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       Liebe Leser, 
      in seiner Erzählung „Der Fürst“ beschreibt der Schriftsteller und Pfarrer 
      Kurt Marti eine denkwürdige Abendmahlsfeier. Vorn am Altar und schon mit 
      der heiligen Feier beschäftigt, entdeckt er auf einmal einen Fremden 
      inmitten der wohlbekannten Gemeindegesichter: „Mit einer Art heiterer 
      Grandezza saß er in der vordersten Bank, im langen dunklen Überwurf 
      südländischen Schnitts; ein fürstlicher Überwurf sozusagen, oder 
      fürstlich, der der ihn trug. ... Mich irritierte sein Blick: Wer war das? 
      Wo kam er wohl her? Was wollte er hier?“ (Kurt Marti, Der Fürst, aus: 
      Geschichten zum Nachdenken, Kaiser/Grünewald, 1984, S. 194f) Und wir 
      stellen uns vor, wie auch die Gemeinde schon guckt. Hie und da wird 
      getuschelt.  
       
      Der Pfarrer ist hin und her gerissen, zwischen 
      Selbstberuhigung und Angst. Während die Gemeinde zum Tisch des Herrn geht, 
      bleibt der Fremde lächeln sitzen. Was, wenn er nur darauf wartet, die 
      heilige Feier zu sprengen? Nichts dergleichen geschieht. Als alle nach 
      Brot und Wein auf ihren Platz zurückgekehrt sind, erhebt sich der Fremde. 
      Beim Näherkommen zerfällt sein fürstlicher Glanz: „Auch sah ich nun, dass 
      der Überwurf franste, die Kleidung schäbig und sein Gesicht älter war, als 
      mir geschienen hatte.“ (ebd. S. 196) Nach dem Bissen Brot und dem Schluck 
      Wein bleibt er stehen und sagt leise: „Noch mehr. Alles! Ich habe Hunger“. 
      Da dämmert’s dem vor Verlegenheit schwitzenden Pfarrer: „Nicht hier, 
      nachher. ... Die Gemeinde, so schien mir, hielt den Atem an. Gleichmütig 
      schritt er zur ersten Bank zurück. ... 
       
      Nachher im Vorraum der Kirche, als sich die Leute verlaufen hatten, gab 
      ihm der Kirchendiener das übrig gebliebene Brot, in ein Papier gewickelt, 
      dazu eine fast noch volle Flasche Abendmahlswein. Der Fürst ließ sich 
      weiter in kein Gespräch ein. Er nahm das Brot, die Flasche, steckte sie in 
      die Seitentasche des Überwurfs, dankte freundlich und ging.“ (ebd.) 
       
      Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm 
      nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel 
      bei keinem gefunden! Natürlich haben Sie recht! Dieses Jesuswort gehört zu 
      der Geschichte, die der heutige Predigttext erzählt. Und einen 
      gravierenden Unterschied gibt es zwischen dem Fürsten und dem Hauptmann zu 
      Kapernaum. Der bittet nicht für sich selbst, sondern für einen anderen. 
      Ein Hinweis darauf, dass wahrer Glaube keinesfalls zuerst das eigene Heil 
      im Blick hat, sondern vor allem das Heil der anderen, ja der ganzen Welt.
       
       
      Ansonsten haben sie vieles gemeinsam, der Fürst und der Hauptmann. Beide 
      sind Fremde, die wie aus dem Nebel auftauchen in einer Geschichte, die 
      doch eigentlich ganz exklusiv zwischen Gott und seinem auserwählten Volk 
      spielt. Beide sind Bittsteller in notwendiger Sache. Beide werden 
      begleitet von misstrauischen, vielleicht sogar missbilligenden Blicken und 
      gemischten Gefühlen. Schließlich war der Hauptmann ein Repräsentant der 
      römischen Besatzungsmacht, als heidnisch ausgegrenzt und als Unterdrücker 
      gehasst. Ein „Fürst“ auch er, gekleidet in eine blitzsaubere Uniform; am 
      Gürtel das Schwert, Zeichen der Macht. Einer bei dessen Anblick andere 
      strammstehen und die Hand zum Gruß heben. Einer mit Befehlsgewalt.  
       
      Und einer, der weiß, dass sich das Entscheidende niemals mit militärischen 
      Mitteln erreichen lässt. Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt 
      und leidet große Qualen. Aus militärischer Sicht hilft da bloß noch 
      Erschießen. Aber der Tod ist niemals Erlösung, wie manche Traueranzeigen 
      behaupten. Der Tod lässt das Böse aufhören und als letzten Akkord weiter 
      klingen. Der Tod gibt dem Bösen auf ewig Recht. Natürlich ist auch dies 
      ein Kommentar zum drohenden Krieg im Irak; zu der irrigen Meinung, man 
      könnte das Böse und die Bösen auf dieser Welt mit Tod und Gewalt 
      ausrotten, damit das Gute und die Guten übrig bleiben. Die Völker des 
      alten Europa haben sich nach einer Jahrhunderte langen Geschichte des 
      Krieges in die Spiegel geschaut und dort genau die Bösen wieder erkannt, 
      die sie in hehren Ideologien zu bekämpfen glaubten. Krieg hinterlässt die 
      Länder zerstört und die Menschen deformiert am Leib und vor allem an der 
      Seele. „Krieg ist niemals ein unvermeidbares Schicksal, er ist immer eine 
      Niederlage für die Menschheit“. Und für die Menschlichkeit fügen wir den 
      Worten des Papstes mit voller Zustimmung hinzu. Deshalb soll Krieg nach 
      Gottes Willen nicht sein. Krieg ist so heillos, wie der Tod. Er hat keine 
      Zukunft. Und deshalb darf es gerade aus Freundschaft keine Kumpanei mit 
      einem Amerika geben, das sich den blutig bezahlten Lehren des alten Europa 
      verschließt, aus dem es einmal hervorgegangen ist.  
       
      Der Hauptmann von Kapernaum kommt nicht auf die Idee, sich seinen Waffen 
      anzuvertrauen. Völlig abgerüstet kommt er zu Jesus. Herr ich bin nicht 
      wert, nicht mächtig, nicht stark. Das ist die Anerkenntnis seiner wahren 
      Größe und Macht, wenn es um so etwas wie die Krankheit seines Knechtes 
      geht. Hier muss er sich an den wenden, der in Wahrheit über solche 
      Krankheit, solches Leiden und solchen Tod regiert. Hier hilft nur noch 
      Beten. Dieses Eingeständnis ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von 
      Einsicht in das wahre Maß der Menschlichkeit. Auch das ist ein Zeichen von 
      Glauben, den Jesus in den höchsten Tönen lobt. Krieg gegen das Böse, 
      Eingriff in das Erbgut für gesündere Menschen: Nicht nur in Amerika stehen 
      wir Menschen in der Gefahr dieses Maß aus den Augen zu verlieren – immer 
      mit heillosen Folgen.  
       
      Dabei macht es doch nichts, wenn der Fürst auf dem Weg zum Tisch des Herrn 
      sein fürstliches Aussehen verliert und dem Hauptmann auf dem Weg zu Jesus 
      all seine Waffen aus dem Gürtel fallen. Wenn nur der, zu dem wir kommen, 
      freundlich auf uns schaut, egal wer wir sind und wie wir aussehen. Dann 
      wird auch belanglos, ob die Jünger tuscheln, die Sonntagsgemeinde 
      befremdet aus 
      ihrem Sonntagszeug schaut oder der Pfarrer ins Schwitzen kommt. 
      „Denn Gott“ – so Martin Luther – „ tut oft durch geringe Heilige, was er 
      durch große Heilige nicht tut. Mit diesen und ähnlichen Wundern zeigt er, 
      dass er seinen Geist in seinen Heiligen von uns nicht gemessen haben will, 
      und wir nicht nach der Person richten sollen.“ (zitiert nach N. Slensczka, 
      GPM, Heft 1; 4/2002, S.121) 
       
      Nur zwei Mal wundert sich Jesus im Neuen Testament: Über den Unglauben der 
      Menschen von Nazareth, seiner Heimatstadt, zu denen er eigentlich gehören 
      müsste und sie zu ihm. (Markus 6/6) Aber sie ärgerten sich an ihm und er 
      konnte dort keine einzige Tat tun. Und schließlich wundert er sich über 
      den Glauben des Hauptmann von Kapernaum, der nicht nur an sich selber 
      denkt, sein wahres menschliches Maß kennt und Gott alles zutraut. Ein 
      „geringer Heiliger“, dem wir vielleicht verdanken, dass auch wir zur 
      Gemeinde Christi gehören und einmal mit Abraham und Isaak und Jakob im 
      Himmelreich zu Tisch sitzen. Ein heidnischer Fremder wird erhört und ein 
      Vorbild des Glaubens und in noch weiterer Ferne wird einer gesund. Wer 
      hätte das gedacht.  
       
      Frechheit siegt nicht immer, aber wer Gott alles zutraut wird nicht mit 
      leeren Händen gehen. Fürst oder Hauptmann - was zählt die Person? Gott 
      schließt die in die Arme, die sich ihm anvertrauen.  
       
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      
      Text: 
      
       (5)Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat 
      ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 
      (6)und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet 
      große Qualen. 
      (7)Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 
      (8)Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du 
      unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht 
      gesund. 
      (9)Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten 
      unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem 
      andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut 
      er's. 
      (10)Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm 
      nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel 
      bei keinem gefunden! 
      (11)Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und 
      mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 
      (12)aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da 
      wird sein Heulen und Zähneklappern. 
      (13)Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du 
      geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.  |