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			Liebe Leser, der Theologe Bernhard Dörries predigte vor 100 Jahren 
			über unseren Text: „Wenn das Vaterland seine Söhne ins Feld ruft, 
			ins blutige Feld der Schlachten, ja wie viel tausende heiliger Bande 
			werden da zerrissen! Der Landwehrmann, der Weib und Kind daheim hat, 
			der junge Soldat, auf den zu Haus ein alter Vater, eine bejahrte, 
			gebrechliche Mutter wartet, was soll er tun, wenn er vor dem Feinde 
			liegt? Soll er im Getümmel sich ducken und drücken, soll er eine 
			schützende Zuflucht suchen? O ganz gewiss nicht! Er soll tapfer sein 
			wie irgend einer , und wenn er im nächsten Augenblick die Kugel in 
			die Brust empfängt. Die Seinen wollen ihn nicht als Feigling und 
			Verräter wieder sehen ... Er muss ihnen zutrauen, dass ihnen das 
			Vaterland höher steht als das eigene Wohl, dass sie nicht leben 
			mögen in einem geknechteten Volk, in einem Volk, dass nicht sein 
			Alles setzt an seine Existenz, seine Freiheit, seine Ehre.“ (zitiert 
			nach GPM, 1;1991, Heft 45/2, S.149ff.) 
			 
			So wurde vor 100 Jahren in Deutschland gepredigt. Und wenn wir 
			solche frommen Reden an die Nation in den vergangenen Jahren von 
			jenseits des Atlantik gehört haben, dann sollten wir nicht 
			überheblich werden. Vielmehr haben wir darüber nachzudenken, was 
			passiert, wenn man Gottes Wort als Form benutzt und mit den eigenen 
			Inhalten füllt: Aus dem Christus wird der Führer und aus dem 
			Himmelreich das Vaterland. Die Inhalte sind beliebig auswechselbar. 
			Und es ist schon sehr aufschlussreich, wenn man sich als Prediger 
			selbst dabei ertappt, wie man die Hörer heute vielleicht aufruft zur 
			radikalen Aufgabe gewohnten Wohlstandes und gewohnter Sicherheit um 
			des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung willen. Ach wie gut und 
			frei fühlt sich der, der solches predigt, bevor er wieder 
			zurückkehrt in die wohlige Sicherheit seiner eigenen Welt.  
			 
			Ich weiß nicht, wie es ihnen beim Hören dieser Jesusworte ergangen 
			ist. Sie stehen fast so sperrig in der Landschaft, wie sein Kreuz, 
			den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit. Auf die richtige 
			Spur kommen wir, wenn wir erst einmal festhalten, dass diese Worte 
			nicht die ultimative Forderung Jesu an alle seine Nachfolger sind, 
			sondern schlicht und ergreifend ausdrücken, wie Jesus gelebt hat. 
			Das Ethos der frühen Jesusbewegung, hat ein Theologe das genannt 
			(Gerd Theißen). Jesus von Nazareth ist kein Familienmensch, sondern 
			ein Wanderprediger gewesen. Seine 12 Jünger sind ihm auf diese 
			Wanderschaft gefolgt. Frauen und Männer der Kirchengeschichte gingen 
			in ferne Länder und ließen alles zurück um das Himmelreich zu 
			verkündigen. Hier begegnet uns eine Form der christlichen Existenz.
			 
			 
			Selbst Jesus hat sie nicht von allen verlangt. Maria, Martha und ihr 
			Bruder Lazarus, enge Freunde Jesu, durften zu Hause bleiben (Joh 
			11). Jesus weist die Schriftgelehrten zurecht, die sich mit Spenden 
			für den Tempel um die Sorgepflicht für ihre alten Eltern drücken 
			wollen (Mt 15/4ff.). Paulus macht sich immer wieder Gedanken, wie 
			christliche Hausgemeinschaft einschließlich der Knechte und Sklaven 
			auszusehen hat.  
			 
			Aber beide, die Wandersleute und die Familienmenschen bekommen es 
			auf ihre Art mit der Botschaft vom Himmelreich zu tun. Denken wir 
			nur an den Besuch Jesu bei Maria und Martha. Wie Martha in der Küche 
			klappert, während Maria vor Jesus auf dem Boden sitzt und ihm 
			zuhört. Vielleicht hat Jesus ihr zugewinkt, sich doch auch 
			herzusetzen und vielleicht hat Martha gesagt: Bin gleich da, aber 
			zuvor muss ich noch was kochen. Du kriegst doch so selten was 
			Anständiges. Es gibt etwas, sagt Jesus zu ihr, was viel wichtiger 
			ist, als deine „Futtern wie bei Muttern“ - Nummer: Das ist die 
			Botschaft vom Himmelreich.  
			 
			Ist Kochen was Schlechtes? Ist Gastfreundschaft was Schlechtes? Ist 
			irgendetwas daran auszusetzen, sich von den Seinen im Guten zu 
			verabschieden, wenn man in die Fremde geht oder am Grab, wenn liebe 
			Menschen für immer gehen? Ist irgendetwas Schlechtes daran, sich 
			seiner Vergangenheit und der seiner Väter und Mütter zu erinnern, 
			vielleicht gerade um des heutigen Friedens willen. Nein, daran ist 
			nichts Schlechtes! Und es gibt nur ein Ereignis, das selbst den 
			Ablauf all der guten Programme und Selbstverständlichkeiten, die wir 
			hoffentlich gelernt haben, unterbrechen kann: Das ist das 
			Himmelreich. Das Himmelreich ist in seinem Inhalt und in seinem 
			Anspruch mit nichts zu verwechseln; nicht mit Volk und Vaterland, 
			nicht mit Freiheit und Demokratie, nicht mit Geld und Macht, nicht 
			mit Wohlstand und Sicherheit. Das Himmelreich kommt von Gott. Es ist 
			Gottes Gegenwart und Zukunft für uns. Die Botschaft vom Himmelreich 
			lautet: Hier ist Gottes Zukunft für dich. Trete sie an!  
			 
			Und weil dieses Himmelreich ganz von Gott kommt, haben unsere guten 
			und schlechten Zeiten in ihm keine Rolle zu spielen. Sie müssen von 
			uns weder bewahrt noch abgearbeitet werden. Im Himmelreich gilt: Sie 
			fallen Gott in die Hände. Deshalb bleibt auch nichts mehr zu tun 
			„zuvor“. Es hat sich erledigt.  
			 
			Es hat sich erledigt. Steckt darin nicht auch eine große Anstiftung 
			zur Freiheit; ja, vielleicht die einzige Möglichkeit dazu? Es ist 
			mit unserer eigenen Vergangenheit ja nicht anders als mit der 
			Vergangenheit allgemein. Man kann sie nicht ändern. Nicht ums 
			Verrecken. Was gut, wahr und schön war, bleibt was es war. Was 
			schlecht, ungerecht, schuldhaft und zerstörend war, bleibt was es 
			war. Es darf, soll und muss bedacht und benannt werden, als das, was 
			es war. Aber das war‘s dann auch schon. Mehr kann und soll ein 
			Christenmensch mit seiner Vergangenheit nicht anfangen. Sie hat sich 
			erledigt. Sie fällt Gott in die Hände.  
			 
			Wer selbst mehr und anderes aus seiner Vergangenheit machen will, 
			ist ein wahrhaft lächerlicher Mensch, der beständig seinen Unglauben 
			zur Schau stellt. Wer aus dem, was schlecht war, etwas Gutes und 
			Schönes machen will, kennt die sicherste Methode auch zukünftig 
			seine Gegenwart und Zukunft mit Lügen und Selbstbetrug zu vergiften. 
			Die Lebenslüge ist ja nichts anderes, als das Ergebnis des 
			verzweifelten Versuchs, aus der eigenen Vergangenheit etwas anderes 
			zu machen. Ein verzweifelter und vergeblicher Versuch, der uns 
			irgendwann wie Lots Frau zur Salzsäule erstarren lässt.  
			 
			So wie wir manchmal erstarren, wenn uns die Vergangenheit einholt 
			und wir mit ihr konfrontiert werden. Aber dann dürfen wir als 
			Christenmenschen sagen: Wohl wahr, aber mein Herr Christus lässt 
			nicht zu, dass ich mich, dass andere mich und dass ich andere auf 
			die Vergangenheit festlege. Kein Mensch kann sie ändern. Aber 
			vielleicht kann Gott aus seiner großen Güte und Gnade auch aus der 
			bösen Vergangenheit noch etwas Gutes machen. Auch Josephs Brüder 
			gedachten es böse zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen. 
			(1. Mose 50/20) Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben nach 
			vorn zu schauen.  
			 
			Es ist kein Zufall, dass Jesus das Bild vom Pflug wählt. Wer das 
			Werkzeug des Friedens in die Hand nimmt und so dem Himmelreich 
			entgegengeht, soll auf Gott schauen und nicht auf seine eigene 
			Vergangenheit. Die fällt Gott in die Hände. Die hat sich erledigt.
			 
			 
			Sind das nicht verlockende Aussichten? Und liegt nicht gerade hier 
			auch der Ort für tiefe Einsichten? Die Machthaber dieser Erde suchen 
			ihren Platz in der Geschichte. Wir Christen dürfen unseren Platz in 
			Gottes Geschichte suchen. Von dort aus betrachtet, war das 
			Küchengeklapper der Marta doch arg leise gegen die Botschaft vom 
			Himmelreich. Von dort aus betrachtet waren wir doch unser Leben lang 
			dem Menschensohn viel näher, als wir dachten; hatten geglaubt wir 
			hätten nicht nur Gruben wie die Füchse und Nester wie die Vögel, 
			sondern eine Eigentumswohnung, einen sicheren Arbeitsplatz und ein 
			Depot bei den Lehmann Brothers. Und in Wahrheit waren wir doch nicht 
			nur in schweren Zeiten, sondern eigentlich immer auf hoher See. Und 
			haben am Ende doch nur - wie der Mörder am Kreuz neben Jesus - den 
			himmlischen Obdachlosen für uns und diese Welt zu bitten und zu 
			betteln: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! (Lk 
			23/42) 
			
		
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
		Hof) 
      	(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
			Text: 
			57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach 
			einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 
			58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel 
			unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo 
			er sein Haupt hinlege. 
			59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: 
			Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 
			60 Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du 
			aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 
			61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber 
			erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem 
			Haus sind. 
			62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und 
			sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.  |