Liebe Leser,
mit einem gewaltigen Schlussakkord
endet das Matthäusevangelium. Jesus ist auferstanden und lässt den Jüngern
ausrichten, sie sollen auf einen Berg in Galiläa gehen. Dort würden sie
ihn sehen (Mt. 28/10). Und so sind die Jünger eine ganze Weile unterwegs
um von Jerusalem nach Galiläa zu wandern. Für Petrus, Jakobus und Johannes
ist das der Weg nach Hause. Vielleicht haben sie sich daran erinnert, wie
Jesus ihnen vor drei Jahren die Boote mit Fischen füllte, so dass sie fast
sanken, und wie sie alles stehen und liegen ließen um Jesus nachzufolgen
(Lk 5/1ff.). Der See Genezareth in Galiläa und die Berge ringsum, da waren
sie daheim.
Was wird das für eine Wanderung gewesen sein? Die Botschaft der Frauen
ging ihnen im Kopf herum. Die hatten Jesus von Nazareth gesehen. Sein Grab
war leer. Er hatte zu ihnen gesprochen. Konnte das sein? Keiner der
Jünger, der an der Geschichte der Frauen nicht seine Zweifel hatte. War
denn nicht alles vorbei? War es denn nicht Zeit endlich nach Hause zu
gehen? Petrus stellte sich seine Frau vor, wie sie ihn süffisant fragte,
wie kurz er denn diesmal zu bleiben gedenke. Aber je länger sie wanderten,
desto vertrauter wurde die Landschaft und die Gesichter, die sie grüßten.
Manchmal mitleidig grüßten, denn es hatte sich offensichtlich
herumgesprochen, was in Jerusalem geschehen war. Ohne ihren Meister waren
sie Ritter von der traurigen Gestalt. Aber der Gedanke war schon wie eine
Zuflucht: Man könnte vor dem Ofen sitzen, sich die Wunden lecken und hätte
für mehr als ein Leben lang genug Geschichten zu erzählen. Was hatten die
Jünger mit Jesus nicht alles erlebt?
So gingen die Jünger zu dem Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte, sahen
ihn und fielen vor ihm nieder.
Mehr als tausend Jahre früher machte ein Mann namens Mose die gleiche
Bewegung, als er zum Berg Horeb kam, den brennenden Dornbusch erblickte
und sich auf heiligem Land wieder fand (2.Mo 3/1ff). Dort offenbarte ihm
Gott seinen Namen: „Ich werde mit dir sein“. Die Geschichte der Befreiung
aus der Knechtschaft Ägyptens begann.
Als die Jünger ihn sahen fielen sie vor ihm nieder. Vor ihnen steht Jesus,
der Christus, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden. Die
Geschichte der Befreiung und Heimholung von Himmel und Erde hat längst
begonnen. Der Gott im brennenden Dornbusch hatte kein Gesicht. Der
Allesbeherrscher, der Pantokrator Christus hat eins und noch die Male der
Nägel an seinen Händen und Füßen.
Er trägt eine Geschichte an sich, die begann mit dem Wohlgefallen Gottes
bei der Taufe im Jordan (Mt 3/13ff). Gleich darauf wird erzählt, wie Jesus
der Versuchung widersteht, die Weltherrschaft an sich zu reißen, obwohl
sie ihm zusteht. Aber er geht den Weg der Gotteskindschaft und lässt nicht
zu, dass das Band der Liebe zwischen ihm und seinem himmlischen Vater
zerreißt. Es hält bis in den Tod und auch der Tod beißt sich an diesem
Verbund die Zähne aus. Gott erweißt sich in seiner Liebe als stärker als
Teufel und Tod. Nichts kann ihn mehr aufhalten. Die ganze Welt ist nun
heiliges Land.
„Ich werde mit dir sein“ ist der Name, den Gott dem Mose am Berg Horeb
offenbart. „Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende“, sagt
Jesus zu den am Boden liegenden Jüngern. Und wir hören mit den Jüngern,
dass wir es hier offensichtlich mit dem einen und wahren Gott zu tun
haben, der sich in seiner Liebe treu bleibt und sie am Ende bis in die
letzten Winkel dieser Welt hinein entgrenzt. Nirgendwo, wo er nicht bei
uns wäre.
In diesem letzten Satz erzählt Matthäus die Himmelfahrt gleich mit.
Himmelfahrt bedeutet nämlich nicht, dass der Christus von uns Menschen weg
in die Ferne entschwindet, sondern dass er um so näher bei jedem von uns
ist, alle Tage, bis an der Welt Ende. Jesus geht in die allumfassende
Gegenwart. Die Bibel sagt auch Ewigkeit dazu. Die ist wie der Christus gar
nicht so weit weg, wie wir immer meinen.
Und die Jünger sollen auch gehen. Noch nicht in die Ewigkeit und auch
nicht nach Hause, sondern in die weite Welt. Ihre Geschichten von und mit
Jesus sollen sie erzählen, nur nicht immer vor dem gleichen Ofen. Aber die
Geschichten genügen. Was sie sonst an Macht und Zivilisation haben, dürfen
sie getrost Zuhause lassen. Das hat schon Kolumbus nicht begriffen und in
seinem Gefolge all die Kolonialwarenhändler und Kulturzerstörer, die das
Kreuz auf ihren Schilden trugen. Schon die Titulierung dieser letzten
Worte Jesu als „Tauf- und Missionsbefehl“ hat etwas Militärisches und hat
Jesu Auftrag, sein Evangelium allen Menschen weiterzusagen noch für lange
Zeit beschädigt. Der Ruf christlicher Mission wird nicht besser, wenn
evangelikale Christen nach dem gewonnen Irakkrieg ihre Leute in dieses
Land schicken um Moslems zu missionieren. Das wäre ein Zeugnis für das
Evangelium, wenn Menschen aus den christlichen Abendländern endlich
auszögen und statt Kriege, den Frieden in der Welt gewinnen würden.
Falsche Mission hat immer etwas mit Unglauben zu tun. Luther zur Stelle:
„Denn wir sind es doch nicht, die da könnten die Kirche erhalten, unsere
Vorfahren sind es auch nicht gewesen, unsere Nachfahren werden es auch
nicht sein; sondern der ist’s gewesen, ist’s noch und wird’s sein, der da
spricht: Ich bin bei euch bis ans Ende der Welt ...“(zitiert nach GPM,
Heft 3, 2003, S. 366). Christliche Mission darf sich alle Zeit der Welt
nehmen. Wenn sie sie nicht hat, stecken andere Gründe und Motive dahinter.
Wenn ihr niemals Zweifel kommen auch! Als die Jünger vor ihrem Herrn auf
dem Berg am Boden liegen, wird der Zweifel nicht verschwiegen. Mit
150prozentigen kann der Christus nichts anfangen. Sie sind nicht
überzeugend, sondern frustrierend, nicht gewinnend, sondern abschreckend,
nicht menschlich, sondern übermenschlich. Sie bringen kein Heil, sondern
sind – gestern wie heute – zu jedem Verbrechen im Namen Gottes fähig. Sie
ignorieren den Unterschied zwischen Gott und Mensch. Und deshalb baut der
Christus seine Kirche lieber auf Petrus, der den Fels im Namen trägt und
doch den Schrei des Hahns sein Leben lang niemals vergessen hat.
Menschen eben, die begriffen haben, dass zum Glauben Mut gehört und zum
sturen Herunterbeten angeblich ewiger Wahrheiten nur die Angst. Das weiß
nur der, der den Zweifel kennt und ihm nicht ausgewichen ist.
Solche Leute sendet der Christus in die Welt. Und wer weiß, auch nach
Hause. Denn bei uns Zuhause gibt es ja inzwischen wieder genug, die vom
Evangelium nichts mehr wissen. Ihnen zuzuhören, mit ihnen zu leben und
ihnen aus dem Evangelium zu erzählen, einladend und ohne die eigenen
Zweifel zu verstecken, dazu gehört auch bei uns Zuhause oft der Mut des
Glauben. Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Das ist
die Verheißung, die auf einem Leben der Gotteskindschaft liegt. Und weil
wir gern ein Zeichen haben, hat Jesus die Taufe dazugetan und wir geben
noch eine Kerze dazu oder ein Kreuz an einem Kettchen. Und ich stelle mir
vor, wie der Herr des Himmels und der Erde lächelt, wenn wir uns daran
festhalten und liebevoll auf uns herabschaut und auf seine Hand, in der
wir uns befinden.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
(16)Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf
den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.
(17)Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber
zweifelten.
(18)Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt
im Himmel und auf Erden.
(19)Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den
Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes
(20)und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe,
ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
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