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      Liebe Leser,  
		
      7,5 Millionen für Flutopfer hat der Schumi hingelegt – und fettes Lob und 
		viel Publicity durch die Bildzeitung bekommen. 
		Ein guter Mann ist das. Und dann kommt ein 
		Müntefering daher und pinkelt dem Schumi ans Bein: „Ich mag das nicht, 
		dass einer 7,5 Millionen gibt, der zwischendurch dann keine Steuern 
		zahlt.“ Ihm seinen Leute lieber, „die offensichtlich wenig haben“ und 
		dann doch „50 Cent oder 2 Euro“ spendeten, sagt der Müntefering. 
		(Frankenpost 20.1.2005) Hat der Müntefering etwa 
		unseren Predigttext gelesen? 
		 
		Aber es lohnt sich doch genauer hinzuschauen. Wenn Michael Schumacher 
		prozentuell so viel von seinem Einkommen gespendet hat wie der 2- 
		Euro- Spender von seiner Sozialhilfe. Dann müsste 
		er 2, 25 Milliarden pro Monat verdienen. Denn 2 Euro von der Sozialhilfe 
		sind ja auch nicht die Welt. Also: Schumi hat 
		sein Lob ja doch verdient. Einen Monatsgehalt oder zwei hat er schon 
		abgedrückt. Oder sollte man die 7,5 Millionen eher als Werbeinvestition 
		sehen? Hat Schuhmacher dann überhaupt was 
		gespendet? Dann könnte der 2- Euro- 
		Spender doch wieder vorne liegen. Ganz nüchtern 
		betrachtet könnte man aber auch sagen: 7,5 Millionen, woher sie auch 
		kommen, können einfach mehr helfen als 2 Euro. 
		 
		Soweit zum Geld und zu dem, was man sinnvollerweise damit machen kann. 
		Und man könnte meinen, Jesus ginge es darum. Oder wenn schon nicht um 
		Geld, dann um eine soziale Einstellung, soziales Engagement, Hilfe für 
		andere eben. Wir sind gewohnt, sofort daran zu 
		denken, was wir tun sollen – mit unserem Geld, mit unserem Leben. Besitz 
		verpflichtet. Das ist eine der Säulen unserer staatlichen Verfassung. 
		Eine umkämpfte Säule, aber, wie ich meine, eine 
		der wertvollsten. 
		 
		In unserem Predigttext geht es aber, wenn wir genau hinsehen, um etwas 
		ganz anderes als um die Pflicht zum sozialen Engagement.
		Jesus vergleicht hier nicht eine Sozialhilfeempfängerin, die 2 
		Euro gibt und Michael Schuhmacher, der 7,5 Millionen Hilfsgelder gibt.
		Und wenn wir ganz genau hinschauen, bemerken wir, dass die arme 
		Frau und der reiche Mann ihr Geld in den Gotteskasten werfen. Sie 
		spenden es nicht für Flutopfer, für Arme, Hungernde und Behinderte. Sie 
		werfen es in den Gotteskasten am Tempel. 
		 
		Das soll nicht heißen: Gib dein Geld lieber für den Wiederaufbau oder 
		die Renovierung einer Kirche als für soziale Zwecke. Nein.
		Das Experiment, das Jesus am Eingang des Tempels macht, sieht 
		völlig anders aus als zunächst erwartet. Was man mit dem Geld machen 
		könnte, interessiert hier überhaupt nicht. Es geht überhaupt nicht um's 
		Geld und auch um keine Ethik. Das Geld ist hier nur der Anzeiger dafür, 
		wie ein Mensch aufs Leben blickt. Jesus sitzt vor dem Tempel und 
		beobachtet Menschen, wie sie aufs Leben blicken, wie viel sie auf Gott 
		setzen. 
		 
		In dieser Beziehung vergleicht er jemanden, der einen Teil, vielleicht 
		auch einen beträchtlichen Teil seines Vermögens, gibt und eine, die 
		alles gibt, was sie hat. 
		Alles: Das Haus, das Auto, das Boot, die Altersversicherung, den 
		Schmuck, heimliche Rücklagen und dann noch den Geldbeutel ausleert. Er 
		beschreibt eine Frau, die nachdem sie alles losgeworden ist, wieder 
		zurück in die Stadt geht. Wenn wir nach einer Spende nach Hause gehen 
		und des duftet am Bratwurststand gerade so gut, kaufen wir uns 
		vielleicht eine Bratwurst. Diese Frau aber wird sich keine Bratwurst 
		kaufen: Denn in der Tasche ist kein Geld, keine Bankkarte. Die Frau 
		tröstet sich auch nicht mit der Aussicht auf einen vollen Kühlschrank 
		zuhause. Denn da ist kein Kühlschrank mehr. Interessante Erfahrung, 
		finde ich. Wie wird sie sich fühlen, was wird sie tun? So etwas 
		verändert das Leben doch recht einschneidend. 
		 
		Für gewöhnlich lesen wir die Bibel mit dem Kopf. 
		Aber bei einem Predigttext wie dem heutigen, mag das nicht reichen.
		Die meisten Texte der Bibel wollen erlebt sein, nicht nur im 
		Kopf, sondern im ganzen Leben. Viele Texte der Bibel und dazu gehört 
		auch unser heutiger Predigttext wollen dazu einladen, eine bestimmte 
		Erfahrung zu machen.Die beste Art und Weise, herauszufinden, wie ein 
		solcher Bibeltext mit dem eigenen Leben zusammenhängt und was er für uns 
		bedeutet, ist der direkte Versuch. Ich möchte Sie dazu einladen: 
		Probieren Sie es aus: Eine Woche ohne Geld. 
		 
		Nur eine Woche. Denn es geht ja hier gerade nicht darum, sich etwas zu 
		beweisen. Und Fulbert Steffenski hat schon recht, wenn er im 
		Sonntagsblatt schreibt: "Das Problem fast aller 
		klassischen Tugendlehren ist, dass sie oft Alles oder Nichts fordern. 
		Und wer kann und will schon so radikal leben? Deshalb wird im Alltag oft 
		die gesamte Tugendlehre über den Haufen geworfen, obwohl sie vielleicht 
		gar nicht so schlecht ist." Also verbannen wir 
		einmal den Alles-oder-Nichts-Anspruch aus unserem Kopf und beschränken 
		uns versuchsweise auf eine Woche ohne Geld. 
		 
		Also, versuchsweise nicht gleich ganz radikal, sondern als Experiment 
		nur eine Woche – und das gesparte Geld an Brot für die Welt. Aber das 
		ist hier nicht der Sinn der Sache, genauso wenig wie im Gleichnis. Der 
		Sinn des Experiments ist ein Blick aufs Leben, wie es ist – ohne Geld – 
		vielleicht befreit vom Geld. Bis zur Urlaubszeit 
		im Sommer haben Sie noch etwas Zeit, sich mit dem Gedanken anzufreunden. 
		Wer möchte, kann das Ganze sogar akribisch vorbereiten.
		Unser Predigttext lädt also zu einer Art Heilfasten ein:
		Leben geht auch ohne Geld. Es sieht zwar vermutlich ganz anders 
		aus, aber reizvoll, wie ich finde. 
		 
		Unser Predigttext, einmal nicht durch die soziale 
		Brille gelesen, stellt uns selbst und unsere Beziehung zu Gott in den 
		Mittelpunkt. Diese sozusagen private Beziehung ist nicht alles, aber sie 
		ist die Grundlage, ohne die auch die Sozialbotschaft der Bibel haltlos 
		wird. Heute geht es um die Grundlage: Unsere Beziehung zu Gott:
		Jesus sitzt am Eingang des Tempels und beobachtet, wie viel 
		einzelne Menschen auf Gott setzen: Ihr ganzes Leben oder einige 
		Aktienanteile. Das Geld ist nur eines der vielen Möglichkeiten, an denen 
		man sich selbst auf die Spur kommen kann, wie viel man auf Gott setzt 
		und wie viel auf eigene Sicherungen. Auch Schönheit, Erfolg, Kinder, der 
		Ehepartner, Ansehen usw. können solche sichernden Hilfsgötter sein.
		Wer einmal ohne Seil geklettert ist, weiß: Das Wesen des 
		Kletterns erlebt man beim Klettern ohne Seil. Das 
		Wesen des Lebens erlebt man beim Leben ohne Vorbehalt. 
		 
		Oft reicht es ohne Seil bis in zwei Meter Höhe zu klettern, um das Wesen 
		des Kletterns zu erahnen. Vielleicht reicht es, 
		eine Woche ohne Geld zu leben, um ein Gespür dafür zu bekommen, was es 
		heißt, sein Leben ganz auf Gott zu setzen. Gott 
		gegen unsere Lebensangst ins Feld ziehen zu lassen statt uns hinter 
		unserem Geld zu verschanzen, oder hinter was auch immer wir zur 
		heimlichen Lebensstrategie erhoben haben. 
		 
		Eine Woche lang auf unseren weltlichen Hilfsgott zu verzichten, ist ein 
		lohnendes Experiment. Wie es sich anfühlt, 
		probieren Sie am besten selbst aus. Vielleicht 
		machen sie ganz unterschiedliche Erfahrungen und finden Ihre persönliche 
		Deutung des Predigttextes, die Bedeutung für Ihr Leben. In den kommenden 
		Wochen der Passionszeit, einer Fastenzeit, finden Sie den idealen Rahmen 
		dafür. 
  
		
      
      
      Vikar Michael Krauß    (Hospitalkirche 
      Hof) 
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      Text: 
      
		 41 Und Jesus setzte sich dem 
		Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk 
		Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele 
		Reiche legten viel ein. 
		42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei 
		Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. 
		43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu 
		ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe 
		hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die 
		etwas eingelegt haben. 
		44 Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss 
		eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre 
		ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben 
		hatte.  |