Predigt    Matthäus 17/1-9  Letzter Sonntag nach Epiphanias   09.02.2003

"Lichtblicke"
(von Pfr. Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

zweifellos muss auch der Dichter Georg Trakl sie gehabt haben: die Momente, in denen etwas vom Reich Gottes sichtbar und erfahrbar wird. Wenn auch nicht viele, wie wir vermuten. Voller Dunkelheit sind seine Gedichte; Zeugnisse eines Untergangs. In einer Nacht im Ersten Weltkrieg mit wimmernden Verwundeten in einer Scheune, wurde Trakl vom Versuch, sich zu erschießen, durch Kameraden abgehalten und nach einem Fluchtversuch zur Beobachtung seines Geisteszustandes in ein Krakauer Militärhospital eingewiesen. Am Abend des 3. November 1914 starb er dort nach Einnahme einer Überdosis Kokain an Herzstillstand. Ob es sich dabei um einen Unfall oder um Suizid handelte, ist ungeklärt.

Winterabend heißt eines seiner Gedichte:
(Gedichte, Bibliothek Suhrkamp 420, 1974, S. 59)

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft,
kommt ans Tor auf dunklen Pfaden,
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.

Zweifellos hatte auch der Dichter Georg Trakl diese Momente der Einkehr in eine, wenn auch nicht heile, so doch tröstliche Welt. Momente des Lichts und der Stärkung für einen weiten und oft finsteren Weg. So wie Jesus und seine Jünger sie haben auf dem Berg Tabor. Nicht zufällig wird in der Geschichte auf den Feiertag, den Sonntag angespielt. Nach sechs arbeitsreichen Tagen, nimmt Jesus seine Jünger mit. Wenn wir erst einmal den Sonntag platt gemacht haben mit Feuerwehr, Arbeit und offenen Geschäften, wird der Christus wohl gar keine Chance mehr haben uns mitzunehmen.

Wenn es Sonntag mit der Kirche einmal nichts wird, dann – statt Einkaufen - schon wirklich wieder einmal hinaus auf einen hohen Berg und sich niedergesetzt. Dann schaut hinunter in das tiefe Tal, aus dem ihr heraufgestiegen seid mit den Menschlein und ihren Häuschen und den winzigen Autos, die noch nicht abbezahlt sind. Seid immer wieder einmal dem Himmel ganz nah.

Freilich, was unser heutiger Predigttext erzählt, ist ganz Gottes Inszenierung. Nicht jeder, der einen Berg besteigt, wird von Mose und Elia empfangen. Und so manche religiöse Inszenierung, wie sie ja immer modern sind, hinterlässt den Teilnehmer ehr gottverlassen oder peinlich berührt. Gottes Gegenwart lässt sich nicht spielen. Er erscheint wann er will. Dann sollten wir uns aber auch von dem Christus mitnehmen lassen.

Wie Petrus, Jakobus und Johannes. Die werden später noch einmal mitgenommen in den Garten Gethsemane; und erweisen sich dort als notorische Schlafkappen, während Jesus mit Gott um sein Leben ringt. Jesus mutet den Jüngern und uns den Berg der Verklärung und den Garten Gethsemane zu. Vom Tabor geht Jesus den Weg in das Leiden und wir mit ihm aus der Weihnachts- und Epiphaniaszeit in die Passionszeit.

Beides gehört zusammen. Der religiös Begeisterte wird vom Leiden nicht verschont. Petrus möchte sich dort gleich häuslich einrichten. Von diesem Berg muss er wieder herunter. Aber der, der seinen Weg im Finstern geht, wird nicht ohne einen Lichtblick Gottes bleiben: Die reine Helle von Brot und Wein, eine Musik, die unser Herz hochhebt, eine Idee, die uns beflügelt, ein gutes Wort, das macht, was es sagt, das durch und durch Gute in unserer durchwachsenen Welt. Genau das will Gott und sein Wort für uns sein.

Wenn wir ihn lassen. Die Verklärungsgeschichte ist ja ein gefundenes Fressen für die historische Bibelkritik. Dass sie nicht historisch ist, sieht wohl ein Blinder; Z.B. am Hinweis, dass die Jünger das Ganze erst nach Jesu Auferstehung erzählen sollten. Am Grab hätten sie es wohl auch nicht mehr erzählt. Sie hätten selbst ihre Erlebnisse als Täuschung abgetan. So wie wir die Lichtblicke unseres Lebens in schweren Zeiten vergessen und nicht mehr erinnern und wenn, dann als etwas, was widerlegt ist vom Unglück. Das Kreuz ist historisch. Der Krieg ist historisch. Der Tod ist historisch. Aber die Lichtblicke Gottes, die reine Helle von Brot und Wein, eine Musik, die unser Herz hochhebt, das Erlebnis auf dem Berg. Wie kann das historisch sein? Es braucht nicht historisch sein, liebe Gemeinde, wie das Glück und die Liebe.

Denn gerade so haben die Lichtblicke Gottes die Kraft es mit unserer Wirklichkeit aufzunehmen. Sie lassen sich nicht verrechnen ins heillose Räderwerk dieser Welt und in ihre oft grausame Logik. Sie bleiben den Kameras und den Reportern verborgen. Es ist ein Irrtum der Aufklärung, sie deshalb für nicht existent zu halten. Die Banalisierung und Verwirtschaftlichung unseres Lebens, lässt uns die Wirklichkeit nur noch als Produkt unseres eigenen Handelns erscheinen. Die Möbel der Metaphysik sind aus den Zimmern geräumt und nun sitzen wir vor kahlen Wänden im immer gleichen Einerlei von Arbeiten und Einkaufen und finden das schlau. Es ist eine Welt ohne Glanz. Hier kann uns kein Lichtblick Gottes mehr treffen.

Hierfür brauchen wir wieder Augen und Ohren für die Grundlagen unseres Seins. Die sind uns entzogen und doch zugleich die Bedingung allen Lebens. Wir sind nicht unser eigener Schöpfer, Richter und Henker. In diesen Zeiten versuchen wir es und fallen doch nur immer wieder in unser eigenes Bild im Spiegel und tun uns und anderen blutig weh mit seinen Scherben. Und deshalb nimmt der Christus seine drei Jünger und uns beiseite und mit auf den Berg zum Lichtblick Gottes. Hier wird nicht gearbeitet und eingekauft. Hier werden auch keine Hütten gebaut. Hier wird das große Haus Gottes geschaut. Hier lebt er mit allen seinen Kindern. Und wir gehören dazu. Freut euch, dass euere Namen im Himmel geschrieben sind (Lukas 10/17).
 

 

 

 

 

 

 

 

© Christusbruderschaft Selbitz 

Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Auf dem Wandbehang in der Kapelle der Christusbruderschaft in Selbitz ist das Abendmahl dargestellt. Die große helle Figur des Christus steht im Mittelpunkt. In seinen Armen sitzen die Jünger um den Abendmahlstisch und in ihren Gesichtern leuchtet das Licht wieder, das vom Auferstanden ausgeht. Auch eine Form der Verklärung. Unserer Verklärung. Wenn wir uns dem Christus zuwenden, leuchtet von ihm immer etwas wieder zu unserer Freude und zur Freude anderer. Es erzählt von der Rückkehr des Glanzes in die Welt.

Macht die Augen auf!


Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text: 

(1)Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.
(2)Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
(3)Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
(4)Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine.
(5)Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!
(6)Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
(7)Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
(8)Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein.
(9)Und als sie vom Berge hinab gingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.


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