Liebe Leser,
diese Jesusworte sind eine Zumutung für seine Jünger damals und
heute. Kompromisslos fordern sie zum Glauben auf und machen
deutlich, dass es Nachfolge Jesu nicht ohne Bereitschaft zur
Trennung geben kann, nicht ohne Bereitschaft zur Trennung von allem,
was uns besonders lieb und teuer ist. Wie ein Schwert fährt das
Evangelium hinein zwischen die, die gerne singen: „Wir wollen
niemals auseinandergehn.“ Auch in kirchlichen Kreisen kann man immer
wieder diese „Harmoniesucht“ spüren. Der rechte Ton und die rechte
Art und Weise werden zum obersten Gebot erhoben, mit dem jeder
Streit als gemeinschaftszersetzend gebrandmarkt und jedes Argument
von vorn herein erledigt und zum Schweigen gebracht wird.
Nur damit kein Missverständnis aufkommt. Mit einem Aufruf zum
Heiligen Krieg haben die Worte Jesu nicht das Geringste zu tun! Wer
das Schwert in die Hand nimmt, soll durch das Schwert umkommen, sagt
Jesus unmissverständlich. (Matthäus 26,52) In der geistlichen
Waffenrüstung kämpft der Christenmensch „sine vi, sed verbo“, ohne
Gewalt, sondern durch das Wort.
Trotzdem bleiben diese Jesusworte nicht nur eine Zumutung, sie
machen Angst. Verlustangst, Trennungsangst ist ein großes Thema
unseres Lebens. Wie schrecklich ist der Gedanke, den Menschen zu
verlieren, den man liebt. Wie schwer fällt es Eltern, ihre Kinder
gehen zu lassen und sich nicht länger in ihr Leben einzumischen.
Schwiegermütter, die das nicht schaffen, werden zu bösen
Schwiegermüttern. Und wie schwer fällt es herangewachsenen Kindern,
sich von Vater und Mutter zu lösen. Die Sehnsucht nach Freiheit und
die Angst vor dem Verlust der Geborgenheit führen einen erbitterten
Kampf, den mancher heute jenseits der 30 im Hotel Mama immer noch
nicht entschieden hat.
Vielleicht lachen wir über diese Nesthocker, weil wir es schon lange
geschafft haben unseren eigenen Weg zu gehen. Und dann wissen wir,
dass es manchmal im Leben nicht ohne Trennung, nicht ohne Verlust
und Trauer abgeht, damit überhaupt neue Lebensmöglichkeiten
entstehen können.
Beispielhaft ist hier die uralte Geschichte von Abraham und Lot
(1.Mose 13). Das Land ertrug es nicht, dass sie beieinander wohnten,
heißt es. Zank und Streit waren an der Tagesordnung. Und da trennen
sie sich im Frieden und der eine geht links und der andere rechts.
Ich habe diese Geschichte einmal einer Gruppe Jugendlicher erzählt,
die nach vielen gemeinsamen Jahren nicht mehr miteinander
zurechtkamen und es nicht christlich fanden, auseinander zu gehen.
Manchmal ist eine Trennung das einzig Richtige und das einzig Gute.
Auch wenn es Tränen beim Abschied gibt.
Jesus erspart seinen Jüngern Trennungsängste und Abschiedsschmerzen
auf dem Weg des Glaubens nicht. Wie ein Kreuz sind sie, das wir nur
widerwillig schultern und doch sind sie die Geburtsschmerzen für ein
neues, anderes, besseres Leben; ja für das wahre Leben überhaupt.
Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.
Scheiden tut weh. Sich unterscheiden tut auch weh. Christen
unterscheiden sich zwangsläufig von anderen, weil sie nicht auf der
Seite der Mehrheit und auch nicht auf der Seite der moralischen
Mehrheit stehen, sondern an der Seite des Christus. Weil sie nicht
die Meinung der Mehrheit vertreten, sondern Sprachrohr ihres Herrn
sein sollen. Weil ihnen nicht das Vaterland, die Parteiraison, die
Familienehre oder ihr guter Ruf heilig ist, sondern allein das Wort
ihres Herrn. Jesus lässt seine Jünger nicht im Unklaren darüber,
dass das schmerzliche Konsequenzen haben kann.
Schmerzliche Konsequenzen, die aber allemal besser sind, als ein
fauler Kompromiss und ein falscher Frieden. Der stinkt immer zum
Himmel. Und das liegt daran, dass Beziehungen und Bindungen nicht
wirklich zerbrechen können. Ein Glas kann zerbrechen oder ein
Kristall. Aber Beziehungen und Bindungen sind etwas Lebendiges. Sie
können nur absterben und verrotten, was ein sehr anrüchiger Vorgang
ist. Hinter faulen Kompromissen und falschem Frieden stecken
verrottete Verhältnisse, die nichts und niemand helfen. Sie gehören
beerdigt.
Nur eine Bindung lässt Jesus heilig sein: Die zu ihm selbst. Und nur
diese Bindung gibt die Kraft für klare Verhältnisse für Trennung und
Unterscheidung. Wir fallen nicht ins Nichts, auch wenn keiner mehr
auf unserer Seite steht. Eine Glaubenserfahrung, die uns Martin
Luther auf seinem gefahrvollen Weg zur Reformation immer wieder
eindrücklich bezeugt hat. Freilich, auch heute gibt es in unserer
Kirche Strömungen, die den Erhalt der Kirche dadurch sichern wollen,
dass möglichst niemandem weh getan wird. Man möchte alle umarmen und
hereinholen. Kirche soll wieder Mehrheit sein.
Solche Mehrheit kann Kirche aber nur dann sein, wenn sie den
Menschen das Evangelium schuldig bleibt. Denn wenn das Evangelium
aller Welt gepredigt wird, wird deutlich, wo es sich von der Welt
unterscheidet. Wo Menschen zum Glauben kommen, wird deutlich, worin
sie sich von anderen Menschen unterscheiden. Glauben heißt auch
unterscheiden. Volkskirche kann die Kirche deshalb gerade nicht
sein, indem sie im Volk und seinen Parteien aufgeht oder sich
vereinnahmen lässt. Gottes Willen ist nicht Gegenstand eines
demokratischen Meinungsbildungsprozesses, auch nicht in der Kirche.
Gott sitzt im Regimente. Gott regiert!
Manfred Josuttis schreibt: „Die Volkskirche kann Kirche für das Volk
nur sein, wenn sie zum Volk und zu den Volksparteien immer auch auf
Distanz geht. Sie kann sich nicht den Gesetzen einer
Gesellschaftsreligion unterwerfen, die für Feierabend und
Feierlichkeiten besinnliche Unterhaltung und andächtige Stimmung
liefert. Sie kann auch nicht nach den Regeln der Marktwirtschaft
operieren und mit Sonderangeboten und Schlussverkaufpreisen an den
Mann oder die Frau bringen wollen, was den Einsatz des ganzen Lebens
verlangt. Sie kann und darf nicht unterschlagen, dass es im Glauben
um die Begegnung mit einer heiligen, heilvollen und heilenden Macht
geht, die andere Mächte in der Gesellschaft bedroht und begrenzt.“
(Manfred Josuttis, GPM, Heft 4, 1993, S. 411)
Christen reden ihrem Herrn Jesus Christus nach dem Mund und sonst
keinem. Wer etwas anderes will, hat in der Kirche nichts verloren.
Denn immer wenn die Kirche es in ihrer Geschichte anders gehalten
hat, hat sie sich der Lächerlichkeit preisgegeben oder schwerste
Schuld auf sich geladen.
Sicher, Trennung, Unterscheidung und Streit sind kein Selbstzweck.
Wer sein Kreuz auf sich nimmt, tut das nicht um sich selbst zu
quälen. Glauben ist keine Qual. Und wenn er’s ist, ist er ein
falscher Glaube. Selbstverständlich sollte unter Christen hoch im
Kurs stehen, was König David in den 133. Psalm geschrieben hat:
Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Brüder einträchtig
beieinander wohnen! (V 1)
Aber nicht um jeden Preis. Und nicht um den Preis, dass das
Evangelium zugekleistert wird; abgleitet in die private Moral, in
Banalität und Beliebigkeit, in den jeweiligen Zeitgeist. Und wir
brauchen auch nicht immer Barfußlaufen, gestaltete Mitte und die
buddhistische Klangschale, um das Evangelium zum Klingen zu bringen.
Denn Klinge ist Gottes Wort allemal. Es will uns herausschälen aus
falschen Bezügen und falschen Motiven. Bis wir dort sind, wo unser
Platz ist:
Bei und in unserem Herrn Jesus Christus. Was uns auf dieser Welt
lieb und teuer ist, wird vergehen. So sollten wir es behandeln. Aber
sein Wort bleibt in Ewigkeit. Und apropos Verlustangst: Die Kinder
Gottes dürfen darauf vertrauen, dass sie ohne den Willen ihres
Vaters im Himmel nicht einmal ein einziges Haar verlieren (Apg
27,34). Wahnsinn! (vgl. Manfred Josuttis, aaO., S. 412)
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
... zur Predigtseite der Hospitalkirche
Die Predigt zum Hören
Text:
Jesus spricht zu seinen Jüngern:
34 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen
auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern
das Schwert.
35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater
und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer
Schwiegermutter.
36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht
wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner
nicht wert.
38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der
ist meiner nicht wert.
39 Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben
verliert um meinetwillen, der wird's finden.
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