Liebe Leser, alles was recht ist! Das werden die damaligen Hörer
dieses Gleichnisses gesagt oder zumindest gedacht haben. Und wir
denken das auch.
Schön und gut, wenn es damals und heute Unternehmer gibt, die in
punkto Beschäftigung nicht nur auf die Nebenkosten und den Gewinn
nach Steuern schauen. Arbeitslosigkeit war und ist auch eine
Infragestellung der Menschenwürde. Ein Mensch ohne Aufgabe und
sinnvolle Beschäftigung ist ein in seiner Menschlichkeit
eingeschränkter Mensch. Und deshalb darf und kann eine soziale und
menschliche Gesellschaft, deshalb darf keiner von uns vor diesem
Problem einfach kapitulieren, wie das unsere Politiker - trotz
gegenteiliger Beteuerungen – oft genug tun. Und solche Unternehmer,
wie in unserem Gleichnis, die bräuchten wir heute ganz dringend.
Aber dann scheint es mit den Gemeinsamkeiten auch schon vorbei zu
sein. Alles was recht ist! Jedem das seine! Jeder soll empfangen,
was seine Taten wert sind. Wer unternehmerisches Risiko trägt, wer
viel arbeitet, der soll viel herausbekommen. Gleicher Lohn für alle,
das ist Unsinn. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das ist gerecht.
Kein sozialer und gesellschaftlicher Frieden ohne Gerechtigkeit.
Jeder andere Frieden ist ein Frieden, wie ihn Diktatoren schaffen,
die sich ein Leben in Reichtum und Machtfülle, mit dem Lebensraum
und dem Leben anderer bezahlen lassen. Diktatoren, die recht haben,
indem sie andere zum Verzicht auf Gerechtigkeit zwingen.
Und deshalb ist es ein Stück demokratischer Kultur, wenn bei uns -
Gott sei Dank - von Politikern gefragt wird, auf wessen Kosten
Regelungen getroffen werden und ob das gerecht ist. Und gleichzeitig
zeigt sich der Verlust an demokratischer Kultur, wenn machtvolle
Interessenverbände nach dem Motto argumentieren und handeln:
Heiliger Sankt Florian, schütz unser Haus, zünd andre an.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland und unsere Konkurrenzfähigkeit
auf dem Weltmarkt darf doch nicht der letzte moralische Horizont
unseres Handelns sein. Wir wollen nicht in Verhältnissen leben, wie
sie in China und anderswo herrschen, wo Menschen ihre Meinung mit
hohen Gefängnisstrafen bezahlen, wo es keinerlei soziale Absicherung
für die einfachen Leute gibt, wo sogar Kinder im Akkord arbeiten,
bis sie umfallen.
Deshalb gibt es noch mehr, als die Bekümmerung um leere
Auftragsbücher. Schwerer wiegt die Bekümmerung um ein Leben in
Frieden, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit. Die Bekümmerung um
gerechte und friedliche Verhältnisse, in denen auch unsere Kinder
noch leben können, um eine Wirtschaft und Technologie, die der
Erhaltung alles Lebendigen dient. Das gibt’s nicht umsonst und von
selber. Dafür muss gestritten werden.
Auch in unserem heutigen Predigttext geht es um die Bekümmerung um
das Leben. Freilich nicht um unsere, sondern um Gottes Bekümmerung.
Auch hier geht es um Gerechtigkeit. Um Gottes Gerechtigkeit. Und
auch hier geht es darum, dass Gott für seine Gerechtigkeit einem
Streit mit den Arbeitern im Weinberg nicht aus dem Wege geht. Weil
auch seine Gerechtigkeit die Voraussetzung für den Frieden ist.
Freilich in einem noch viel weiteren Zusammenhang. Hier geht es um
das Himmelreich, dem die Zukunft der Welt und die Ewigkeit gehört.
Hier geht es darum, was wohl sein wird, wenn wir einmal Rechenschaft
ablegen müssen vor dem Herrn der Welt. Wenn wir empfangen müssen,
was unsere Taten wirklich wert waren.
Es gehört zu den spannendsten Aspekten des biblischen Zeugnisses,
dass Gott mit seiner Gerechtigkeit eine Geschichte hat. Das ist die
eigentliche Geschichte der Bibel: Gott begleitet auch seine
gefallene Schöpfung. Er bleibt ihr in Liebe zugewandt. Er bemisst
seine Gerechtigkeit an seiner Bekümmerung um unser Leben und nicht
seine Bekümmerung um unser Leben an seiner Gerechtigkeit. Gott
beschließt, mit seiner Güte im Recht zu sein.
Und weil das in so menschlichen Worten und Geschichten erzählt wird,
können wir es wagen zu sagen, dass der Gott der Sintflutgeschichte
begreift, was es bedeutet, wenn jeder Mensch erhält, was seine Taten
wert sind: Unser Ende!
Und deshalb ist die Geschichte der Bibel von da an nichts anderes,
als das Zeugnis davon, dass Gott seine Geschichte mit den Menschen
nicht abbricht, sondern heil machen will. Bis hin zum Evangelium von
Jesus Christus, in dem Gott den Tod, der dem Menschen zusteht, auf
sich nimmt und dem Menschen schenkt, was Gott zusteht: Leben und
Gerechtigkeit. Gott schafft in seinem Reich Gerechtigkeit, indem er
sich mit seiner Güte durchsetzt. Davon predigt Jesus mit dem
Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg:
Dass wir nämlich, wie diese Arbeiter, nicht empfangen was unsere
Arbeit wert war, sondern empfangen, was wir Gott in seiner Güte wert
sind; jenseits dessen, was wir geleistet und jenseits dessen, was
wir uns geleistet haben. Nur so können wir vor ihm bestehen.
Das ist nicht billig. Es kommt Gott teuer zu stehen. Der Herr des
Weinbergs weiß um die Ungeheuerlichkeit seines Tuns. Er zeigt
Verständnis für die Blicke seiner Arbeiter. Er wirbt wie der Vater
um den älteren Bruder des verlorenen Sohnes, der die Rückkehr seines
heruntergekommenen Bruders nicht mitfeiern will - und um all die in
seiner Kirche, die Gottes Güte so lange für eine schlechte Sache
halten, solange sie sie selbst nicht nötig zu haben glauben. Mein
Freund, blickt dein Auge böse, weil ich gütig bin? Viel Mühe hat er,
auch fromme Herzen und Köpfe davon zu überzeugen, dass seine Güte
nicht eine Ausnahme, sondern eine Funktion seiner Gerechtigkeit ist.
Ob wir von Gott gar etwas lernen können im Kampf um Gerechtigkeit in
unserer Gesellschaft und in der Welt? Ist der Friede Gottes höher
und vielleicht zu hoch für alle Vernunft?
Eins scheint unserer Vernunft ja zu dämmern. Dass die Folgen der
Sintflut schneller vergangen waren, als die Folgen unseres
Wirtschaftens und unseres Umgangs mit der Schöpfung vergangen sein
werden. Gerechtigkeit, wie wir sie verstehen und pflegen, muss sein.
Sie reicht nicht! Der Gott der Sintflut besinnt sich seiner
Bekümmerung um das Leben. Er besinnt sich auf eine Gerechtigkeit für
eine lebendige, nicht für eine leere und tote Erde. Dorthin führen
seine Wege. Solche Wege zu finden und zu beschreiten wird unsere
Überlebensaufgabe für dieses Jahrtausend sein.
Vielleicht brauchen wir dazu wirklich eine höhere Vernunft und
anstelle unserer blinden und hektischen Angst um den Wohlstand von
übermorgen den Frieden Gottes. Der bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
21 Denn das Himmelreich gleicht einem
Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen
Weinberg einzustellen.
2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen
als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.
3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem
Markt stehen
4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will
euch geben, was recht ist.
5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die
neunte Stunde und tat dasselbe.
6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu
ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?
7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu
ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem
Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei
den letzten bis zu den ersten.
9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder
empfing seinen Silbergroschen.
10 Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr
empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.
11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn
12 und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet,
doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und
Hitze getragen haben.
Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu
dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen
Silbergroschen?
14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten
dasselbe geben wie dir.
15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein
ist? Blickt dein Auge böse, weil ich so gütig bin?
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