Liebe Leser,
die Heilige Schrift führt uns immer wieder Personen vor Augen, in
denen wir ein Stück weit uns selbst erkennen können. Das gilt auch
und besonders für Weihnachten und die Gestalten der
Weihnachtsgeschichte:
- Maria, die alle diese Worte bewahrte und in ihrem Herzen bewegte;
- Josef, der – ohne Worte – zu seiner Frau und ihrem Kind steht;
- Die Hirten in ihrer Schlichtheit, die vor der Krippe knien;
- Nicht zuletzt das Kind in der Krippe.
Sie alle halten uns einen Spiegel vor und erinnern uns: an die Frau
im Manne (Maria)und den Mann in der Frau (Josef), an die Armut des
Erwachsenen in unserer Seele (Hirten) und den Reichtum des Kindes in
uns. Freilich, mit so mancher Gestalt haben wir unsere
Schwierigkeiten. Sie bleiben uns fremd und sperrig.
So auch die Gestalten der heutigen Geschichte: von Heiden wird
erzählt! Und von Ausländern! Und die Frage steht im Raum: Wer kennt
schon den Ausländer in sich, kennt den eigenen Heiden? Die Heilige
Schrift nennt sie „Magoi“: Magier und meint damit Sterndeuter,
Astronomen, Menschen, die auf der Suche sind und dabei den Blick zum
gestirnten Himmel richten. Aber dabei geht es ihnen nicht um das
private Glück oder Unglück, um günstige Bedingungen für Geschäfte
von Zwillingen und Skorpionen, um das Liebesleben der Widder oder um
die Lottochancen der Fische. Nein, es geht ihnen um die Gegenwart
des Göttlichen in der Welt. Um die Anwesenheit Gottes, um die
Menschen so oft bitten, die sie aber selten genug wirklich suchen.
Der Magier in uns, dieser Ausländer, betrachtet den Himmel mit
anderen Augen – wie Reisende, die unter freiem Himmel schlafen, es
tun. Frage: wann haben Sie zuletzt unter freiem Himmel geschlafen
und den Blick zum Sternenhimmel gerichtet, vielleicht sogar am Meer
oder im Gebirge oder in der Wüste?
Unsere Vorfahren, Jahrhunderte und Jahrtausende zurück, müssen das
noch intensiver erlebt haben, ohne Straßenbeleuchtung und
künstliches Licht bei Nacht, ohne Schmutzschicht über unseren
Städten und Dörfern, geborgen unter einem leuchtenden Firmament. Und
dieses Firmament ist jede Nacht da, in ständiger Wiederkehr, während
auf Erden alles vergeht. In den Sternen suchten sie Antwort auf ihre
Fragen. Sie bangten, wenn die Sonne sich verfinsterte. Und sie
lernten, dass eines bleibt, wenn alles sich ändert: Aufgang und
Niedergang der Sonne, der Lauf der Gestirne. Schweigend zogen sie
ihre immer gleiche Bahn, auch wenn auf der Erde Missernten,
Krankheiten, Kriege und Überschwemmungen die Menschen plagten.
Wochenlange Regenfälle aus dichter Wolkendecke, todbringende
Gewitter und Stürme – und wenn sie vorbei waren, die Erde stöhnte
unter all den Lasten, dann hatte sich am Himmel nichts verändert,
kein Jota.
So war der Himmel Garant für Bleibendes. Der Himmel war Ort der
Hoffnung bei all dem Vergehen hier. Sie gaben den Sternen
Götternamen und beteten zur Sonne. Sie bildeten Gelehrte aus, die
die Bahnen der Sterne beobachteten, Schlüsse zogen und die Bewegung
der Sterne deuteten. Manchmal hochkarätige Wissenschaftler, manchmal
Scharlatane und Gaukler, manchmal Priester, die ihre Kenntnisse zum
Teil nicht ungeschickt ausnützten als Berater der Mächtigen.
Alle alten Menschheitskulturen besaßen eine hervorragende Kenntnis
der Vorgänge am Himmel. Und wenn dort nur die geringste Veränderung
beobachtet wurde, das stärkere Leuchten des einen oder das
schwächere Licht des anderen Sternes, wenn also in dieser Feste des
Himmels, an diesem Garant der Ewigkeit nur das Geringste sich
änderte, dann wurde dem allergrößte Bedeutung zugemessen. Den
Sonnen- und Mondfinsternissen, den Kometen, der Veränderung einer
Planetenbahn, dem Auftauchen eines neuen Sternes.
Man nahm an, die ganze Menschheit sei dort oben abgebildet in diesen
Millionen leuchtender Sterne, zumindest die Könige und Fürsten, wenn
schon nicht das gemeine Fußvolk, dann sie. Und so sollen sich solche
Astronomen, Himmelsforscher oder Sterndeuter, Magier – wie man sie
auf Lateinisch und Griechisch nannte – auf den Weg gemacht haben,
weil ein neuer Stern aufgetaucht war. Kein besonders großer. Nur ein
neuer Stern unter den vielen Millionen am Himmel. Und wahrscheinlich
tauchte er in einem Sternbild auf, das die Sterndeuter aus dem
Osten, aus den hohen Kulturen des Zweistromlandes, mit Israel in
Verbindung brachten. So machten sie sich auf, wahrscheinlich im
Auftrag ihres Königs, so die Legende in der Bibel, um dem irdischen
Gegenüber dieses Sternes die Aufwartung zu machen. Sie vermuteten
Nachwuchs im jüdischen Königshaus.
Wir wissen nicht, woher sie kamen. Wir wissen nicht, wie viele es
waren. Wir wissen ihre Namen nicht und auch nicht ihre Hautfarbe. Im
vierten Jahrhundert und noch früher war von zwölf oder 14 Magiern
die Rede. Die Legende des Volkes hat daraus drei Könige gemacht und
ihnen auch noch die Namen von Kaspar, Melchior und Balthasar
gegeben. Aus dem neuen Stern hat es einen besonderen, einen
besonders großen Stern gemacht. Warum auch immer. Aber es war, wie
so oft, ganz anders, und es steht, wie so oft, auch ganz anders in
der Bibel. Die Heilige Familie ist noch in Bethlehem. Allerdings bei
Matthäus nicht in einem Stall, sondern in einem Haus. Und nun hören
Sie genau hin, was die Geschichte in der Bibel erzählt.
(Predigttext, siehe rechte Spalte)
Weise aus dem Osten, Magier, Sterndeuter haben bei ihren
Himmelsbeobachtungen einen neuen Stern entdeckt. Sie deuten ihn. Und
suchen den dazugehörigen König. Sie finden ihn nicht am Königshof in
Israel, der über die Kunde nicht wenig erregt ist, den Weisen aber
den entscheidenden Tipp gibt: Bethlehem. Und als sie dort ankommen,
sehen sie am Nachthimmel wieder den Stern. Sie gehen in ein Haus,
finden eine junge Mutter und ihr Kind. Sie packen ihre Geschenke
aus, knien und verehren den gefundenen König. Im Traum erfahren sie,
dass sie auf anderem Weg zurückkehren sollen.
Hand aufs Herz - hätten Sie z.B. beim einfachen Vorlesen gemerkt,
dass da gar nicht von dreien die Rede war? Und wir? Die Hörer dieser
Geschichte – haben wir den Ausländer in uns wiedererkannt? Den
Sinnsucher? Den Gottsucher? Der den Himmel absucht nach Zeichen und
dann auch seinem Stern folgt? Zum menschlichen Leben gehören so
viele ungelöste Fragen. Auch wenn die Kundigen die Verbindung von
Eizelle und Samenzelle im Mutterleib fotografieren oder andere
Kundige im Computer den Termin des Urknalls berechnen - fantastisch
- aber sie sagen nichts über den Sinn. Warum lebe ich überhaupt?
Warum lebe ich hier und nicht dort? Warum heute und nicht gestern?
Warum gesund und nicht krank? Warum werde ich schuldig? Warum sterbe
ich? Ein Rucksack voller Fragen. Aber darf der Magier in uns auch
aufbrechen und sich auf den Weg machen und nach Antworten suchen?
Oder speisen wir ihn einfach ab – heute bevorzugt mit Konsumwaren?
Damit bin ich beim Zweiten: dem Finden! Gott hilft uns, zu finden –
so sagt diese Geschichte. Und ich bin mir ganz sicher, dass Gott
keinen Sucher ohne Antwort lässt auf seine Fragen. Freilich: wir
finden anderes, als wir erwarten! Was auf Hohes hindeutete, endet in
der Niedrigkeit. Was auf einen Palast hindeutete, ist ein
bescheidenes Haus, vielleicht ein Stall. Der Stern, der auf eine
neue Größe im Weltgeschehen hindeutete, führt in arme Verhältnisse.
„Er äußert sich all seiner Gewalt, wird niedrig und gering und nimmt
an sich eins Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding.“ So singen
wir es zu Weihnachten. Aber begreifen wir es auch?
Dabei geht es ja recht verstanden gar nicht ums „Begreifen“!
„Finden“ ist in unserer Geschichte gleich bedeutend mit anbeten! Und
dazu muss man auf die Knie. Ob die Magier aus dem Osten die
Tragweite begriffen haben, weiß keiner. Matthäus lässt uns mit
unseren Fragen allein. Sie suchten ja den neugeborenen Herrscher
über Israel. Und den hatten sie gefunden. Ihm huldigten sie. Und
dann gehen sie wieder. Keine Bekehrung oder Erleuchtung wird
berichtet. Nur der gebührende Kniefall vor dem neugeborenen fremden
Herrscher. Ich weiß nicht, was sie zu Hause erzählten. Zumindest
werden sie sich über die eigenartigen Verhältnisse in der jüdischen
Monarchie gewundert haben….
Aber wer sollte auch schon wissen, dass dieses Kind von Gott
auserwählt ist, nicht nur Israel zu regieren, sondern den Kosmos zu
erlösen, die Menschheit zu befreien, den Tod zu besiegen. Mit
Geheimnissen leben lernen – das ist das zweite, was ich von dieser
Geschichte lerne! Sinnenfällig ausgedrückt im Kniefall vor dem Kind
in der Krippe. Aufbruch und aufrechter Gang auf der Suche – das ist
das eine! Demut und Anbetung am Ziel - das ist das andere! Beides
steckt in uns, sagt die Bibel. Und macht uns Mut, den Ausländer in
uns, den Heiden und Magier zu entdecken. Es sollten mehr als drei
werden, mehr als drei!
Pfarrer Rudolf Koller
(Hospitalkirche
Hof) |
Text: 1 Als Jesus geboren war
in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen
Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:
2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern
gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.
3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz
Jerusalem,
4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten
des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden
sollte.
5 Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht
geschrieben durch den Propheten (Micha 5,1):
6 »Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die
kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der
Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau
von ihnen, wann der Stern erschienen wäre,
8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht
fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's findet, so sagt mir's
wieder, dass auch ich komme und es anbete.
9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der
Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis
er über dem Ort stand, wo das Kindlein war.
10 Als sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut
11 und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner
Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze
auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
12 Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes
zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr
Land.
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