Predigt     Matthäus 7/13-16a     Konfirmation 2015    29.03.2015

"Eine große Fresse reicht nicht"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,

unsere Kinder sollen es einmal weiter bringen und besser haben, als wir. So lautete das Glaubensbekenntnis der Generationen nach dem großen Krieg im letzten Jahrhundert. Meine Großeltern haben das gedacht und meine Eltern vielleicht auch. Immer besser sollen es die Kinder haben, immer wohlhabender sollen sie sein, immer gebildeter natürlich auch. Sie sollen in sicheren Verhältnissen leben. Und deshalb haben in unserem Lande bis heute die die politische Mehrheit, die eben diese Ziele haben und für einen dauerhaften Aufschwung stehen. So soll es immer weitergehen.

Wenn ich mir für euch etwas wünschen sollte, warum nicht all das: gute Ausbildung, sichere Arbeit, sicheres Einkommen, Wohlstand, ein schickes Auto und eine nette Familie, und danach einen ruhigen Lebensabend. Ich würde euch all das gerne wünschen und gönnen. Die Sache hat nur einen Haken. Es spricht vieles dafür, dass ihr all das nicht mehr in dem Umfang erreichen werdet, wie eure Eltern und Großeltern.

Technologischer Fortschritt macht die menschliche Arbeit mehr und mehr überflüssig. Aufgrund der demographischen Entwicklung zahlen immer weniger Menschen Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Seit 2008 pumpt unser Staat Milliarden und Abermilliarden in ein durch Gier und Verantwortungslosigkeit ruiniertes Bankensystem, um einen Zusammenbruch der Finanzwirtschaft zu verhindern. Da werden Schulden gemacht, die ihr und eure Kinder einmal bezahlen müssen. Wer euch etwas anderes verspricht, gehört zu den falschen Propheten, von denen Jesus sagt: An ihren Früchten kann sie schon heute jeder erkennen.

Ich sage das nicht um euch den Mut zu nehmen. Auch unter den Unheilspropheten gibt es falsche Propheten. Ich sage euch das auch nicht, um in das allgemeine Gejammer einzustimmen, das unter uns Gang und Gäbe ist. Würde ein Durchschnittsbürger in Afrika das hören, er würde an unserem Geisteszustand zweifeln. Auch ihr werdet zur reichen Minderheit der Welt gehören. Auch wenn vieles nicht mehr so bleiben wird und bleiben kann. Und gerade das sehe ich als eure Chance. Als eine Chance, vor die ihr deutlicher gestellt werdet, als eure Eltern. Wie vor eine enge Pforte und hinter ihr liegt ein unbekanntes Land. Dort liegt euer Leben.

Jesus ist der Meinung, dass das Leben nur hinter engen Pforten liegt. Dass es nur gefunden werden kann, wenn wir durch solche engen Pforten gehen. Das ist fast wie bei einer Geburt. Damals seid ihr aus dem warmen und sicheren Schoß eurer Mutter in das Licht einer unbekannten fremden Welt gezogen worden. Geburt ist ein Urbild des Lebens. Nur durch die enge Pforte der Geburt geht es ins Leben.

Damals hattet ihr keine Wahl. Als Erwachsene habt ihr sie. Und ihr werden vor diese Wahl immer dann gestellt, wenn Dinge sich ändern. Dazu gehört jetzt bald das endgültige Ende eurer Kindheit. Ich habe gelesen, dass es sogar 40-jährige gibt, die noch bei Mutti wohnen. Das eigene Leben findet nur, wer lernt auf eigenen Füßen zu stehen, auch wenn man die Wäsche selbst waschen muss und das erste Bücherregal aus Sperrmüll besteht.

Ihr werdet in eurem Leben immer wieder in Situationen kommen, wo ihr die Wahl habt, entweder immer so weiter zu machen oder wie durch eine enge Pforte hindurch einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, neue Lebensmöglichkeiten zu entdecken und so Lebenskraft und Lebensfreude zu finden, auch wenn der Weg dorthin mit Mühen und manchmal auch mit Schmerzen verbunden ist. Aber es wird euer ganz eigener Weg und euer ganz eigenes Leben sein. Durch die enge Pforte ins eigene Leben passt nämlich nur ihr allein und nicht noch Vater und Mutter, nicht die, die euch alle möglichen guten Ratschläge geben und oft nicht einmal eure besten Freunde.

Freilich, die wollen euch nicht gerne hergeben, die möchten, dass ihr auf ihrer Seite steht, die natürlich die richtige ist. Parteien werben um eure Stimme. Firmen wollen euch ihre Produkte verkaufen. Die Welt ist auf allen Kanälen voll mit Versprechungen. So voll wie noch nie. Wem sollt ihr glauben, wem sollt ihr folgen?

Antwort: Euch selbst und eurem Gott. Christlicher Glaube hat einen ganz persönlichen Zug. Er nimmt uns als einzelne Menschen sehr ernst. „Der Herr ist mein Hirte“, heißt es im 23. Psalm. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“, sagt Gott beim Propheten Jesaja. Und so hat er es auch bei eurer Taufe zu euch gesagt. Jeder von euch ist ein Einzelstück, ein Unikat, ein Kunstwerk des Schöpfers, einzigartig und unverwechselbar.

Und deshalb entspricht dem auch ein einzigartiger Lebensweg. Manche Erinnerungen werden gleich sein, wenn ihr in 50 Jahren vielleicht einmal Goldene Konfirmation feiert und euch wiedertrefft. Aber ihr werdet dann feststellen: So wie ihr einzigartige Menschen seid, so gehört zu jedem von euch auch ein einzigartiger Lebensweg. Und der führt durch manche enge Pforte, durch manchen Neuanfang, oder wie die Frommen mit dem Evangelisten Johannes sagen, durch manche Wiedergeburt.

Weicht diesen engen Pforten nicht aus, auch wenn die Eltern schimpfen und die Freunde euch blöd finden, auch wenn ihr in der Minderheit seid und nicht modern. Auch wenn es manchmal weh tut und ihr ganz von vorne anfangen müsst. Jesus war auch kein Star und kein Held. Aber er hat Menschen geholfen, den richtigen, ihren ganz eigenen Weg zum Leben zu finden.

Wirklich „ätzend“ ist was anderes. Wirklich ätzend ist es, wenn immer alles beim Alten bleibt, wenn man hocken bleibt auf seinen Besitzständen und ständig Angst hat, dass sich etwas ändert. Wenn man sich weigert einen neuen und eigenen Weg zu gehen und lieber sein Fähnchen nach dem Wind hängt, das Maul hält und macht, was die andern oder die Mehrheit oder die Medien oder die Facebookfreunde empfehlen, bloß damit man seine Ruhe hat. Das ist der breite Weg und viele sind’s, die auf ihm gehen, bis ihnen ihr Leben zwischen den Fingern zerrinnt. Und drum sind bei uns so viele, die doch fast alles haben, so unzufrieden und so unglücklich.

Denn das Leben ist kein Zustand, sondern ein Vorgang. Nicht Ruhe, sondern Übung. Es ist nicht das Ende, sondern der Weg. Und den sollt ihr finden und gehen. Und ihr werdet ihn finden, wenn ihr auf euer Herz hört, das bei jedem von Euch in einem ganz eigenen Rhythmus schlägt und ihr werdet ihn finden, wenn euer Herz mit Gott und seinem Wort im Gespräch bleibt.

Das Gespräch mit Gott wird euch davor bewahren, dass euer Herz doch irgendwann kalt wird, dass es geschluckt wird von der moralischen Mehrheit der sogenannten braven Bürger, die sich angeblich nie was zu Schulden kommen lassen und nur ihre Pflicht tun. Die also für nichts verantwortlich und für nichts zuständig sind. Die für nichts etwas können, nicht mal für ihr eigenes Leben und für das Leben anderer schon gar nicht. Wenn ihr mit Gott im Gespräch bleibt, dann werdet ihr manchmal erschrecken über euch selbst, dann wird euch manchmal weh tun, was ihr tut, was andere tun und was andere erleiden müssen. Und wenn ihr das fühlt, dann wisst ihr nicht nur, dass ihr noch am Leben seid, sondern auch, dass Gott noch mit euch redet.

Dann werdet ihr die Kraft finden, für euer eigenes Leben zuständig zu sein, und das heißt, für euch und für andere auch etwas zu tun. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, sagt Jesus und er meint damit vor allem, dass eine große Fresse nicht reicht. Zuständig für das Leben ist der, der zu dem, was er sagt, mit seinem Leben steht. Zuständig für das Leben ist der, der für andere nicht nur das Wort ergreift, sondern auch zu ihnen steht. So selbstverständlich scheint das und so außerordentlich ist das.

Wie eine enge Pforte. Weicht ihr nicht aus. Dann hält Gott, der sich für euer Leben zuständig fühlt, sein großes Versprechen. Nicht, dass alles so bleibt wie es ist, nicht ein Leben ohne Sorgen und Schmerzen. Gott verspricht euch etwas anderes: Er verspricht euch ein Leben, dass einzigartig ist und wird, das von ihm gesegnet ist und zum Segen für andere wird. Und ich bitte Euch, dass ihr diesen Segen heute annehmt, als Gottes Zusage für jeden von euch. Gott will euch Mut machen, vor der engen Pforte nicht wegzulaufen. Dahinter liegt unbekanntes Land. Doch nur dort findet ihr euer Leben.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

Christus spricht:

13 Geht hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis führt, und viele sind's, die auf ihm hineingehen.
14 Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind's, die ihn finden!
15 Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
 


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