Liebe Leser, an Weihnachten muss sich wirklich niemand über diesen
Jesus ärgern. Er liegt ja noch völlig hilflos in seiner Krippe. Wenn
man den Umfragen unter Kindern glauben darf, dann ist er später
zunächst einmal Christkind geworden, das goldgelockt und im Hemdchen
an Weihnachten Geschenke verteilt. Dies hat ihm so gut gefallen,
dass er später von Beruf Weihnachtsmann geworden ist. Und weil er
nicht gestorben ist, drum kommt er alle Jahre wieder. Und so scheint
ausgemacht, auf wen wir alle Jahre im Advent warten: Das liebe
Jesulein in der Krippe, das Christkind und den Weihnachtsmann. Alles
liebe und wenigstens an Weihnachten gern gesehene Gesellen, über die
sich niemand ärgert, aufregt oder beschwert. Die sind gut fürs
Geschäft und tun niemandem etwas zuleide. Spätestens wenn die
Geschenke ausgepackt sind, sind sie entbehrlich, bis zum nächsten
Mal.
Finden da die Predigttexte der Adventssonntage überhaupt noch Gehör,
die beharrlich und eindringlich versuchen uns den, der an
Weihnachten zur Welt kommt, fremd zu machen? Was wissen wir schon
über ihn? Im Advent sollten wir es genau wissen wollen und uns nicht
mit überkommenen Gewissheiten und Hörensagen zufriedengeben. Wie
Johannes der Täufer. Wenn der schon fragt!
Der hätte doch wissen müssen, was es mit Jesus von Nazareth auf sich
hat. Der kannte ihn schon vor seiner Geburt. Als noch nicht
Geborener soll er im Bauch seiner Mutter gehüpft sein, als die
schwangere Maria zu Besuch kam. (Lukas 1,41) Am Jordan sah er den
Himmel über Jesus offen stehen, als der kam, um sich von ihm im
Jordan taufen zu lassen. (Matthäus 3) Der Name des Christus war seit
seiner Geburt in sein Leben eingebrannt. Er war der, den Gott
schickte, um dem Messias den Weg zu bereiten. Er wurde berühmt als
der Prediger in der Wüste mit der schneidenden Stimme und den
schlagenden Argumenten. Selbst sein Gewand aus Kamelhaaren hat man
nicht mehr vergessen. In seinen Worten klang an, was der
Bergprediger sagen wird: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe
herbeigekommen.“
Johannes saß im Gefängnis, und zwar als Polit-Provokateur wie
seinerzeit Dieter Kunzelmann, der 6 Monate bekam, weil er ein Ei auf
dem Kopf des regierenden Bürgermeisters von Berlin Diepken aufschlug
mit den Worten: „Frohe Ostern, Sie Weihnachtsmann!“ Genauso wenig
lustig fand König Herodes, dass Johannes dessen Verhältnis mit der
Frau seines Bruders öffentlich für eine Sauerei hielt. Diese Frau
wird seinen Kopf fordern und bekommen. Als Johannes seine Jünger zu
Jesus schickt, hat er nicht mehr lange zu leben.
Ist es das, was Johannes vergessen lässt, was er von Jesus längst
weiß? So wie wir in schlimmen Zeiten vergessen, was wir einmal ganz
sicher gewusst haben? Wer kann nicht verstehen, wenn Menschen am
offenen Grab wie Martha zu Jesus sagen: „Herr, wärst du hier
gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. (Johannes 11/21) Aber du
warst eben nicht hier. Wir haben umsonst auf dich gewartet.“ Was ist
Johannes geblieben von seinen gewaltigen Predigten vom Kommen des
Himmelreichs? Was stattdessen bald in den Festsaal des Herodes
rollen wird, ist sein Kopf auf einem Silbertablett. Johannes, das
Opfer des Ränkespiels einer beleidigten Schlampe. Da soll es sogar
Herodes schlecht geworden sein.
Was für ein erbärmliches Ende für den Überbringer der wichtigsten
Botschaft der Welt. Der Vorläufer des Christus mischt sich ein und
kommt unter die Räder der kleinen und gemeinen Politik. So wie der,
über dem der Himmel offen stand, der Stern seines Lebens, bald nach
ihm am Kreuz von Golgatha hängen wird.
Ob Johannes es geahnt hat? War ihm das, was er vom Wirken Jesu
hörte, zu wenig entschieden, zu kraftlos, zu friedfertig - so gar
nicht nach dem Tenor seiner Bußpredigten? Der Himmel blieb milde
gestimmt und statt der Übeltäter gingen der Prediger in der Wüste
und der Prediger vom Berg in den Tod. Da sandte Johannes seine
Jünger und ließ Jesus fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder
sollen wir auf einen andern warten?
Der Theologe Karl Barth schreibt: „Wer die rechte Frage stellt Gott
gegenüber, der beweist eben damit sein Wissen um Gottes Antwort. Wer
nicht fragt und zwar mit ganzer Grundsätzlichkeit nach dem einigen
Trost im Leben und im Sterben, dem ist auf den Kopf zuzusagen, dass
er auch nicht glaubt.“ (zitiert nach Jan-Dirk Döhling, GPM, 4/2008,
Heft 1, S.28) Und wir fügen hinzu, zu dem kommt alle Jahre auch
niemand anders als das liebe Jesulein, das Christkind und der
Weihnachtsmann.
Jesus jedenfalls zögert keinen Moment. Er zieht nicht die
Augenbrauen hoch. Er schüttelt nicht den Kopf. Er ist nicht traurig,
dass ausgerechnet Johannes an ihm zweifelt. Wo wir im Evangelium
auch hinschauen: Nicht die, die die echte Not des Zweifels umtreibt,
sind das Problem des Christus, sondern die Gottprotze, die
Hundertfünfzigprozentigen, die die Bibel virtuos bald vorne, bald
hinten aufschlagen und dem verdutzten Gegenüber die Antwort um die
Ohren hauen, herzlos und ungerührt. Die Lust haben am Gericht des
Herrn und die Ungläubigen verachten und darauf bestehen, dass die
Hölle voll ist mit Leuten aus ihrem Bekanntenkreis. Die sind das
Problem des Christus bis heute.
Johannes der Täufer gehört nicht dazu. Jesus hat die Echtheit und
Dringlichkeit dieser Frage verstanden. Geht hin, sagt er zu den
Johannesjüngern. Bringt ihm meine Antwort. Es eilt. Aber was ist das
für eine Antwort, die Jesus den Jüngern mit auf den Weg gibt? Sie
scheint mehr als undeutlich und ausweichend zu sein. Kein „Ja“ oder
„Ich bin‘s“. Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und
seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube
hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und
selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
Johannes wird die Antwort verstanden haben. Mit diesem Vermächtnis
des Christus ging er in den Tod. Was dieser ihm sagte, konnte nur
heißen: Deine Predigt vom Himmelreich war nicht umsonst. Es bricht
an. Nicht im Palast des Herodes, sondern bei denen, die am Boden
zerstört sind wie du. Den Armen im Kerker erreicht zuletzt noch das
Evangelium für die Armen. Der Prediger in der Wüste findet ein
erbärmliches Ende und tritt doch ab als Erbe des Himmelreichs.
Dieses Ende wird ihn geärgert haben, die Botschaft seines Meisters
nicht. Den Seligpreisungen der Bergpredigt fügt Jesus noch eine
hinzu extra für Johannes. Von wem kann man Vergleichbares sagen?
Noch einmal Karl Barth: „Fragen wir wirklich Jesus selbst ‚Bist du,
der da kommen soll?‘, dann werden wir sozusagen als letztes von
allen Wundern der Herrlichkeit Jesu, von denen er redet, selber mit
der Zeit des Heils verbunden, so dass nun nicht nur an jenen
Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Tauben und Toten, nicht nur an jenen
Armen etwas geschehen ist, sondern auch an uns etwas ganz bestimmtes
geschieht: dies nämlich, dass der Anstoß, den wir scheinbar an Jesus
nehmen müssen, ohne unser Zutun durch ihn selbst weggenommen wird.“
(a.a.O., S. 34)
So muss es schon den Hirten an der Krippe gegangen sein. Schon das
Kind in der Krippe versammelt in seiner armseligen Geburtsstätte die
Armen um sich. Nein, die haben sich nicht an diesem Kind geärgert.
Die haben begriffen, dass in dieser Armseligkeit Großes beginnt.
Drum braucht sich auch keiner von uns vor seiner Armseligkeit
fürchten, gerade an Weihnachten nicht. Um die Krippe soll das
Leuchten der himmlischen Heerscharen gewesen sein. Leuchten vom
Himmelreich. Wie tief wohl die Stufen hinabgingen bis zum Kerker, in
dem Johannes saß? Kein Zweifel: Was ihm dort in seinen letzten
Nächten leuchtete, war dasselbe Licht.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
2 Als aber Johannes im Gefängnis von den
Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger
3 und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen
wir auf einen andern warten?
4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes
wieder, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube
hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt;
6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.
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