Predigt     Matthäus 20/1-16a     Septuagesimä    08.02.09

"Halb voll"
(von Pfr. Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

ein Glas Wasser und eine Frage dazu. Wie halten Sie es? Ist das Glas für Sie halb voll oder halb leer? Ich werde später darauf zurückkommen.

Noch eine Frage. Kennen Sie den Film „Amadeus“? Er erzählt die Lebensgeschichte von Wolfgang Amadeus Mozart. Und von Salieri, einem angesehenen Opernkomponisten und Kapellmeister in Wien. Der Film beruht nicht auf historischen Tatsachen, sondern ist ein Filmepos, das mit Motiven aus den Biographien Mozarts und Salieris spielt. Er zeigt, wie plötzlich alle Menschen zu Mozart strömen, dem jungen Genie und brillanten Star. Und er zeigt, wie in seinem Lichte der Ruhm Salieris erblasst.

Historisch bekannt ist, dass Mozart Zeit seines Lebens unter der harten Autorität seines Vaters gelitten hat. Dieses aufnehmend, treibt im Film der vaterähnlich verkleidete Salieri den jungen Mozart erst in die Verzweiflung und dann in den frühen Tod. Was geschieht hier? - Hier vergleicht sich ein sehr erfolgreicher Mensch – Salieri machte zwei Tourneen nach Paris und wurde dort umjubelt – dieser durchaus große Komponist vergleicht sich mit dem jungen Star Mozart und gerät dadurch selbst ins Unglück!

Neid und Missgunst können Menschen hin zum Äußersten treiben. Unsere biblische Tradition weiß und erzählt davon von Anfang an: War es nicht schon Kain, der sich benachteiligt fühlte, sich von Gott verlassen glaubte und neidisch auf seinen Bruder Abel schielte? Wir alle kennen den Ausgang dieser Geschichte: Kain erschlägt Abel.

Und nun ist uns heute im Evangelium auch eine Neidgeschichte gegeben. Der Weinbauer geht einfach auf den Markt und fragt die dort herumstehenden Männer, ob sie bereit sind auf dem Weinberg zu arbeiten. Es war damals so üblich, dass ein Tagelöhner auf dem Markt wartete, bis er mit einem Arbeitgeber über die Tagesarbeit und den Lohn sich verständigt hat. So auch diese Männer früh gegen 6 Uhr. Der Weinbauer einigte sich mit den Männern auf einen Silbergroschen für diesen Tag Arbeit, was für damalige Verhältnisse ein guter Tageslohn war. Aber es sind zu wenig, die Ernte muss schnell eingebracht werden. Gegen neun geht er wieder auf den Markt, um die dort herumstehenden Männer anzuwerben. Und er sagt ihnen, dass sie einen guten Lohn bekämen. Genauso gegen 12 und 15 Uhr. Ja selbst 17 Uhr gewinnt er noch einige Helfer dazu.

So, und jetzt müssen wir uns etwas vor Augen halten: Diese Geschichte erzählt Jesus im Nahen Osten. In Israel. Dort ist zur Zeit der Weinernte - ich schätze im September – extreme Hitze. 45 - 50 Grad Celsius in der Sonne. Dann sind das keine Weinstöcke, die an einem Gerüst oder Draht nach oben wachsen. Nein, der Wein kriecht auf dem Boden. Man muss sich also ständig bücken. Und das in dieser Hitze. Der Korb mit den Trauben wird immer schwerer, kein Schatten weit und breit, denn Bäume verträgt ein Weinberg nicht. Die Sonne muss von früh bis abends reinknallen, damit der Wein viel Fruchtzucker produziert und schön reift. Abends ist man dann echt fertig. Und so geht es dann gegen 20 Uhr zur Auszahlungs-Kasse.

Die zuletzt gekommen sind, werden zuerst aufgerufen und bekommen jeder einen Silbergroschen. Die hinten in der Schlange standen, sehen das und freuen sich, denn sie meinen, sie bekämen entsprechend mehr. Aber als sie dran sind, bekommen sie lange Gesichter. Auch sie erhalten - wie verabredet - nur ihren Silbergroschen. Wie gesagt, ein guter Lohn, aber die, die bloß drei Stunden gearbeitet haben, bekommen das Selbe. Das ist doch ungerecht. Und so beschweren sie sich. "Hey, die haben hier drei Stunden ein wenig mitgemacht und bekommen das Gleiche wie wir, die wir den ganzen Tag in der Hitze geschuftet haben? Das geht doch nicht!" Und darauf die Antwort des Weinbauers: "Was beklagt Ihr Euch. Ihr habt bekommen, was wir heute früh vereinbart haben. Ich habe beschlossen, dass die, die später kamen, das Gleiche auch bekommen. Ich kann doch mit meinem Geld machen, was ich will. Oder seid Ihr sauer, weil ich so gütig bin?"

Neid und Missgunst machen bitter! Wer so vergleicht, ist dem Teufel schon auf den Leim gegangen! Meine Eingangsfrage, wie Sie es mit dem Glas Wasser halten: ob es für Sie halbvoll oder halbleer ist, zielt ja letztlich nicht auf Ihren Verstand, sondern auf Ihr Herz! Und da wird sie zu einer entscheidenden Frage, zu einer Frage auch von Glauben und Unglauben. Denn: Erkenne und würdige ich das, was Gott mir schenkt? Lebe ich aus seiner Güte, die er mir täglich neu erweist? Mit dem ersten bewussten Atemzug am Morgen, mit der aufgehenden Sonne eines jeden neuen Tages und dem Abenteuer des Lebens jeden Tag?

Wonach suche ich? Nach Gott? Oder nach Irdischem? Bemesse ich meinen Wert im Vergleich mit anderen? Oder lebe ich aus dem Selbstwertgefühl, das mir die Taufe, das Geschenk der Kindschaft, ermöglicht? Oder um mit den Worten Martin Luthers zu fragen: Wer oder was regiert mein Herz? Gott und seine gütige Gegenwart? Oder der Teufel mit Neid und Missgunst?

Seit dem Tod von Antonio Salieri hielt man seine Musik für gute Gebrauchsmusik, nicht sehr einfallsreich aber solide. Diese Meinung galt allgemein, so dass sich kaum jemand sehr für seine Musik interessierte. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Eine CD mit Opernarien von Salieri, gesungen von der großartigen Mezzosopranistin Cecila Bartoli, hat viele Preise gewonnen, wird millionenfach verkauft und hat es sogar in die Popcharts gebracht. Seitdem schaut und hört man wieder genauer und interessierter hin, wenn der Name Antonio Salieri fällt: auch seine Musik ist großartig.
Ein Kollegen aus Sachsen erzählte mir folgende Geschichte, mit der ich auch schließen möchte:

Unter den vielen Freunden, die ich habe, sind einige wenige, mit denen ich mich über alles austauschen kann. Einer davon ist jetzt 81. Ich lernte ihn kennen im Pfarrhaus meiner ersten Pfarrstelle, er wohnte dort als Pensionär, er war früher Lehrer, seine Frau ist Anfang der Neunziger gestorben. Gleich haben wir uns angefreundet, weil uns gemeinsame Interessen verbanden, Literatur zuallererst, Musik, Natur, aber auch Politisches, und – nicht zu vergessen – die Betreuung der vielen Katzen im Umfeld des Pfarrhauses. Er fährt einen kleinen VW-Polo, könnte sich aber ein größeres Auto leisten. Als ich ihn mal fragte, ob das Auto nicht zu klein ist, antwortete er: „Ach nein, ich vergleiche es nicht mit den großen Wagen auf der Straße, ich denke immer, mit diesem Auto in den fünfziger Jahren, da war es der große Luxus und Komfort.“

Das hat sich mein Kollege seither auch zur Maxime gemacht: Nicht so vergleichen, dass man am Ende unzufrieden oder gar neidisch ist, sondern so vergleichen, dass man sich am Ende auf der Glückseite empfindet. So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen vor Neid und Missgunst, unsere Augen vor seitlichen, scheelen Blicken und helfe uns, nach den Spuren von Gottes Gegenwart in dieser Welt zu suchen.

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.
2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.
3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen
4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist.
5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe.
6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?
7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.
8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten.
9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.
10 Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.
11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn
12 und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.
13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?
14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir.
15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?
16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.


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