Predigt     Matthäus 2/1-12    Epiphanias     06.01.11

"Im Geheimnis leben"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

die Heilige Schrift führt uns immer wieder Personen vor Augen, in denen wir ein Stück weit uns selbst erkennen können. Das gilt auch und besonders für Weihnachten und die Gestalten der Weihnachtsgeschichte:

- Maria, die alle diese Worte bewahrte und in ihrem Herzen bewegte;
- Josef, der – ohne Worte – zu seiner Frau und ihrem Kind steht;
- Die Hirten in ihrer Schlichtheit, die vor der Krippe knien;
- Nicht zuletzt das Kind in der Krippe.

Sie alle halten uns einen Spiegel vor und erinnern uns: an die Frau im Manne (Maria)und den Mann in der Frau (Josef), an die Armut des Erwachsenen in unserer Seele (Hirten) und den Reichtum des Kindes in uns. Freilich, mit so mancher Gestalt haben wir unsere Schwierigkeiten. Sie bleiben uns fremd und sperrig.

So auch die Gestalten der heutigen Geschichte: von Heiden wird erzählt! Und von Ausländern! Und die Frage steht im Raum: Wer kennt schon den Ausländer in sich, kennt den eigenen Heiden? Die Heilige Schrift nennt sie „Magoi“: Magier und meint damit Sterndeuter, Astronomen, Menschen, die auf der Suche sind und dabei den Blick zum gestirnten Himmel richten. Aber dabei geht es ihnen nicht um das private Glück oder Unglück, um günstige Bedingungen für Geschäfte von Zwillingen und Skorpionen, um das Liebesleben der Widder oder um die Lottochancen der Fische. Nein, es geht ihnen um die Gegenwart des Göttlichen in der Welt. Um die Anwesenheit Gottes, um die Menschen so oft bitten, die sie aber selten genug wirklich suchen.

Der Magier in uns, dieser Ausländer, betrachtet den Himmel mit anderen Augen – wie Reisende, die unter freiem Himmel schlafen, es tun. Frage: wann haben Sie zuletzt unter freiem Himmel geschlafen und den Blick zum Sternenhimmel gerichtet, vielleicht sogar am Meer oder im Gebirge oder in der Wüste?

Unsere Vorfahren, Jahrhunderte und Jahrtausende zurück, müssen das noch intensiver erlebt haben, ohne Straßenbeleuchtung und künstliches Licht bei Nacht, ohne Schmutzschicht über unseren Städten und Dörfern, geborgen unter einem leuchtenden Firmament. Und dieses Firmament ist jede Nacht da, in ständiger Wiederkehr, während auf Erden alles vergeht. In den Sternen suchten sie Antwort auf ihre Fragen. Sie bangten, wenn die Sonne sich verfinsterte. Und sie lernten, dass eines bleibt, wenn alles sich ändert: Aufgang und Niedergang der Sonne, der Lauf der Gestirne. Schweigend zogen sie ihre immer gleiche Bahn, auch wenn auf der Erde Missernten, Krankheiten, Kriege und Überschwemmungen die Menschen plagten. Wochenlange Regenfälle aus dichter Wolkendecke, todbringende Gewitter und Stürme – und wenn sie vorbei waren, die Erde stöhnte unter all den Lasten, dann hatte sich am Himmel nichts verändert, kein Jota.

So war der Himmel Garant für Bleibendes. Der Himmel war Ort der Hoffnung bei all dem Vergehen hier. Sie gaben den Sternen Götternamen und beteten zur Sonne. Sie bildeten Gelehrte aus, die die Bahnen der Sterne beobachteten, Schlüsse zogen und die Bewegung der Sterne deuteten. Manchmal hochkarätige Wissenschaftler, manchmal Scharlatane und Gaukler, manchmal Priester, die ihre Kenntnisse zum Teil nicht ungeschickt ausnützten als Berater der Mächtigen.

Alle alten Menschheitskulturen besaßen eine hervorragende Kenntnis der Vorgänge am Himmel. Und wenn dort nur die geringste Veränderung beobachtet wurde, das stärkere Leuchten des einen oder das schwächere Licht des anderen Sternes, wenn also in dieser Feste des Himmels, an diesem Garant der Ewigkeit nur das Geringste sich änderte, dann wurde dem allergrößte Bedeutung zugemessen. Den Sonnen- und Mondfinsternissen, den Kometen, der Veränderung einer Planetenbahn, dem Auftauchen eines neuen Sternes.

Man nahm an, die ganze Menschheit sei dort oben abgebildet in diesen Millionen leuchtender Sterne, zumindest die Könige und Fürsten, wenn schon nicht das gemeine Fußvolk, dann sie. Und so sollen sich solche Astronomen, Himmelsforscher oder Sterndeuter, Magier – wie man sie auf Lateinisch und Griechisch nannte – auf den Weg gemacht haben, weil ein neuer Stern aufgetaucht war. Kein besonders großer. Nur ein neuer Stern unter den vielen Millionen am Himmel. Und wahrscheinlich tauchte er in einem Sternbild auf, das die Sterndeuter aus dem Osten, aus den hohen Kulturen des Zweistromlandes, mit Israel in Verbindung brachten. So machten sie sich auf, wahrscheinlich im Auftrag ihres Königs, so die Legende in der Bibel, um dem irdischen Gegenüber dieses Sternes die Aufwartung zu machen. Sie vermuteten Nachwuchs im jüdischen Königshaus.

Wir wissen nicht, woher sie kamen. Wir wissen nicht, wie viele es waren. Wir wissen ihre Namen nicht und auch nicht ihre Hautfarbe. Im vierten Jahrhundert und noch früher war von zwölf oder 14 Magiern die Rede. Die Legende des Volkes hat daraus drei Könige gemacht und ihnen auch noch die Namen von Kaspar, Melchior und Balthasar gegeben. Aus dem neuen Stern hat es einen besonderen, einen besonders großen Stern gemacht. Warum auch immer. Aber es war, wie so oft, ganz anders, und es steht, wie so oft, auch ganz anders in der Bibel. Die Heilige Familie ist noch in Bethlehem. Allerdings bei Matthäus nicht in einem Stall, sondern in einem Haus. Und nun hören Sie genau hin, was die Geschichte in der Bibel erzählt.

(Predigttext, siehe rechte Spalte)

Weise aus dem Osten, Magier, Sterndeuter haben bei ihren Himmelsbeobachtungen einen neuen Stern entdeckt. Sie deuten ihn. Und suchen den dazugehörigen König. Sie finden ihn nicht am Königshof in Israel, der über die Kunde nicht wenig erregt ist, den Weisen aber den entscheidenden Tipp gibt: Bethlehem. Und als sie dort ankommen, sehen sie am Nachthimmel wieder den Stern. Sie gehen in ein Haus, finden eine junge Mutter und ihr Kind. Sie packen ihre Geschenke aus, knien und verehren den gefundenen König. Im Traum erfahren sie, dass sie auf anderem Weg zurückkehren sollen.

Hand aufs Herz - hätten Sie z.B. beim einfachen Vorlesen gemerkt, dass da gar nicht von dreien die Rede war? Und wir? Die Hörer dieser Geschichte – haben wir den Ausländer in uns wiedererkannt? Den Sinnsucher? Den Gottsucher? Der den Himmel absucht nach Zeichen und dann auch seinem Stern folgt? Zum menschlichen Leben gehören so viele ungelöste Fragen. Auch wenn die Kundigen die Verbindung von Eizelle und Samenzelle im Mutterleib fotografieren oder andere Kundige im Computer den Termin des Urknalls berechnen - fantastisch - aber sie sagen nichts über den Sinn. Warum lebe ich überhaupt? Warum lebe ich hier und nicht dort? Warum heute und nicht gestern? Warum gesund und nicht krank? Warum werde ich schuldig? Warum sterbe ich? Ein Rucksack voller Fragen. Aber darf der Magier in uns auch aufbrechen und sich auf den Weg machen und nach Antworten suchen? Oder speisen wir ihn einfach ab – heute bevorzugt mit Konsumwaren?

Damit bin ich beim Zweiten: dem Finden! Gott hilft uns, zu finden – so sagt diese Geschichte. Und ich bin mir ganz sicher, dass Gott keinen Sucher ohne Antwort lässt auf seine Fragen. Freilich: wir finden anderes, als wir erwarten! Was auf Hohes hindeutete, endet in der Niedrigkeit. Was auf einen Palast hindeutete, ist ein bescheidenes Haus, vielleicht ein Stall. Der Stern, der auf eine neue Größe im Weltgeschehen hindeutete, führt in arme Verhältnisse. „Er äußert sich all seiner Gewalt, wird niedrig und gering und nimmt an sich eins Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding.“ So singen wir es zu Weihnachten. Aber begreifen wir es auch?

Dabei geht es ja recht verstanden gar nicht ums „Begreifen“! „Finden“ ist in unserer Geschichte gleich bedeutend mit anbeten! Und dazu muss man auf die Knie. Ob die Magier aus dem Osten die Tragweite begriffen haben, weiß keiner. Matthäus lässt uns mit unseren Fragen allein. Sie suchten ja den neugeborenen Herrscher über Israel. Und den hatten sie gefunden. Ihm huldigten sie. Und dann gehen sie wieder. Keine Bekehrung oder Erleuchtung wird berichtet. Nur der gebührende Kniefall vor dem neugeborenen fremden Herrscher. Ich weiß nicht, was sie zu Hause erzählten. Zumindest werden sie sich über die eigenartigen Verhältnisse in der jüdischen Monarchie gewundert haben….

Aber wer sollte auch schon wissen, dass dieses Kind von Gott auserwählt ist, nicht nur Israel zu regieren, sondern den Kosmos zu erlösen, die Menschheit zu befreien, den Tod zu besiegen. Mit Geheimnissen leben lernen – das ist das zweite, was ich von dieser Geschichte lerne! Sinnenfällig ausgedrückt im Kniefall vor dem Kind in der Krippe. Aufbruch und aufrechter Gang auf der Suche – das ist das eine! Demut und Anbetung am Ziel - das ist das andere! Beides steckt in uns, sagt die Bibel. Und macht uns Mut, den Ausländer in uns, den Heiden und Magier zu entdecken. Es sollten mehr als drei werden, mehr als drei!

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.

3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1):
6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«

7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und es anbete.
9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut
11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.

12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.
 


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