Predigt     Lukas 14/16-24     2. Sonntag nach Trinitatis     03.07.11

"Erst kommt das Vergnügen, dann die Arbeit!"
(Predigt zum Gemeindefest in Hospital
von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

seien wir mal ehrlich: Kirche kann ganz schön anstrengend sein. Sie die Sie heute bei diesem Wetter trotzdem den Weg zu unserem Gemeindefest gefunden haben, wissen das, da Sie wahrscheinlich zu den „Aktiven“ in der Kirche gehören. Und auch wenn Sie nicht ein oder mehrere Ehrenämter haben, machen Sie sich vielleicht Sorgen, wie es mit der Kirche weitergehen soll. Keiner hört uns mehr zu, keiner kommt und irgendwann sterben wir aus. Das war übrigens schon immer so und schon immer konnte man dann von Kanzeln hören oder im Sonntagsblatt lesen, was wir, also Sie, noch alles tun können und müssen, damit das Schlimmste abgewendet werden kann. Womit wir bei den Mühseligen und Beladenen wären, die Jesus im Wochenspruch zu sich ruft.

Ein Kollege schrieb mir kürzlich, sie hätten ihr Gemeindefest unter das Motto des neuen Liederhefts der bayerischen Landeskirche gestellt: „Kommt, atmet auf“. Aber nach all den Vorbereitungen und im Blick auf das übervolle Programm, sollte das Motto des Festes ehrlicherweise „Gemeinde außer Atem“ heißen. In schöner Regelmäßigkeit werden wir in den letzten Jahren mit Impulspapieren bombardiert, die so schöne Namen, wie „Kirche der Freiheit“ oder „Salz der Erde“ tragen. Die Freude hat aber schon bald ein Ende, denn dem geneigten Leser werden knallhart die Defizite der Kirche, also seine, aufgezeigt; und ihm werden schmerzhafte Therapien verordnet, dass ihm die Haare zu Berge stehen. Wir sollen es endlich begreifen: Erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. In der jetzigen Situation der Kirche heißt das: Jetzt kommt die Arbeit und dann kommt die Arbeit und dann kommt lange gar nichts. Und wenn dann irgendwann wieder ein Vergnügen in und an der Kirche möglich wird, dann lasst uns denen danken, die uns endlich einmal an die Arbeit geschickt haben.

Es gehört zu der Tragik des menschlichen Lebens allgemein, dass wir bei schwierigen Lagen zunächst versuchen, die gewohnten und schon immer gültigen Therapien zu verstärken. Also so, dass wir in dem Moment, wo etwas nicht hilft, einfach mehr davon versuchen. Als wäre mehr vom Falschen dann irgendwann gut und hilfreich.

So haben wir in der Vorbereitung dieses Gottesdienstes beim Gleichnis vom großen Fest aus dem Lukasevangelium gezögert und uns gefragt, ob es denn zu unserem Thema „Gott feiern“ überhaupt passt. Denn wir haben uns alle daran erinnert, was uns über dieses Gleichnis bisher erzählt wurde. Kaum waren die Konfirmationsglocken nach der Einsegnung verklungen, stand da schon ein Pfarrer oder ein Kirchenvorsteher vor uns und erzählte uns, dass uns im Leben nichts wichtiger sein sollte als Gott und die Kirche. Nicht die Geschenke, nicht das, was wir wollen, sondern was Gott und die Kirche will. Und die will, dass wir uns ab sofort gefälligst ehrenamtlich engagieren, denn sonst würde uns der Zorn des Kirchenvorstandes, des Pfarrers und der Zorn Gottes in geballter Ladung treffen und wir wären Christen 3. Klasse, wenn wir denn überhaupt noch welche wären. Das war die Moral von der Geschicht.

Das ist ein schönes Beispiel für unsere Versuche, das Evangelium vor den Karren unserer Interessen und Gemeinplätze zu spannen. Einer davon heißt: Erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. So ist es auf der Welt, aber nicht im Himmelreich. So denkt die Welt, aber nicht der Christus. Davon erzählt das Gleichnis vom Abendmahl, vom großen Fest. Alle drei, die sich entschuldigen und der Einladung Gottes nicht folgen, tun dies mit dem Argument: Erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. Bei den Ochsen ist das so, und bei dem Acker ist das so. Und ich rede hier ja jetzt zu Erwachsenen, die wissen, dass das bei der Familie nicht anders ist. Wenn das Hochzeitsfest vorbei ist, beginnt die Beziehungs- und Familienarbeit. Die kann verdammt hart sein.

Lauter gute und wichtige Dinge, die wir nicht abwerten wollen. Der Unterschied ist viel grundsätzlicher und lautet: Im Himmelreich werden wir nicht zum Arbeiten, sondern zum Feiern eingeladen. Hier gilt: Erst kommt das Vergnügen und dann die Arbeit. Da könnte es leicht passieren, dass wir uns für Christenmenschen halten und uns für unsere Kirche Arme und Beine ausreißen und trotzdem das Wichtigste versäumen. Wenn Gott uns einlädt, mit ihm, ja ihn selbst zu feiern, dann ist Feierabend, dann bleiben die Sorgen zuhaus. Wer feiert, darf ganz außer sich sein. Deshalb erquickt ein gutes Fest alle Mühseligen und Beladenen. Was haben wir gelacht und alles andere einmal vergessen!

Im Glauben passiert gar nichts anderes. Denn, wer glaubt, der darf ganz außer sich sein. Der gibt die Konzentration auf sich selbst völlig auf, um bei einem anderen zu sein. Zum Beispiel beim Fest, zu dem der Hausherr einlädt. Zum Beispiel bei Jesus Christus, der alle Mühseligen und Beladenen einlädt, zu ihm zu kommen. Denn im Glauben, schreibt Martin Luther, fährt der Christ über sich hinaus in Gott. Er ist dann erst einmal „hin und weg.“ Und dort in Christus wird er eine neue Kreatur. (2. Korinther 5/17) Nicht in dem, was wir arbeiten und schaffen, liegt die Bedeutung, die Wahrheit unseres Lebens, oder der Fortbestand der Kirche beschlossen, sondern in dem, was Gott für uns arbeitet und schafft.

Deshalb lädt der Christus uns ein, unsere Sorgen und Lasten, ja die Last, die wir uns selbst sind, bei ihm abzuladen. Er lädt uns ein, ganz außer uns zu sein und stattdessen ganz bei ihm. Kinder wissen, welche Freude das macht, auf den starken Schultern eines Großen durch die Welt zu brausen. Das ist ein Fest! Genau dazu lädt der Christus uns ein. Und deshalb sollte in der Kirche gelten: Erst kommt das Vergnügen und dann die Arbeit. Und wenn das bei uns leider anders ist, dann wissen wir, was der Kirche wirklich fehlt: Menschen, die wieder lernen, außer sich zu sein. Menschen, die wieder lernen zu glauben.

Menschen, die glauben, fahren über sich hinaus in Gott. Sie tun dies, wenn sie beten, Gottes Wort hören, miteinander feiern in geschwisterlicher Gemeinschaft, in Brot und Wein. Aber es gehört sozusagen zur Natur des Glaubens, dass er nicht nur über sich hinaus in Gott fährt, sondern dass er dann auch wieder unter sich hinunter fährt durch die Liebe. Der Glaube ist kein frommer Rausch, auf den das böse Erwachen folgt in der alten Welt der Arbeit und der Pflicht. Nein, der Glaube fährt sozusagen mit Gott wieder hinab, vollzieht die Bewegung Gottes nach, der in Christus zur Welt kommt und Mensch wird. Und deshalb wird der glaubende Mensch nicht vergöttlicht, sondern vermenschlicht. Wer Gott feiert und zu ihm hinauffährt, bleibt gerade deshalb der Erde treu – wie Gott unserer Welt und ihren Menschen treu bleibt.

Aus Liebe, wohlgemerkt. Die Liebe kann man nicht befehlen oder machen. Sie wird geschenkt. Und deshalb ist die Autoritätsform des Evangeliums nicht der Befehl und auch nicht der Appell, sondern die Bitte. Der Hausherr lädt ein. Und am Ende sitzen dann in fröhlicher Runde die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen, die Mühseligen und Beladenen, also Menschen, wie wir, fröhlich und ausgelassen beim Feiern und denken über die, die der Einladung nicht gefolgt sind, was das Gleichnis allen seinen Hörern nahe legt: Schön blöd! Denn im Himmelreich kommt erst das Vergnügen und dann die Arbeit. Und darauf sagen wir: Amen.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
 


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