      
		 (1)Im fünfzehnten Jahr der 
		Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in 
		Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus 
		Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias 
		Landesfürst von Abilene, (2)als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, 
		da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der 
		Wüste. 
		(3)Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe 
		der Buße zur Vergebung der Sünden, 
		(4)wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 
		40,3-5): »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den 
		Weg des Herrn und macht seine Steige eben! 
		(5)Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen 
		erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben 
		ist, soll ebener Weg werden. 
		(6)Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.« 
		(7)Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm 
		taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, 
		dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? 
		(8)Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht 
		vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann 
		dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. 
		(9)Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der 
		nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 
		(10)Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? 
		(11)Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe 
		dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. 
		(12)Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu 
		ihm: Meister, was sollen denn wir tun? 
		(13)Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! 
		(14)Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir 
		tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst 
		euch genügen an eurem Sold!  |