Predigt     Lukas 18/27     Jahreslosung 2009    01.01.09

Christus spricht:
Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

"An die Grenze"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

„Unmöglich!“ rief die Tante aus. „Wie du wieder daherkommst! Hast du denn nicht wenigstens ein paar Jeans ohne Löcher? Muss es denn immer der gleiche Pullover sein? Hast Du kein Geld für den Frisör? So kann ich dich doch nicht mit ins Theater nehmen und zu spät kommst du auch wieder. Du bist wirklich unmöglich.“

Unmöglich! Das rufen wir aus, angesichts von Verhältnissen und Zuständen, deren Heilung nach unserer Meinung durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Ist es wirklich unmöglich, die Ehe nicht zu brechen? Ist es wirklich unmöglich, sich nicht mit dem Eigentum und auf Kosten anderer zu bereichern? Ist es wirklich unmöglich, von anderen Menschen keine falschen Dinge zu behaupten, Gutes von ihnen zu reden und alles zum Besten zu kehren? Ist es denn wirklich unmöglich, sich um die alten Eltern zu kümmern und hin und wieder etwas Zeit für sie zu erübrigen?

Ja, schon wahr: „Unmöglich!“ wird heute aus den unmöglichsten Gründen gerufen. Der Tante, die sich über den heranwachsenden Neffen ärgert, muss man sagen: Das gibt sich. Die Volkspädagogen, die Rauchverbote und sogar die sprachliche Gleichstellung von Mann und Göttin aufs Schärfste bewachen, darf man fragen: Habt ihr denn keine anderen Probleme? Hat eine Gesellschaft, in der zur Pflicht wird, gefälligst bei bester Gesundheit zu sterben, denn vergessen, was ihre Zivilisation ausmacht und im Innersten zusammenhält? Ob das so ist, sieht man auch daran, an welchen Stellen „Unmöglich!“ gerufen wird.

Der Mann, der in diesem Jahr seine Altersversorgung und seine Ersparnisse verloren hatte, stand jedenfalls an der richtigen Stelle: Unter dem Hochhaus der Lehmann Brothers in New York. Er hielt einen Pappkarton in Richtung der oberen Etagen, auf dem in großen Buchstaben stand: JUMP YOU FUCKERS! Die Landesbischöfe der Kirchen in der EKD haben ihre Kritik an Gier und Verantwortungslosigkeit in der Finanzwirtschaft etwas diplomatischer ausgedrückt. Die weihnachtliche Managerschelte aus den Kirchen hat nun ein Nachspiel. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kündigte am Wochenende an, das Gespräch mit Bischöfen und den verärgerten Wirtschaftsvertretern zu suchen. Er wolle mit ihnen „reden über das, was aus dem Ruder gelaufen ist und wo uns neues Denken hinbringen muss“. (epd)

Ja, das tut weh: Die Kritik am Glaubensbekenntnis der Nachpostmoderne, das da lautet: Man glaubt nicht, wie gut es uns allen geht, wenn wir vom Guten nichts mehr wissen. (Botho Strauß) Hier ist die richtige Stelle, um „Unmöglich!“ zu rufen. Es ist unmöglich, vom Guten nichts mehr zu wissen. Denn, was gut ist, können wir wissen. Der Philosoph Immanuel Kant hat es in seiner Kritik der praktischen Vernunft „das moralische Gesetz in uns“ genannt. Ihm zu folgen ist unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Man kann an ihm scheitern. Das hebt es nicht auf. Kein neues Denken brauchen wir, es hilft schon die Rückbesinnung auf das alte - oder die Rückbesinnung auf das Denken überhaupt. Wer darüber Diskussionsrunden braucht, steht schon mit einem Bein im Mist der Barbarei.

Um Gottes Willen! Lasst uns über die Jahreslosung bloß nicht in die Richtung nachdenken, ob Gott sich vielleicht als Ausputzer für all das hergeben könnte, was wir Unmögliches anstellen. Das gehört benannt. Das gehört an den Pranger. Auch in Kirche und Diakonie. Gerade da. Auch wenn die Verärgerung hier die gleiche ist, wie bei den kritisierten Wirtschaftsleuten. Denn Kirche ist die Versammlung der Gläubigen, die nicht nur auf das moralische Gesetz in sich horchen, das übrigens auch für Kant eine christliche Grundlage hat, sondern die auf die Stimme ihres Herrn hören. Wir sind ihm verantwortlich! Wir haben Rede und Antwort zu stehen vor Gott und der Welt. Wir haben mit dem verlorenen Sohn zu sprechen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.“ (Lukas 15/21) Wir kommen um die Worte „Es tut mir leid“ oder „Entschuldigung“ nicht herum. Dann und nur dann gilt: „So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“ (Lukas 15/7)

Das hätte der „reiche Jüngling“, der in Wahrheit wohl ehr mit Lukas ein „Oberer“, ein alteingesessener, angesehener, geschätzter, wohlhabender Mann war, gar nicht anders gesehen. Gott sei Dank haben wir in unserer Gesellschaft auch diese Männer und Frauen, die noch wissen, wo’s langgeht; die Jesus nicht erinnern muss, dass die 10 Gebote alles andere als unmöglich sind und sich eigentlich von selbst verstehen, auch und gerade für den, der als Chef Verantwortung für andere trägt. Da braucht es keine Diskussion. Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Er ist nicht einmal, wie viele aus dem Club der sozial engagierten Besserverdiener, aus der Kirche ausgetreten, obwohl sein Steuerberater es ihm dringend geraten hat. Da kann er schon stolz sein. Ehrlich.

Aber unser Stolz ist das eine und unserem Herrn Jesus Christus nachfolgen, ist das andere. Wenn Christus uns in die Nachfolge ruft, führt er jeden von uns früher oder später an die Grenze. Hier haben wir eine solche Geschichte. An dieser Grenze bricht unser Stolz, vielleicht nicht beim ersten Mal. Dann führt uns der Christus an eine andere Grenze, bis auch das letzte bisschen Stolz in uns zerbricht und ich glaube, viele von Euch wissen das aus eigener Erfahrung: Das geht nicht ab ohne bittere Tränen. Als er das aber hörte, wurde er traurig.

Das kann und darf nur der Christus mit uns tun! Seht euch vor: Niemand darf sich anmaßen, den Stolz eines anderen Menschen brechen zu wollen. Denn für die Sünden, Höllen- und Weltuntergangsprediger, für die Terroristen der Tugend, die die Menschen klein machen und dann hilflos, nackt und verzweifelt, ohne jeden Glauben und ohne jedes Vertrauen zurücklassen, gilt das Wort Jesu, für die wäre es besser, dass ihnen ein Mühlstein an den Hals gehängt und sie ins Meer geworfen würden, wo es am Tiefsten ist. (Matthäus 18,6)

An die Grenze, an der unser Stolz bricht, darf nur der Christus führen. Denn er lässt uns dort nicht allein. Er seufzt mit uns. Er weint mit uns. Er bleibt da. Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes!, ruft der schwerarbeitende Christus aus. So schwer, wie ein Kamel durch ein Nadelöhr. Aus eigener Kraft schafft das auch das kleinste Kamel nicht. Niemand kommt aus eigener Kraft in das Himmelreich. Alle sind sie verlorene Söhne und Töchter. Alle sind sie auf Gottes Gnade angewiesen. Da muss der Christus sie schon ziehen mit aller seiner Macht und unter Einsatz seines Lebens, damit das Unmögliche möglich wird und auch ein Reicher in den Himmel kommt.

Natürlich hat das was mit Geld zu tun. Es stinkt nicht und stinkt doch gegen den Himmel an. Will selber Himmel sein. Bricht auf seine Weise den Stolz der Menschen, die irgendwann für Geld alles tun und alles mitmachen. Und lässt sie dann auf den Straßen stehen und liegen. Macht sich aus dem Staub. Kennt kein Erbarmen. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass die Besorgten in unserem Land all dem jetzt ihre Schilder entgegenhalten, auf denen steht: Werte! Da lacht das Geld und sagt: Wollen wir doch mal sehen, was am Ende am meisten wert ist. Selbst in der Kirche wird inzwischen vom Wettbewerb der Werte gesprochen. Und wir brauchen keine Propheten sein, um vorherzusagen, dass wie bisher allein der Wettbewerb als Wert übrig bleibt, der uns notorisch weiter und weiter grenzenloses Wachstum und grenzenlose Möglichkeiten verspricht. Der Mammon ist der große Gegenspieler des Himmelreichs.

Der Christus führt uns auch an diese Grenze. Vielleicht spüren wir es am letzten Abend eines Jahres sowieso. Hören, wie die Tür hinter einem vergangenen, einem zu Ende gelebten Jahr krachend ins Schloss fällt. Ab einem gewissen Alter spürt jeder, dass unsere Möglichkeiten nicht grenzenlos sind. Vielleicht ist das, was wir gerade tragen, schon unser letztes Hemd. Es hat nicht einmal Taschen. Wir sind Bettler, das ist wahr.

Wenn Christus uns in die Nachfolge ruft, führt er jeden von uns früher oder später an die Grenze. Die Jahreslosung stammt aus einer solchen Geschichte. An dieser Grenze bricht unser Stolz, vielleicht nicht beim ersten Mal. Dann führt uns der Christus an eine andere Grenze, bis auch das letzte bisschen Stolz in uns zerbricht und ich glaube, viele von Euch wissen das aus eigener Erfahrung: Das geht nicht ab ohne bittere Tränen.

Aber hinter diesen Tränen wird ein anderer Stolz unseren Stolz ersetzen. Dieser andere Stolz ist der Stolz auf den schwer arbeitenden Christus, der Kamele durch Nadelöhre bringt und Reiche in den Himmel. Da sind auch wir bestimmt keine hoffnungslosen Fälle. Deshalb lockt uns der Christus an der Schwelle zum neuen Jahr an die Grenze: an die Schwelle zur Freiheit der Kinder Gottes.

Heute hätte er uns vielleicht von einem Touristen erzählt, der in einem Kloster übernachtet. Als er sieht, dass es dort sehr karg ist, fragt er einen Mönch: „Wo habt ihr denn eure Möbel?“ Der Mönch fragt zurück: „Wo haben Sie denn Ihre?“ Da lächelt der Tourist nachsichtig und sagt: „Ich bin doch nur auf der Durchreise.“ „Eben“, sagt der Mönch, „das sind wir auch.“ (vgl. Margot Käßmann, in GPM 4/2008, Heft 1, S. 80)

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

18 Und es fragte ihn ein Oberer und sprach: Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?
19 Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.
20 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!«
21 Er aber sprach: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.
22 Als Jesus das hörte, sprach er zu ihm: Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!
23 Als er das aber hörte, wurde er traurig; denn er war sehr reich.
24 Als aber Jesus sah, dass er traurig geworden war, sprach er: Wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes!
25 Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes komme.
26 Da sprachen, die das hörten: Wer kann dann selig werden?
27 Er aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.
 


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