| Liebe Leser,
			 das Buch der Offenbarung des Johannes 
			enthält Schreckensschilderungen wie kein anderes biblisches Buch, 
			aber es tröstet auch wie kein anderes trösten kann. 
			 
			Die Offenbarung erzählt davon, wie Gott nach schlimmen Zeiten sein 
			Volk versiegelt, damit es, wenn die morsche Welt zusammenbricht, 
			gerettet wird. Versiegelt wird das ewige Volk Israel. Zum Volk 
			Israel kommt eine weitere große Schar von Menschen aus allen Völkern 
			hinzu – eine Schar, die niemand zählen kann. Eine Schar, die schon 
			vor dem Beginn der Neu-Schöpfung vor Gottes Angesicht leben darf. 
			Hier setzt unser Predigtext ein. Ich lese den Predigttext aus der 
			Offenbarung des Johannes, 7. Kapitel. 
			 
			(Predigttext Vers 9-12) 
			 
			Sehen wir uns unseren Predigttext genauer an: Versammelt ist vor dem 
			Thron Gottes eine große Schar, die niemand zählen kann, aus allen 
			Nationen und Stämmen und Völkern. Ein buntes Menschengemisch können 
			wir uns vorstellen rings um Gottes Thron. Eine gute Aussicht! 
			Vereinte Nationen, nicht nur durch guten Willen vereint, sondern 
			durch ihre Hingabe an Gott. 
			 
			Soweit, so gut. Aber dann kommen die Fragen: Wer sind die Unzähligen 
			mit den weißen Kleidern genau? Wie kann man Kleider im Blut eines 
			Lammes weiß waschen? Wer ist dieses Lamm? Überhaupt: Ein Lamm auf 
			dem Thron? Und wie verhält sich das alles zu den Schreckensbildern 
			der Offenbarung? 
			 
			Fragend stehen wir vor Bildern, die einst eine Offenbarung waren, 
			und die uns heute Rätsel sind, weil wir meist unsere Bibel nicht 
			mehr kennen, auf die sie sich beziehen: Das Alte Testament noch 
			weniger als das Neue. 
			 
			- Wie war das noch mit den Kindern Noahs? Nach der Sintfluterzählung 
			im Alten Testament werden Noahs Söhne nach ihren Ländern, nach ihren 
			Sprachen, Geschlechtern und Völkern aufgelistet. Hier am Ende der 
			Bibel am Ziel der Geschichte sind sie wieder versammelt, die 
			vereinten Nationen Gottes - unzählbar.  
			 
			- Wie war das noch mit den Ältesten, den Propheten des Alten 
			Testaments, die bereits vor Gott stehen im Hohen Rat, Mose oder Elia 
			z.B., von dem erzählt wird, dass ihn ein feuriger Wagen Gottes schon 
			vor seinem Tod in den Himmel gebracht hat? Hier in der Offenbarung 
			tauchen sie wieder auf, die Propheten, als Älteste im Hofrat Gottes. 
			 
			- Wie war das mit dem Lamm als Zeichen der Unschuld? Das Blut des 
			Lammes wird vergossen, nicht weil ein Unschuldiger sterben soll, 
			sondern seit Israel am Sinai Gottes Gesetz bekam als Zeichen dafür, 
			dass Menschen ihr Leben ganz Gott übergeben wollen. Sie geben das 
			Lamm als Zeichen für sich selbst in der Gewissheit, dass Gott ihr 
			Leben rein wäscht von den schwarzen Flecken ihres Lebens, rein wie 
			dieses Lamm, dessen Leben, dessen Blut sie geben als Zeichen für ihr 
			eigenes Leben. Wie war das noch alles? 
			 
			Johannes scheint es geahnt zu haben, dass die einstige Offenbarung 
			uns eher Rätsel ist: Einer der Ältesten, einer der Propheten des 
			Alten Testaments soll uns erklären, was wir da vor Augen gestellt 
			bekommen. 
			 
			(Predigttext Verse 13-17) 
			 
			Uns wird erklärt, dass die Menschen in den weißen Gewändern aus der 
			großen Trübsal kommen. Das Wort ›thlipsis‹, das Luther mit Trübsal 
			übersetzt, meint Nöte aller Art, die die treffen, die sich zu Gott 
			halten und daran festhalten, dass die Wahrheit den Lämmern gehört, 
			nicht den Hyänen. Denn als Glaubende sind wir ja nicht 
			herausgenommen aus der Welt. 
			 
			»Solange wir einen guten Posten haben und von niemand angefochten 
			werden, meinen wir, wir hätten ein gutes Herz, da wir ja allen 
			unseren Mitmenschen gegenüber freundlich sind. Sobald aber die große 
			Trübsal kommt, etwas ganz Schweres kommt, etwa eine Zurücksetzung, 
			bei der uns ein anderer – etwa ein Geschäftskonkurrent – weit 
			überflügelt, wegdrängt und in den Schatten stellt, wo wir beleidigt 
			oder angegriffen werden, da offenbart sich der Zustand unseres 
			Herzens. Da merken wir erst mit Schrecken, was für ein giftiger 
			Neid, was für ein tödlicher Hass, dessen wir uns gar nicht für fähig 
			gehalten hätten, einem Menschen gegenüber, der unsere ganze Laufbahn 
			verdorben hat, aus unserem Herzen hervorbricht.  
			 
			Die große Trübsal ist wie die Dunkelkammer, in der wir vor den 
			Röntgenschirm gestellt werden, auf dem mit unerbittlicher 
			Deutlichkeit die dunklen Stellen sichtbar werden, die auf 
			Krankheitsherde in unserem Körper hindeuten. So macht in der Tat das 
			schwere Leid unsern inneren Zustand offenbar. In der Gluthitze von 
			Kampf und Leid wird unser Herzenszustand offenbar.  
			 
			Die in den weißen Gewändern vor dem Thron Gottes stehen kommen aus 
			dieser Dunkelkammer der Trübsal. Vor dem Thron stehen also nicht 
			abgehobene Heilige, sondern ehemals Versehrte wie wir. Die Trübsal 
			zeigt schwarze Flecken auf ihren Herzen. Keimzellen des Todes, aus 
			denen das Leben gewichen ist. Aber - die schwarzen Flecken werden 
			hell gewaschen im Blut des Lammes.  
			 
			Gott, Christus selbst bietet uns an, uns von der stinkenden Hyäne 
			wieder zum Lamm verwandeln zu lassen. Dass dies durch die Gnade 
			Gottes möglich ist, dafür steht er mit seinem Blut, d.h. mit seinem 
			ganzen Leben. Um im Bild von Röntgenschirm und Arzt zu bleiben. Es 
			geht um eine Art göttliche Bluttransfusion. Gott heilt mit seinem 
			Herzblut, mit allem, was ihn ausmacht, die dunklen Flecken auf 
			unseren Herzen. Wir werden rein, indem er selbst uns heilt durch 
			seine Liebe. 
			 
			Der auf dem Thron sitzt, ist ein Lamm. Kein Rächer, kein Herrscher, 
			kein Tyrann --- sondern ein liebender Heiler. Es erweist sich, dass 
			die Liebe, der Sanftmut, die Zuwendung und die Güte regieren. Gott 
			zeigt sich als Lamm, nicht als Löwe. Und die große Schar, die 
			niemand zählen kann, ist nicht die Masse auf dem Reichsparteitag, 
			sondern die, die das Lamm in sich aufgenommen haben: In Liebe 
			vereinte Nationen. 
			 
			Finden wir uns wieder in dieser unzählbaren Schar? Oder sprengt sie 
			nicht unsere Phantasie? Die Güte Gottes übersteigt unsere Phantasie. 
			Das macht die Offenbarung sehr deutlich. Aber die Güte gilt ja 
			trotzdem uns, uns ganz persönlich. Wir sollen nicht verloren gehen 
			in der jede Vorstellung sprengenden Größe der Schar der Geretteten. 
			Deshalb bemüht sich die Offenbarung, ein zweites Bild zu finden, 
			diesmal ganz persönlich. Die unzählbare Schar wird sinnbildlich in 
			einer Person dargestellt, in einer Person, die uns, uns selbst meint 
			als Glieder der unzählbaren Schar. 
			 
			In Kapitel 12 wird die unzählbare Schar als eine Frau geschildert, 
			die in Kind gebiert. In ihr wächst Gott selbst heran, weil sie 
			Gottes Güte annimmt. Sie trägt Gott in die Welt, wie sie auf unserem 
			Altar abgebildet ist. Maria ist Symbol für die Kirche, für die große 
			Schar: Für Sie und Euch und mich und die Menschen aus allen Völkern. 
			Wo Maria abgebildet ist, sind wir gemeint. 
			 
			Ich habe lange Zeit gedacht, dass Marienaltäre keine christlichen 
			Altäre sein können, bis ich verstanden habe, dass es ein Irrtum ist, 
			Maria in diesen Altären für ein anbetungswürdiges Gegenüber zu 
			halten. Maria ist kein Gegenüber. Sie symbolisiert uns. Maria heißt 
			wir: Sie und Sie und du und ich, vereinte Nationen. Wenn wir genau 
			hinsehen, sehen wir von oben eine von zwei Engeln getragene Krone 
			auf ihr Haupt herabsinken: Wir sind Menschen, die kurz vor der 
			Krönung stehen. 
			 
			Die Offenbarung zeigt uns wie die Altäre: Was auch immer geschieht: 
			Wer sich zu Gott hält, dessen Bürgerschaft im Himmel ist gesichert. 
			Wir stehen kurz vor dem Krönung. Das Gold schimmert schon durch die 
			Welt. 
			 
			Wir bekommen in der Offenbarung Lärm und Schrecken gezeigt wie 
			gewohnt, aber wir werden dabei im Arm gehalten. Liebevoll wird uns 
			gezeigt, dass die Welt nicht nur Lärm und Schrecken ist, die wilde 
			Jagd der entfesselten Mächte (was sie ja doch auch ist). Endlich 
			wissen wir, dass sie noch etwas anderes, noch mehr enthält: dass 
			nämlich die Vision von der Geschichte nicht mit der Katastrophe, 
			sondern mit der Versammlung des Gottesvolkes abschließt. 
			 
			Wenn Gott es geschafft hat, eine Welt ins Leben zu rufen, und uns 
			ins Leben zu rufen. Warum sollte er dann diese Welt und uns nicht 
			retten können? Warum sollte er diese Welt - und uns - nicht neu 
			erschaffen können?  
			 
			Wir werden mit dabei sein - when the saints go marching in. 
			
      
      
      Vikar Michael Krauß    (Hospitalkirche 
      Hof)  | 
			Text: 
			
			 9 Danach sah ich, und siehe, eine große 
			Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und 
			Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, 
			angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen, 
			10 und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem 
			Thron sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! 
			11 Und alle Engel standen rings um den Thron und um die Ältesten und 
			um die vier Gestalten und fielen nieder vor dem Thron auf ihr 
			Angesicht und beteten Gott an 
			12 und sprachen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis 
			und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 
			13 Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind diese, 
			die mit den weißen Kleidern angetan sind, und woher sind sie 
			gekommen? 
			14 Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu 
			mir: Diese sind's, die gekommen sind aus der großen Trübsal und 
			haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im 
			Blut des Lammes. 
			15 Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht 
			in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen 
			wohnen. 
			16 Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht 
			auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine Hitze;  
			17 denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu 
			den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle 
			Tränen von ihren Augen.  |