Liebe Leser,
„Salz der Erde“, „Licht der Welt“, das kommt uns bekannt vor -
meistens als großer Anspruch an uns selbst als Christenmenschen und
in der Folge oft als Stachel im Fleisch oder gar als mutlos machende
Überforderung. Die Evangelische Kirche in Deutschland versucht dem
Anspruch „Licht der Welt“ zu sein seit ihrem Impulspapier „Kirche
der Freiheit“ endlich dadurch gerecht zu werden, dass sie
Leuchtfeuer übers Land verstreut anzündet, wo die Kirche in
Kompetenzzentren in höchster Qualität zeigen kann, was sie wirklich
drauf hat. Von diesen Leuchtfeuern, so wird vorgerechnet, müssten
sich die Menschen angezogen fühlen, wie die Motten vom Licht und,
nach wunderbaren Erfahrungen dort, bereit werden, die ehr düstere
und magere Wirklichkeit ihres Gemeindelebens am Ort zu ertragen,
ohne aus der Kirche auszutreten. In diesen Kompetenzzentren kann man
natürlich auch wieder in die Kirche eintreten, sogar ohne Mitglied
einer popligen Ortsgemeinde zu werden. Man kann dann Mitglied bei
den Leuchtmenschen auf Landeskirchen- und EKD-Ebene werden.
So möchte die Kirche ihr Licht leuchten lassen vor den Leuten.
Themenmanagement und Agendasetting sollen sicherstellen, dass die
Menschen endlich auch über alle Medien erfahren, was die Kirche
Wegweisendes zu sagen hat. Wie überhaupt die mediale Präsenz längst
zum Qualitätsmerkmal kirchlicher Arbeit geworden ist. Denn wir alle
wissen: Was nicht im Internet zu finden ist, nicht in der Zeitung
stand und nicht im Fernsehen kam, hat gar nicht stattgefunden. Tue
Gutes und rede darüber, das muss auch für die Kirche gelten, damit
die Leute merken, wie toll die Kirche ist und wie toll es ist, in
der Kirche zu sein. So freilich wird die Kirche statt zum Salz, zum Honig der
Erde, der alle anlockt, die sich ihr Leben religiös ein wenig
versüßen wollen. Das Schwirren von einem Töpfchen zum anderen ist ja
auch in der Kirche längst als christliche Lebensform anerkannt und
salonfähig geworden. Wir Pfarrer und Mitarbeiter der Kirchengemeinde
haben das selbstverständlich auch toll zu finden. Wir sind tief
beknirscht, wenn keiner mehr bei uns anschwirren will und werden uns
sämtlich Beine ausreißen, damit sich das ändert. Wir sind in diesem
Zusammenhang selbstverständlich bereit, all das, was wir bisher für
wahr, gut, schön und richtig gehalten haben, als Irrtum zu bereuen
und alles anzubieten, was bei irgendwem ankommt. Jederzeit.
Natürlich ist das übertrieben! Aber es muss übertrieben werden um
den Unterschied wirklich deutlich zu machen, der zur Bergpredigt des
Jesus von Nazareth besteht. „Salz der Erde“, „Licht der Welt“, das
steht in unmittelbarem Zusammenhang zu den acht Seligpreisungen
(Matthäus 5/1-10), in denen Jesus genau die Menschen selig preist,
die bis auf den heutigen Tag in unserer Welt nicht viel gelten und
deshalb auch den Medien kaum eine Meldung wert sind: Die geistlich
Armen, die Menschen, die Leid und Trauer tragen, die Sanftmütigen,
aber auch die, die sich ihren Durst und Hunger nach Gerechtigkeit
nicht ersticken und korrumpieren lassen. Die Barmherzigen gehören
dazu, die mit dem offenen Herzen, die Friedfertigen und schließlich
all die, die wegen ihres Glaubens, wegen ihres Engagements für
Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit verfolgt und zum Schweigen
gebracht werden. Die alle nennt der Bergprediger selig und stellt
sie damit in das Licht der Gegenwart Gottes und in den Horizont des
Himmelreichs. Ja, ihnen gehört das Reich der Himmel und nicht denen,
die das Ansehen, die Aufmerksamkeit und die Macht auf dieser Welt
haben.
Es gibt deshalb gute Gründe, den Versen unseres heutigen
Predigttextes die beiden Vorherigen hinzuzufügen - wie wir das
bereits getan haben -, um den Zusammenhang deutlich zu machen.
„Martin Niemöller, der Mitglied der ‚Bekennenden Kirche‘ in der
Nazizeit war und dafür lange im KZ saß, schildert in einer seiner
letzten Predigten vor seiner Verhaftung sichtlich bewegt seine
eigene Einsicht, dass Vers 11 der Auftakt zum Salz- und Lichtwort
sein muss: „Als ich das Wort heute las, wurde mir dieses Wort
wirklich neu, und ich musste zurücklesen und hatte das Gefühl der
inneren Erleichterung, als ich da das Wort fand (...): ,Selig seid
ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen‘
(…) Und dann geht es weiter: ,Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid
das Licht der Welt‘; als ob zwischen der Verfolgung der Gemeinde
Jesu Christi und dem ,Ihr seid das Salz der Erde; ihr seid das Licht
der Welt‘ kein Bruch sei, sondern als ob das unmittelbar
zusammengehöre.“ (Gerhard Schäberle-Koenigs, GPM, 2/2009, Heft 3,
S.364)
Genauso ist es! Licht der Welt sind nicht die Leuchtfeuer
anzündenden Kirchenreformer, sondern die, die Jesus selig preist und
die in kein Marketingkonzept passen. Hierzu gehören z.B. die, die
Leid und Trauer tragen. Von wegen, lieber Friedrich Nietzsche:
Christen müssen nicht immer fröhlich sein, um überzeugend zu wirken.
Erinnern uns nicht gerade die Trauernden unter uns daran, dass unser
Leben im Horizont von Tod und Auferstehung steht, unser Leben ein
Heimweg ist und deshalb im Horizont des Gottesreiches zu sehen ist?
Wie lächerlich wirken denn die, die diese Welt und diese Kirche für
ihren Besitz und ihren Herrschaftsbereich halten und
vergessen, dass sie nur Herberge auf unserer Wanderschaft nach Hause
ist? Selig sind, die Leid und Trauer tragen, denn sie sollen
getröstet werden. Ja, auch ihr Traurigen seid das Licht der Welt und
der Christus ist eures!
Freilich, wer trauert, kann verstummen, sich zurückziehen. Manches
Schicksal schlägt so hart zu, dass wir meinen, es hätte die Absicht
uns zum Verschwinden und zum Verstummen zu bringen. Und es gibt von
Menschen geschaffene Gewaltstrukturen, die genau darauf abzielen.
Wer Opfer von körperlicher und seelischer Gewalt wird, muss so
empfinden und kann erzählen, wie man fast vor die Hunde gehen kann,
wenn man Opfer von Schmähungen, Lügen und allerlei übler Nachrede
wird. Über solchen Vorgängen liegt immer ein bedrückendes Zwielicht.
„Und die Verfolger unternehmen alles, um dieses Zwielicht zu
verstärken und ihre Opfer in einem schlechten Licht erscheinen zu
lassen. Persönliche Schwächen werden hervorgehoben, Sachzwänge
benannt, rechtsstaatliche Verfahrensregeln hervorgekehrt.“ (Schäberle-Koenigs,
a.a.O., S.368) Wir kennen das alle.
Gerade deshalb halten wir fest und sehen hin, wie der Bergprediger
all denen, deren Leben und deren Würde angefochten und erschüttert wird, ihre Würde zurückgibt und sie in
die Gegenwart Gottes stellt. Er preist sie selig. Denn Gott ist das
Licht, das gerade durch die in der Welt aufscheinen will, die
scheinbar im Dunkeln sind. Er ermuntert sie sogar, ihr Licht nicht
unter den Scheffel zu stellen und sich nicht die berühmte
Marktkauftüte über den Kopf zu ziehen, sondern von ihren Erfahrungen
zu reden. Dann sind sie vielleicht Sand im Getriebe, aber gerade so
Licht und Salz der Welt.
Täuschen wir uns nicht und seien wir nicht enttäuscht, wenn wir im
Lauf dieser Predigt entdecken mussten, dass wir gar nicht zu denen
gehören, die Jesus selig preist. Auch das hat seinen Nutzen.
Vielleicht, nein bestimmt, hören wir dann auf, unsere Köpfe immer
zuerst denen zuzuwenden, die auf dieser Welt angeblich den Erfolg
und das Sagen haben. Nehmen wir die in den Blick, die Jesus selig
preist. Und vielleicht, nein bestimmt, kommen wir dann neben einem
solchen zu stehen, als Anwalt im Unrecht, als Tröster im Leid, als
Freund in der Nacht. Dafür wird man euch kaum in der Zeitung
preisen. Aber jemand wird seinen himmlischen Vater preisen - für
euch.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
11 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um
meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen
euch, wenn sie damit lügen.
12 Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich
belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die
vor euch gewesen sind.
13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt,
womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es
wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem
Berge liegt, nicht verborgen sein.
15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen
Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im
Hause sind.
16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten
Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
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