Predigt     Offenbarung 21/3-5     50 Jahre Friedenskirche Zedtwitz     20.07.08

"Die Hütte Gottes bei den Menschen"
(von Pfr. Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

vor 50 Jahren haben die Zedtwitzer Gemeindeglieder die Friedenskirche erbaut. Und sie haben sie in den Schlosspark gesetzt, sozusagen in den Dorfgarten.

Dass man an einem solchen Garten nicht vorüber kann, ohne sich hingezogen zu fühlen und einzutreten, hat den einfachen Grund, dass der Garten zu den urtümlichen Bedürfnissen des Menschen zählt, wie Essen, Trinken, Beten und Lieben: Ja, dass der Mensch all diese Bedürfnisse am Liebsten in der Umgebung eines solchen Gartens stillt. Drum baut er sein Haus, wenn er kann, nicht ohne einen Baum zu pflanzen und einen Garten anzulegen. Und wenn schon kein Bach vorüberfließt, nimmt der Gärtner den Schlauch zur Hilfe und wässert oft und ausführlich, damit sein Baum nichts zu fürchten hat, wenn die Hitze kommt. Seine Blätter sollen grün bleiben und wenn draußen die ganze Welt verdorrt.

Der Garten ist Objekt grundlegender und urtümlicher Sehnsucht. Das hat seinen Grund darin, dass die Menschheitsgeschichte im Allgemeinen und die Heilsgeschichte der Bibel im Besonderen, sehr viel mit dem Garten zu tun hat.

Die Menschheit stammt aus einem Garten. Freilich, bemerkt der Schriftsteller Rudolf Borchardt treffend: „Das Meiste, was ihr seit ihrem Ursprung zugestoßen ist, hängt mit Vorgängen zusammen, die sich als Gartenfrevel bezeichnen lassen. (...) Mit der Kündigung des Gartengastrechts und dem Auszug in die aus Acker und Kindbett bestehende Welt, beginnt das normale Dasein seine unabsehbare Kette von weiteren Vertreibungen, denen im trotzigen Rhythmus des Menschenherzens der Entschluss entspricht, das Paradies, und sei es am Fenster des sechsten Stocks im Hinterhause, für die nächste Vertreibung wiederaufzubauen und den Engel mit dem feurigen Schwert zu provozieren.“ (Rudolf Borchardt: Der leidenschaftliche Gärtner, Greno, 1987, S.7) Unstet und flüchtig muss der gefallene Mensch sein. Aber die Sehnsucht nach dem Garten ist ihm geblieben - und der Baum, den er wässert, und der ihm Schatten spendet.

Der Ölbaum im Besonderen: Der Ölbaum, der nicht nur Nützliches, sondern auch Angenehmes spendet. Sein Öl schützt die von der orientalischen Sonne beschienene Haut. Es ist Nahrung, aber auch Grundelement der antiken Medizin. Es ist Brennstoff für die Lampen, die man nachts entzündet. Darüber hinaus ist es ein Artikel des Luxus. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein. War’s nicht ein Ölzweig, mit dem die Taube Noah ein solches Leben verhieß. Gott selbst lässt es ein Zeichen seines Segens sein, wenn mit dem Öl des Ölbaums der König gesalbt wird.

So wird das Ende des Baumes, das Ende der Welt sein. Der dritte Teil der Bäume verbrennt, wenn der erste Engel des letzten Gerichts seine Posaune an die Lippen setzt. So weiß es die Apokalypse. Was sie nicht wissen konnte ist, dass der Mensch bis zum heutigen Tag diese Arbeit schon mehr als erledigt hat.

Auch im Evangelium von der Erlösung des Menschen, spielt der Garten eine überragende Rolle. Hat Jesus von Gottes Liebe und Gnade nicht so gepredigt, dass der seinen Jüngern die Lilien des Feldes zeigt? Er schickt sie zur Arbeit im Reich Gottes wie in einen Weinberg. Er zeigt ihnen den Feigenbaum; vergleicht schließlich den Menschen mit einem Garten, voller Unkraut und Gott jätet es; ganz verdorben, doch winzig wie ein Senfkorn lässt Gott in und unter den Menschen Neues und Herrliches wachsen.

Es ist kein Zufall, dass sich der letzte Kampf des Christus auf seinem Weg ans Kreuz nicht irgendwo, sondern im Garten Gethsemane entscheidet unter nächtlichen Ölbäumen. Und es ist ebenso wenig ein Zufall, dass Maria Magdalena den Auferstandenen nicht erkennt, weil sie meint, er sei der Gärtner.

Wenn das nicht zusammengehört und zusammenpasst: Der Schöpfer der Welt, der der Pflanzung seines Gartens den gleiche Tag einräumt, wie der Scheidung von Licht und Finsternis; und der Erlöser Jesus Christus, der Bezwinger des Todes zugunsten des Lebens, den man nicht von ungefähr mit einem Gärtner verwechselt, weil er ja in der Tat einer ist! Und ich bin sicher, dass in der neuen Welt, die Christus verheißt, das himmlische Jerusalem nicht protzt und pompt wie New York, sondern „die Hütte Gottes bei den Menschen“ wieder in einem Garten steht; damit die elementare Sehnsucht nach dem Garten dann in Gott Frieden findet.

So sind wir auf der Reise durch die Bibel vom ersten bis zum letzten Garten bei der Friedenskirche angekommen. Immer wieder hat Pfr. Kneule dieses schöne Bild von der „Hütte Gottes bei den Menschen“ mit der Friedenskirche in Verbindung gebracht. Wer sie da stehen sieht, umringt vom Grün muss die Verheißung der Offenbarung, Kapitel 21, Vers 3-5 hören:

3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!


Mögen Dome, Münster und Kathedralen von der Größe und Erhabenheit Gottes erzählen; mögen Menschen sich in ihnen klein oder auch besonders groß vorkommen: Die kleine Friedenskirche im Schlossgarten gibt uns einen Einblick und einen Ausblick von unerreichter Größe. Sie lässt uns in die Zukunft der Welt und aller Dinge blicken und stellt uns den Allmächtigen und Erhabenen, den Schöpfer des Kosmos, als einen vor, der die unendlichen Weiten hinter sich lässt, um unter uns in einer Hütte im Garten zu wohnen und der in seinen Händen anstelle von Zeichen der Macht und Gewalt lieber Taschentücher hält.

Und wenn es in der Beschreibung des Wandbildes hinter dem Altar heißt: „Die Erdkugel berührt Christus nur mit den Fußspitzen, als Zeichen dafür, dass er nicht wie wir mit der Erde verhaftet ist, sondern über ihr schwebt als ihr Herr.“ - dann soll man sich diesen Herrn einmal genau anschauen. Dann sieht man überdeutlich die Wundmale an Händen, Füßen und Brust. Dann sieht man, wie Himmel und Erde zusammenkommen durch den Christus, der weiß, was Leid, Geschrei, Schmerz und Tod ist. Das trägt er hinauf zu seinem himmlischen Vater und umgekehrt fließt Gottes tröstlicher Geist, dargestellt durch die Farbe Rot herab auf unsere Welt. So kommen Gott und Welt zusammen, auf dass sie einmal so tröstlich zusammen sind, wie am Ende der Bibel beschrieben. Alles wird neu und alles wird gut.

Kein Wunder, dass die Zedtwitzer ihre Kirche Friedenskirche genannt haben. Denn Leid, Geschrei, Schmerz und Tod, das hallte allen 1958 noch in den Ohren. Der Wahnsinn des zweiten von zwei Weltkriegen im 20. Jahrhundert war gerade einmal 13 Jahre vorbei und der sogenannte kalte Krieg hatte begonnen. Drei Jahre später wurde der eiserne Vorhang quer durch Deutschland gezogen und ein paar Kilometer von hier endeten alle Straßen. Friedenskirche, dieser Name war Ausdruck der Sehnsucht nach Heilung einer friedlosen Welt und nach Heilung immer noch offener Wunden.

Und so entfalteten der Name dieser Kirche und das Bild von der Hütte Gottes, der all unsere Tränen abwischt gerade damals große Kraft und entfalten sie bis heute. Noch klingt das Alte an, noch wird es benannt, aber im Vergehen. Das Meer der Tränen, des Leids und des Schmerzes. Das Meer der Traurigkeit, das uns verschlingen kann. Der Lebensdurst, in dem wir ertrinken können. Das Hoffen und Harren, dass uns zum Narren hält. Die scheinbare Gottverlassenheit der Weltgeschichte und so manchen Lebens.

Die Friedenskirche zeigt allen, die sie sehen: Die neue Welt ist mit unserer Alten bereits fest verbunden, und zwar tröstlich und erfreulich verbunden. Es sind unsere jetzt geweinten Tränen, die Gott abwischen wird. Es sind die Wunden und Narben unserer Welt, die Gott heil machen wird. Es sind die hier zerbrochenen Herzen, die Gott verbinden wird. Es ist unser Tod, zu dem Gott endgültig Nein sagt. Die neue Welt nimmt unsere alte, als vergangene und getröstete auf.

Christen dürfen deshalb Existenzen mit Balkon sein, mit Aussicht auf die neue Welt Gottes. Das heißt auch zuzugeben, dass diese Welt nicht von uns kommt. Aber wir bitten Gott, dass sie auch zu uns kommt. Wir leben in der festen Hoffnung darauf. Wir nehmen jetzt schon Maß an ihr. Und das heißt oft auch etwas zu lassen. Als ich das Gemeindehaus an der Kirche 1985 mit einweihen durfte, habt ihr mir erzählt, wie die Jugend darum gekämpft hat, dass die Kastanie, die einen Meter neben dem Haus steht, erhalten blieb. Sie steht heute noch. In dem friedlichen Garten, aus dem wir stammen und zu dem wir wieder nach Hause unterwegs sind, müssen alle Kreaturen ihren Platz zum Leben, zum friedvollen Miteinander haben. Und drum werden wir heute am Abend auch dafür zum Zeichen wieder einen Baum vor der Kirche pflanzen.

Möge die Friedenskirche im Schlossgarten auch in Zukunft ihre Botschaft von der „Hütte Gottes bei den Menschen“ weitersagen und davon erzählen, wo wir herkommen und wohin wir unterwegs sind. Möge in ihr das Wort des großen Weltengärtners blühen und um sie herum die Narzissen.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein;
4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.
5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
 


Archiv
Homepage Hospitalkirche