Liebe Leser,
seien wir mal ehrlich: Kirche kann ganz schön
anstrengend sein. Sie die Sie heute bei diesem Wetter trotzdem den
Weg zu unserem Gemeindefest gefunden haben, wissen das, da Sie
wahrscheinlich zu den „Aktiven“ in der Kirche gehören. Und auch wenn
Sie nicht ein oder mehrere Ehrenämter haben, machen Sie sich
vielleicht Sorgen, wie es mit der Kirche weitergehen soll. Keiner
hört uns mehr zu, keiner kommt und irgendwann sterben wir aus. Das
war übrigens schon immer so und schon immer konnte man dann von
Kanzeln hören oder im Sonntagsblatt lesen, was wir, also Sie, noch
alles tun können und müssen, damit das Schlimmste abgewendet werden
kann. Womit wir bei den Mühseligen und Beladenen wären, die Jesus im
Wochenspruch zu sich ruft.
Ein Kollege schrieb mir kürzlich, sie hätten ihr Gemeindefest unter
das Motto des neuen Liederhefts der bayerischen Landeskirche
gestellt: „Kommt, atmet auf“. Aber nach all den Vorbereitungen und
im Blick auf das übervolle Programm, sollte das Motto des Festes
ehrlicherweise „Gemeinde außer Atem“ heißen. In schöner
Regelmäßigkeit werden wir in den letzten Jahren mit Impulspapieren
bombardiert, die so schöne Namen, wie „Kirche der Freiheit“ oder
„Salz der Erde“ tragen. Die Freude hat aber schon bald ein Ende,
denn dem geneigten Leser werden knallhart die Defizite der Kirche,
also seine, aufgezeigt; und ihm werden schmerzhafte Therapien
verordnet, dass ihm die Haare zu Berge stehen. Wir sollen es endlich
begreifen: Erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. In der
jetzigen Situation der Kirche heißt das: Jetzt kommt die Arbeit und
dann kommt die Arbeit und dann kommt lange gar nichts. Und wenn dann
irgendwann wieder ein Vergnügen in und an der Kirche möglich wird,
dann lasst uns denen danken, die uns endlich einmal an die Arbeit
geschickt haben.
Es gehört zu der Tragik des menschlichen Lebens allgemein, dass wir
bei schwierigen Lagen zunächst versuchen, die gewohnten und schon
immer gültigen Therapien zu verstärken. Also so, dass wir in dem
Moment, wo etwas nicht hilft, einfach mehr davon versuchen. Als wäre
mehr vom Falschen dann irgendwann gut und hilfreich.
So haben wir in der Vorbereitung dieses Gottesdienstes beim
Gleichnis vom großen Fest aus dem Lukasevangelium gezögert und uns
gefragt, ob es denn zu unserem Thema „Gott feiern“ überhaupt passt.
Denn wir haben uns alle daran erinnert, was uns über dieses
Gleichnis bisher erzählt wurde. Kaum waren die Konfirmationsglocken
nach der Einsegnung verklungen, stand da schon ein Pfarrer oder ein
Kirchenvorsteher vor uns und erzählte uns, dass uns im Leben nichts
wichtiger sein sollte als Gott und die Kirche. Nicht die Geschenke,
nicht das, was wir wollen, sondern was Gott und die Kirche will. Und
die will, dass wir uns ab sofort gefälligst ehrenamtlich engagieren,
denn sonst würde uns der Zorn des Kirchenvorstandes, des Pfarrers
und der Zorn Gottes in geballter Ladung treffen und wir wären
Christen 3. Klasse, wenn wir denn überhaupt noch welche wären. Das
war die Moral von der Geschicht.
Das ist ein schönes Beispiel für unsere Versuche, das Evangelium vor
den Karren unserer Interessen und Gemeinplätze zu spannen. Einer
davon heißt: Erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. So ist es
auf der Welt, aber nicht im Himmelreich. So denkt die Welt, aber
nicht der Christus. Davon erzählt das Gleichnis vom Abendmahl, vom
großen Fest. Alle drei, die sich entschuldigen und der Einladung
Gottes nicht folgen, tun dies mit dem Argument: Erst kommt die
Arbeit und dann das Vergnügen. Bei den Ochsen ist das so, und bei
dem Acker ist das so. Und ich rede hier ja jetzt zu Erwachsenen, die
wissen, dass das bei der Familie nicht anders ist. Wenn das
Hochzeitsfest vorbei ist, beginnt die Beziehungs- und
Familienarbeit. Die kann verdammt hart sein.
Lauter gute und wichtige Dinge, die wir nicht abwerten wollen. Der
Unterschied ist viel grundsätzlicher und lautet: Im Himmelreich
werden wir nicht zum Arbeiten, sondern zum Feiern eingeladen. Hier
gilt: Erst kommt das Vergnügen und dann die Arbeit. Da könnte es
leicht passieren, dass wir uns für Christenmenschen halten und uns
für unsere Kirche Arme und Beine ausreißen und trotzdem das
Wichtigste versäumen. Wenn Gott uns einlädt, mit ihm, ja ihn selbst
zu feiern, dann ist Feierabend, dann bleiben die Sorgen zuhaus. Wer
feiert, darf ganz außer sich sein. Deshalb erquickt ein gutes Fest
alle Mühseligen und Beladenen. Was haben wir gelacht und alles
andere einmal vergessen!
Im Glauben passiert gar nichts anderes. Denn, wer glaubt, der darf
ganz außer sich sein. Der gibt die Konzentration auf sich selbst
völlig auf, um bei einem anderen zu sein. Zum Beispiel beim Fest, zu
dem der Hausherr einlädt. Zum Beispiel bei Jesus Christus, der alle
Mühseligen und Beladenen einlädt, zu ihm zu kommen. Denn im Glauben,
schreibt Martin Luther, fährt der Christ über sich hinaus in Gott.
Er ist dann erst einmal „hin und weg.“ Und dort in Christus wird er
eine neue Kreatur. (2. Korinther 5/17) Nicht in dem, was wir
arbeiten und schaffen, liegt die Bedeutung, die Wahrheit unseres
Lebens, oder der Fortbestand der Kirche beschlossen, sondern in dem,
was Gott für uns arbeitet und schafft.
Deshalb lädt der Christus uns ein, unsere Sorgen und Lasten, ja die
Last, die wir uns selbst sind, bei ihm abzuladen. Er lädt uns ein,
ganz außer uns zu sein und stattdessen ganz bei ihm. Kinder wissen,
welche Freude das macht, auf den starken Schultern eines Großen
durch die Welt zu brausen. Das ist ein Fest! Genau dazu lädt der
Christus uns ein. Und deshalb sollte in der Kirche gelten: Erst
kommt das Vergnügen und dann die Arbeit. Und wenn das bei uns leider
anders ist, dann wissen wir, was der Kirche wirklich fehlt:
Menschen, die wieder lernen, außer sich zu sein. Menschen, die
wieder lernen zu glauben.
Menschen, die glauben, fahren über sich hinaus in Gott. Sie tun
dies, wenn sie beten, Gottes Wort hören, miteinander feiern in
geschwisterlicher Gemeinschaft, in Brot und Wein. Aber es gehört
sozusagen zur Natur des Glaubens, dass er nicht nur über sich hinaus
in Gott fährt, sondern dass er dann auch wieder unter sich hinunter
fährt durch die Liebe. Der Glaube ist kein frommer Rausch, auf den
das böse Erwachen folgt in der alten Welt der Arbeit und der
Pflicht. Nein, der Glaube fährt sozusagen mit Gott wieder hinab,
vollzieht die Bewegung Gottes nach, der in Christus zur Welt kommt
und Mensch wird. Und deshalb wird der glaubende Mensch nicht
vergöttlicht, sondern vermenschlicht. Wer Gott feiert und zu ihm
hinauffährt, bleibt gerade deshalb der Erde treu – wie Gott unserer
Welt und ihren Menschen treu bleibt.
Aus Liebe, wohlgemerkt. Die Liebe kann man nicht befehlen oder
machen. Sie wird geschenkt. Und deshalb ist die Autoritätsform des
Evangeliums nicht der Befehl und auch nicht der Appell, sondern die
Bitte. Der Hausherr lädt ein. Und am Ende sitzen dann in fröhlicher
Runde die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen, die Mühseligen
und Beladenen, also Menschen, wie wir, fröhlich und ausgelassen beim
Feiern und denken über die, die der Einladung nicht gefolgt sind,
was das Gleichnis allen seinen Hörern nahe legt: Schön blöd! Denn im
Himmelreich kommt erst das Vergnügen und dann die Arbeit. Und darauf
sagen wir: Amen.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein
Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den
Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der
erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss
hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und
ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige
mich.
20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann
ich nicht kommen.
21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde
der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus
auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen,
Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen
hast; es ist aber noch Raum da.
23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen
und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll
werde.
24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren,
mein Abendmahl schmecken wird.
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