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		Liebe Leser,
		 er pendelte zwischen Paris, Köln und 
		Straßburg. Im 13. Jahrhundert was das kein Vergnügen. Aber er musste 
		sich um den Aufbau von 47 Klöstern kümmern; er predigte, hielt 
		Vorlesungen und Vorträge: „Meister Eckard“ wurde er genannt, der „Lese- 
		und Lebemeister“. Nicht nur die Bildung, das Lesen, war ihm wichtig, er 
		wollte die Menschen anregen, glücklich zu leben. In aller Betriebsamkeit 
		interessierte ihn nur eine einzige zentrale Frage: Wie kann Gott im 
		Menschen geboren werden? Wie kann der Mensch erkennen und wahrnehmen, 
		dass er in Wahrheit Gottes Sohn, Gottes Tochter ist und deswegen 
		unmittelbar ins Leben Gottes hineingehört? 
		Mit der gleichen Frage beschäftigt sich unser heutiger Predigttext. Er 
		wird den meisten von Ihnen bekannt sein: Das Gleichnis vom verlorenen 
		und wiedergefundenen Sohn.  
		 
		Jesus erzählt es Pharisäern, die erbost sind darüber, dass Jesus die 
		Sünder annimmt. Jesus nimmt in sein Gleichnis alle Personen auf, die um 
		ihn herumstehen, als er zu erzählen anfängt.  
		- Gott kommt als Vater vor. 
		- Die sogenannten „Sünder, als der jüngere verlorene und wiedergefundene 
		Sohn. 
		- Und schließlich sind da noch die Pharisäer als der ältere Sohn, von 
		dem sich herausstellt, dass er ebenfalls verloren und wiedergefunden 
		ist. 
		 
		Hören wir Jesus zu, wie er erzählt. Wir werden uns vermutlich 
		wiederfinden, in einem der beiden Söhne oder in beiden: 
		15,11 Ein Mensch hatte zwei Söhne. 
		15,12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das 
		Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 
		15,13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen 
		und zog in ein fernes Land; 
		15,14 Dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 
		15,14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große 
		Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben 
		15,15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der 
		schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 
		 
		Sehen wir uns zuerst diesen jüngeren Sohn an. Meister Eckard sieht die 
		Menschen als verlorene Söhne. Er meint, der Mensch verliere sich vor 
		allem in seinen Sicherheiten: in dem, was er hat, in dem, was er aus 
		sich macht oder zu machen gedenkt, in seinen festen Weltsichten und 
		Überzeugungen. Eckard will ihm helfen, er rät:  
		 
		Wenn du wissen willst, wer du bist, musst du versuchen, dich ohne den 
		Müll zu sehen, der sich um dich angesammelt hat. Wirf alles weg, was du 
		nicht bist: Du bist nicht dein Bankkonto! Du bist nicht dein 
		Schönheitsideal! Du bist nicht deine Leistung! Du bist auch nicht dein 
		Versagen! Nichts von dem, was du besitzt oder getan hast, hat Einfluss 
		auf das, was du bist! Die Gedanken, die du dir machst, deine Gefühle, 
		deine Ängste und dein Größenwahn, all das sagt nichts darüber aus, wer 
		du bist. Vergiss das alles! Vergiss alle deine Vorstellungen von dir und 
		der Welt, vergiss selbst deine Vorstellungen von Gott! Wer glaubt, Gott 
		zu haben, sucht ihn nicht und verliert leicht ihn und sich selbst an 
		eine kümmerliches Gottesbild. Vergiss alles, bis 
		du unterm Himmel steht, wie du geschaffen wurdest, nackt an Leib und 
		Seele. Bis du wieder zu suchen beginnst. Wer sucht, ist offen für Gott. 
		 
		Dazu gibt es zwei Wege. Der eine: Der Mensch erlebt unfreiwillig den 
		Zusammenbruch all dessen, auf was er bisher sein Leben aufgebaut hatte, 
		in seiner ganzen Wucht am eigenen Leib. 
		Der zweite: der Mensch begreift, indem er selbst Abstand nimmt von 
		seinen Sicherheiten und neu zu suchen beginnt. 
		 
		Der jüngere Sohn in unserem Gleichnis geht recht unfreiwillig den ersten 
		Weg: Seine Träume vom schönen Leben sind zerplatzt, 
		zusammengeschrumpelt, zu einem wahrlich nicht zu hoch gegriffenen 
		Wunsch: 15,16 „Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, 
		die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.“ 
		 
		Ein Mensch am Ende. Für Meister Eckard dennoch ein Mensch am Anfang: 
		Denn wer glaubt, Gott zu haben, sucht ihn nicht und verliert sich. Er 
		klammert sich an ein kümmerliches Welt- und Gottesbild und es wäre 
		besser, wenn es zerschlagen würde. Wer sich aber im freien Fall 
		befindet, dessen Augen sind weit aufgerissen für Gott. Er sucht Gott 
		verzweifelt mit seinem ganzen Sein. Eckard sagt es so: „Erst in der 
		Leere des Nichts wird Raum geschaffen für den göttlichen Gott.“ Wer 
		glaubt, Gott zu haben, verliert ihn und sich. Wer aber sucht, ist offen 
		für Gott. 
		 
		15,17 Da ging er (der Sohn) in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat 
		mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 
		15,18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm 
		sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.  
		15,19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache 
		mich zu einem deiner Tagelöhner! 
		15,20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch 
		weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und 
		fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 
		15,21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den 
		Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn 
		heiße. 
		15,22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: 
		Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm 
		einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 
		15,23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; laßt uns essen und 
		fröhlich sein! 
		15,24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er 
		war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu 
		sein. 
		 
		„Denn dieser, mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war 
		verloren und ist gefunden worden.“ Ich finde 
		diesen Satz so schön, weil er nicht sagt: „Mein Kind war für mich 
		verloren und ist nun für mich wieder lebendig.“ 
		Dieser Satz sagt auch nicht: „Mein Kind hatte sich verloren und hat sich 
		nun wieder gefunden.“ Ich finde diesen Satz so 
		schön, weil er beides in einem sagt. Er trennt nicht mehr zwischen Vater 
		und Kind. Die beiden gehören so eng zueinander, dass sie unmöglich 
		getrennt voneinander zu betrachten sind. Sich selbst zu finden und Gott 
		zu finden fallen in eins. 
		 
		„Dieser, mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war 
		verloren und ist gefunden worden.“ Seit Anbeginn der Zeit weht Gottes 
		Atem im Menschen. Wir alle sind Kinder Gottes. Dies aber zu sehen und 
		für sich selbst wahr zu nehmen, das ist ein schwieriges Unterfangen, bei 
		dem uns unsere Gottesbilder im Wege stehen. Manchmal muss Gott uns 
		unsere alten Gottesbilder zerschlagen, damit wir ihn neu kennen lernen. 
		 
		In unserem Gleichnis gibt es noch einen zweiten verlorenen Sohn, der aus 
		seinen starren Gottesbildern befreit wird: 
		15,25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause 
		kam, hörte er Singen und Tanzen 
		15,26 und rief zu sich einen der Knechte, und frag, was das wäre. 
		15,27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat 
		das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wieder hat. 
		15,28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein 
		Vater heraus und bat ihn. 
		15,29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele 
		Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast 
		mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich 
		gewesen wäre. 
		15,30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut 
		mit Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 
		 
		Wenn man dem Sohn so zuhört, merkt man schnell: Ihm geht es nicht ums 
		Geld oder ein Kalb hin oder her. Er fühlt sich ungeliebt. „Ich hab mich 
		abgerackert, hab das Geld zusammengehalten, hab immer getan, was du 
		wolltest. Ich hab meine besten Jahre für dich und den Hof geopfert.“  
		 
		15,31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und 
		alles, was mein ist, das ist dein. 
		 
		Mit der Antwort des Vaters wird auch dem älteren Sohn sein kümmerliches 
		Gottesbild genommen. Er hört den Vater sprechen: „Was hast du geglaubt, 
		wer ich bin? Ein Gott der Pflicht? Hör doch, ich liebe dich doch nicht 
		wegen deiner Arbeit. Glaubst du, ich wäre untergegangen ohne dich? Bist 
		du dageblieben nur um meinetwillen? Ich bin Gott, mein Land erhält sich 
		selbst. Glaubst du wirklich, du baust das Himmelreich? Ja glaubst du 
		denn auch, dass ich dich als Knecht will wie dein Bruder? Ihr seid meine 
		Kinder! Ich liebe euch, einfach weil ihr meine Kinder seid. Wir gehören 
		zusammen. Wir, die ganze Familie: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, 
		und alles, was mein ist, das ist dein. Warum hast du dir eigentlich nie 
		ein Kalb gegönnt? Der Stall ist doch voll davon? 
		Der Sohn sieht seinen Vater verwundert an. Diesen Vater muss er erst 
		noch kennen lernen. Wer glaubt, Gott zu haben, verliert ihn und sich 
		selbst. Wer aber sucht, ist offen für Gott. 
		 
		15,32 (Komm, mein Sohn), Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; 
		denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war 
		verloren und ist wiedergefunden. 
		 
		Sich als geliebtes Kind Gottes zu sehen, das ohne Vorbedingungen geliebt 
		wird, hat auch Auswirkungen auf die Lebenspraxis: Nicht Gebote und 
		Verbote bestimmen dann das Ethos. Nicht die Pflichten stehen im 
		Mittelpunkt. Noch einmal Meister Eckard: „Was du bist, zählt allein, 
		nicht was du hast, oder tust oder wirkst. Ein gutes Werk kann dich 
		niemals gut machen. Bist du aber gut, dann tust du immer gute Werke. Um 
		wen es recht steht, und wer richtig ist, dem ist an allen Orten und bei 
		allen Menschen recht.“  Wer nur ethisch 
		handelt, um Gebote oder Pflichten zu erfüllen, vielleicht aus Angst vor 
		Strafe oder in der Hoffnung auf Belohnung, handelt gezwungen, er tut 
		eigentlich nichts Gutes. Er gibt nicht Liebe weiter sondern Pflicht, 
		weil er nicht sieht, dass er schon längst von der Liebe getragen wird. 
		 
		Mögen wir immer wieder den Satz hören: Mein Kind, du bist allezeit bei 
		mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Möge 
		uns dieser Satz immer wieder so überraschen wie die beiden Söhne, die 
		ihren Vater verwundert ansehen und feststellen: Diesen Vater muss ich 
		erst noch kennen lernen.  Mein Kind, du bist 
		allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. 
		 
      
      
      Vikar Michael Krauß   
      (Hospitalkirche Hof)  | 
      Text: 
      
		 11 Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 
		12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das 
		Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 
		13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und 
		zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit 
		Prassen. 
		14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot 
		über jenes Land und er fing an zu darben 
		15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der 
		schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 
		16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue 
		fraßen; und niemand gab sie ihm. 
		17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, 
		die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 
		18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: 
		Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 
		19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich 
		zu einem deiner Tagelöhner! 
		20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. 
		Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte 
		ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 
		21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den 
		Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn 
		heiße. 
		22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste 
		Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und 
		Schuhe an seine Füße 
		23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; lasst uns essen und 
		fröhlich sein! 
		24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er 
		war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu 
		sein. 
		25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, 
		hörte er Singen und Tanzen 
		26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre. 
		27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das 
		gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat. 
		28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater 
		heraus und bat ihn. 
		29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre 
		diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir 
		nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen 
		wäre. 
		30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit 
		Huren verprasst hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet. 
		31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir und alles, 
		was mein ist, das ist dein. 
		32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein 
		Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist 
		wiedergefunden.  |