Predigt     Markus 2/23-28     20. Sonntag nach Trinitatis     21.10.07

"Wozu Sonn- und Feiertage gut sind "
(von Dekan i.R. Rudolf Weiß)

Liebe Leser,

Wofür soll ein Prediger sich entscheiden bei dieser Geschichte? Soll er sich stark machen für die Heiligung der Sonn- und Feiertage und wettern gegen die Krämerseelen, die aus Sonntagen Werktage machen und Menschen verführen oder nötigen auch an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten, um Geld zu verdienen? Oder soll er die Hörer und Hörerinnen bestärken in der christlichen Freiheit, selber zu bestimmen, wozu Sonn- und Feiertage gut sind. Ich will versuchen, beide Seiten zu verstehen, zunächst die Argumente der frommen Pharisäer, die es ernst meinten mit ihrem Glauben und ihrer Lebensgestaltung und dann die Argumente Jesu, die von erstaunlicher Kühnheit zeugen und einer großen Freiheit und Vollmacht im Blick auf die Gebote und Gesetze.

Die frommen Juden achteten und achten bis heute den Sabbat als den siebten Wochentag, der am Freitag Abend beginnt und bis zum Samstag Abend dauert, als ein Geschenk Gottes, das es zu bewahren und zu schützen gilt. Etwa wie ein guter Garten einen Zaun braucht zum Schutz vor Eindringlingen, die verwüsten und zerstören, so sollte der Sabbat durch ein detailliertes Regelwerk vor Missbrauch bewahrt werden. Der Sabbat wird als ein besonderer Tag gefeiert, der an die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten erinnern soll und die Freude an Gottes Schöpfung vermittelt.

Uns ist das dritte Gebot in der Fassung aus Luthers Kleinem Katechismus vertraut: „Du sollst den Feiertag heiligen!“ Hören wir einmal die biblische Fassung dieses Gebots aus 2. Mose 20,8-10, in der Übersetzung der „Guten Nachricht“:  „Vergiss nicht den Tag der Ruhe; er ist ein besonderer Tag, der dem Herrn gehört. Sechs Tage in der Woche hast du Zeit, um deine Arbeit zu tun. Der siebte Tag aber soll ein Ruhetag sein. An diesem Tag sollst du nicht arbeiten, auch nicht deine Kinder, deine Sklaven, dein Vieh oder der Fremde, der bei dir lebt. In sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer mit allem, was lebt, geschaffen. Am siebten Tag aber ruhte er. Deshalb hat er den siebten Tag der Woche gesegnet und zu seinem Tag erklärt.“

Die Juden hielten und halten den siebten Tag als Tag Gottes in Ehren und heiligen ihn. Dieser Ruhetag wurde zu einem Zeichen für ihre Identität als religiöses Volk und sie unterschieden sich bewusst von anderen Völkern mit anderen Feiertagsordnungen. Die rechte Feiertagsheiligung wurde in einer Reihe von Regeln verbindlich bestimmt. Für die Pharisäer wurde die Sabbatheiligung zu einer Hoffnung auf kommendes Heil. Würde es gelingen, dass nur zwei Sabbate vom ganzen Volk beachtet würden, dann kämme das Heil. Aber das störrische Volk wollte nicht. Umso eifriger bemühten sich die Frommen, die Versäumnisse anderer zu kompensieren, um Gottes Heil herbeizuführen.

Wer heute für eine strengere Regelung und Beachtung der Sonn- und Feiertagsregelung eintritt, stellt sich unbewusst oder absichtlich auf die Seite der Pharisäer. Also: keine Gartenarbeit, kein Rasenmähen, kein Autowaschen, keine Lockerungen beim Verbot der Erwerbsarbeit, keine weiteren verkaufsoffenen Sonntage, keine Freigabe von Straßen und Autobahnen für die Lkws an Sonn- und Feiertagen.

Eine erste kritische Anfrage ans Konzept der Feiertagsregelung. Seit Kaiser Konstantin im Jahre 321 nach Christus den Sonntag staatlich geschützt hat, wird dieser Tag in christlich geprägten Ländern vom Staat gesetzlich geregelt. Aber: Kann der Staat den religiösen und geistlichen Sinn von Sonn- und Feiertagen vermitteln oder gar garantieren? Kann er die Bürgerinnen und Bürger dazu anhalten, solche Tage sinngemäß und sinnerfüllt zu begehen oder muss er zusehen, wie solche freie Zeit sinnentleert und mit allem möglichen Allotria verplempert wird?

Achten wir bitte demnächst am Reformationsfest, das in Sachsen als Feiertag begangen wird und dann umgekehrt, wie sich die Menschen in unserer Region verhalten, wenn in Bayern Allerheiligen als Feiertag begangen wird. Die freien Tage werden doch kaum genutzt um dem Geläut der Glocken zu folgen und die Gottesdienste zu besuchen. Nein, die Leute werden sich auf die Weihnachtseinkäufe vorbereiten und den jeweiligen Feiertag nutzen um sich im Nachbarland die Geschäfte und Kaufhäuser anzusehen.

Nun habe ich noch kein Wort zu „Halloween“ gesagt, das als Geistertreiben allmählich das Reformationsfest und Allerheiligen um seinen Sinn bringt. Wenden wir uns Jesus zu. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, er unterrichte als Rabbi gegen geltendes religiöses Recht. Gerade die wichtige Frage der Sabbatheiligung führte zu einem heftigen Konflikt.

Ährenraufen war erlaubt. Nach 5. Mose 23, 25f. „Erlaubter Mundraub. Wenn dein Weg durch einen Weinberg führt, darfst du Trauben essen, soviel du willst, um deinen Hunger zu stillen. Aber du darfst nichts in ein Gefäß sammeln. Wenn du an einem Kornfeld vorbeikommst, darfst du mit der Hand Ähren abreißen. Aber du darfst sie nicht mit der Sichel abschneiden.“ Klare, verständliche und auch praktikable Anweisungen. Ährenraufen war erlaubt, aber nicht am Sabbat.

Die Antworten, die Jesus gibt, erneuern den Sabbat und klären, wozu er dient. Zunächst erinnert Jesus an die erstaunliche Freiheit Davids, der sich traute, geweihte und geheiligte Schaubrote zu verzehren, weil er und seine Leute so hungrig waren. Diese Freiheit Davids beansprucht Jesus auch für sich.

Schon immer wurde zu strengen und rigiden Feiertagsgeboten eine Grenze gesetzt durch das Gebot, Menschen in drängender Not beizustehen und zu helfen, natürlich auch an Sonn- und Feiertagen. Im Ruhrgebiet erinnern sich ältere Menschen an die Weisung Kardinal Frings in der hungrigen und kalten Nachkriegszeit. Frings erlaubte den Gläubigen, sich die nötigen Kohlen mitzunehmen, statt zu erfrieren. Das nackte Überleben ist wichtiger als bloße Befolgung des Gebots: „Du sollst nicht stehlen!“

Dann folgt ein Satz, mit dem Jesus die Frage grundsätzlich klärt, wozu der Sabbat dient. Ein kühner Satz, eine Regel, die zu einer unerhörten Freiheit ermächtigt. Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen. Gott hat den Sabbat gemacht um die Menschen zu erfreuen, sie teilhaben zu lassen an der gelungenen Schöpfung, sie nach getaner Arbeit sich ausruhen und erholen zu lassen. Der Sabbat will nicht belasten, sondern entlasten, will nicht zu zwanghaften und ängstlichen Sorgen führen, wie kann ich vermeiden, etwas falsch zu machen, sondern er lädt ein, an der Souveränität Gottes teilzuhaben und von der Arbeit auszuruhen. Frei zu sein, ungezwungen und froh. Nicht ängstlich, verkniffen und zwanghaft, nur nichts falsch zu machen.

Darin ist Jesus zuzustimmen. Die Schwäche aller detaillierten Regelungen liegt doch darin, dass vor lauter peinlich genauer Angst, etwas falsch zu machen, der Mensch geschwächt und gelähmt wird, sich etwas zu trauen, zu hoffen, zu lieben, mutig zu handeln und sich von Herzen zu freuen. Der Ruhetag will uns zeigen: Gott sorgt für uns. So reichlich, dass wir jeden siebten Tag freihaben. Wir haben zusätzlich noch die Urlaubszeiten und im Alter werden wir freigestellt von den harten Pflichten des Erwerbs -und Arbeitslebens.

Jesus fügt einen weiteren Satz von großer Bedeutung hinzu, der in seiner Tragweite und Reichweite nicht hoch und weit genug eingeschätzt werden kann. „Der Menschensohn ist Herr auch über den Sabbat.“ Jetzt spricht er in Vollmacht. Unausgesprochen wehrt er ein Missverständnis ab. Er setzt nicht die Menschen ein als Herren über die Zeit, die in Gottes Händen liegt. Das wäre fatal, wenn Kirchenfunktionäre oder Geschäftsleute die Sonn- und Feiertage nach ihrem Belieben verplanen und vermarkten könnten. Jesus spricht in Vollmacht, weil er den Willen Gottes, seines himmlischen Vaters, kennt und gültig auslegt. Und er wird sein Volk erlösen. Was die frommen Juden auch durch noch so genaue und penible Feiertagsheiligung nie geschafft haben, das hat Jesus getan. Er erlöst sein Volk. Er befreit von Sünde und Tod. Dieser vollmächtige Satz bekommt von Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen noch einen ganz anderen Glanz .Am ersten Tag der Woche, einem Sonntag, wurde Jesus von den Toten auferweckt. Aus Freude darüber feierten die jungen Christen den ersten Wochentag. Sie fanden ohne gesetzlichen Schutz- der kam erst Jahrhunderte später – vor oder nach der Arbeit den auferstandenen Herrn, der sie erlöst hat. Dann nahmen sich die Christen auch die königliche Freiheit und feierten nicht mehr den Sabbat, sondern den Sonntag als Tag der Auferstehung. An dem Tag, an dem das Licht erschaffen wurde, hat der Auferstandene neues Licht in die Welt gebracht. Von den Sonntagen her wurden die christlichen Festtage im Weihnachtskreis und Osterkreis gestaltet als ein Jahr des Herrn.

Das Lied, das wir zu Beginn gesungen haben, bezeugt kapp und einprägsam, was uns Sonntage bringen: „Das ist der Tag, da Jesus Christ vom Tod für mich erstanden ist und schenkt mir die Gerechtigkeit, Trost, Leben, Heil und Seligkeit. Halleluja“. (EG 162,2)

Dekan i.R. Rudolf Weiß

Text:

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.
24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:
26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?
27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.
 

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