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       Liebe Leser, 
      es gibt Predigttexte, an die sich der Prediger mitsamt 
      seinen Hörern mit stillem Seufzen setzt. Unser heutiger gehört dazu. 
      Klingen die Slogans doch schon im Ohr, dass die Christen so viel 
      fröhlicher sein müssten und gesünder und besser. „Wir sind so frei!“ 
      lautet das Motto der kirchlichen Kommunikationsinitiative in Bayern, was 
      insofern kommunikativ ist, als es sofort die Frage: „Wie so frei??“ 
      provoziert. Auf diese Frage gibt es fast so viele Antworten, wie es 
      Christen gibt.  
       
      Die einen halten es in der Fastenzeit wenigstens sieben Wochen ohne aus. 
      Ohne Alkohol, ohne Nikotin, ohne Schokolade, ohne Fernsehen. Wer schon 
      einmal mitgemacht hat, kennt den Stolz solcher Freiheit, der sich zum 
      Glücksgefühl steigern kann, dem eigenen Sarg ein paar Nägel gezogen zu 
      haben. Manche werden darüber gar zu Missionaren der Freiheit, wie die 
      frisch bekehrten Nichtraucher, die allen und jedem ihre Leistung und dem 
      bedauernswerten Qualmer seine charakterlose Sklaverei vor Augen führen 
      müssen.  
       
      Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass der Mensch nicht nur von 
      seiner Endlichkeit, sondern auch von seinen schlechten Gewohnheiten 
      bedroht ist. Angesichts leerer Gesundheitskassen gibt es schon längst 
      Ideen, den Menschen durch gestaffelte Beiträge dazu zu bringen, auf alles 
      was krank macht zu verzichten. Der Hausarzt als notorisch erhobener 
      Zeigefinger, sozusagen. Länger leben und gesünder sterben, lautet die 
      Devise. Am besten so gesund, dass sich der große Rest noch als Leben 
      spendendes Ersatzteil verwenden lässt.  
       
      Nein wir wollen uns nicht lustig machen über den Jahrmarkt der Eitelkeit, 
      über geliftete Hintern und gelaserte Gesichter. Das Geschäft mit der Angst 
      vor dem Altern und Sterben läuft zu allen Zeiten wie geschmiert, obwohl 
      jeder weiß, dass vor dieser Angst nicht davongelaufen werden kann. Der Tod 
      kriegt uns alle.  
       
      Der Apostel Paulus ist sich deshalb der Gefahr bewusst, missverstanden zu 
      werden, als er seine Worte an die Gemeinde in Rom schreibt. Auch im 
      Evangelium geht es um die Erlösung vom Tod. Auch das Evangelium ist auf 
      den ersten Blick eine Bude unter unzähligen anderen auf dem Jahrmarkt der 
      Heilsversprechen: Nimm das, heißt es da auf jedem Plakat und tue das deine 
      dazu. Wenn es nicht klappt, dann liegt es an dir. Paulus ist sich der 
      Gefahr bewusst, dass seine Christen hier wie alle anderen Fragen: Was tut 
      Gott für mich und was kann ich dazu tun?  
       
      Darum des Paulus alles andere als überflüssiger Vorsatz: „Ich muss 
      menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen...“ 
      Paulus weiß wovon er spricht. Er war selbst kein Aushängeschild für ein 
      besseres, gesundes und dynamisches Christenleben. Eine chronische 
      Krankheit, wahrscheinlich Epilepsie, hat ihn oft vor versammelter 
      Mannschaft mit eiserner Faust in den Staub geworfen. Paulus kennt das 
      Entsetzen beim Blick in den Spiegel über das eigene Verblühen und 
      Vergehen. Er kennt diese menschliche Identität: Fleisch, das ums Verrecken 
      ewig leben will und doch todsicher sein Ende findet. Fleisch das gut und 
      besser sein will und doch in Schuld und Elend landet. Fleisch, dessen 
      Herrlichkeit scheinbar und dessen Elend Realität ist. Fleisch, das vom 
      ersten Atemzug an seinem Untergang entgegenatmet. Fleisch, das in die 
      Sklaverei geboren wird unter der Herrschaft des Todes. Der Mensch ist ein 
      Wesen, das sich im Laufe der Jahre immer ähnlicher wird und am Ende in 
      der Wahrheit über sich verschwindet.  
       
      Ohne den Christus! Denn das Evangelium ist kein Rezept für ein besseres 
      Leben. Der Christus ist das Leben schlechthin. Der auferstanden Herr setzt 
      den Tod als Wahrheit jeden Lebens ab und setzt an seine Stelle sein 
      göttliches, ewiges Leben. Was das für uns und die Welt bedeutet, ist so 
      gewaltig, dass man nicht begriffsstutzig sein muss um es nicht zu 
      begreifen. Drum erklärt es Paulus uns und den Christen in Rom in 
      menschlichen Worten. Die Welt ist nicht mehr die alte. Die Regierung hat 
      gewechselt. Wir sind nicht mehr die alten. Unsere Identität ist eine 
      andere geworden. Wer sich in den Spiegel des Evangeliums schaut, sieht 
      nicht länger sein eigenes Gesicht. Aus diesem Spiegel schaut uns der 
      Christus freundlich an. Fleisch, die alte Identität des Menschen, ist am 
      Kreuz gestorben. An seine Stelle ist der Geist getreten, der Geist des 
      auferstandenen Christus.  
       
      Das ist eine Wende, zu der wir nicht das mindeste beitragen können. Wir 
      können nicht das Unsere dazutun. Wir können sie uns nur gefallen 
      lassen. Wir können sie nur wahrnehmen und angesichts dieser Wende das 
      Unsere tun.  
       
      Es soll Vögel geben, die so dämlich sind, dass sie in ihren Käfigen sitzen 
      bleiben, auch wenn die Tür offen ist. Es soll Menschen geben, die ihre 
      Ketten immer noch tragen, auch wenn längst alle Schlösser abgefallen sind. 
      Es soll Christen geben, die sich weiter lieber in ihren alten Scherben 
      betrachten, statt in den Spiegel des Evangeliums zu schauen. Paulus mahnt 
      uns deshalb, unsere alte Welt nicht ernster zu nehmen, als sie ernst zu 
      nehmen ist. Der Tod ist ein Gaukler. Er kann nur noch so tun, als hätte er 
      das Leben im Griff. Geben wir ihm nicht länger eine Bedeutung, die er 
      längst verloren hat. Er ist nicht länger der Horizont unseres Lebens. Dort 
      steht der Christus.  
       
      Lasst uns in diesem Glauben das Unsere tun. Etwas nicht zu tun, oder zu 
      unterlassen, mag nützlich, vernünftig und der Gesundheit förderlich sein. 
      Sieben Wochen ohne ist auch schon was. Aber das ist nicht das Evangelium. 
      So handeln Menschen, deren Klugheit sich letztlich dann doch am Tod 
      schärft. Und man mag sich mit Grausen die Zwangsjacken vorstellen, in die 
      uns die Gendesigner und Gesundheitsapostel in Zukunft vielleicht stecken 
      werden. Hinter ihnen steht eine Medizinindustrie, die ihre größten 
      Geschäfte in den letzten Wochen des Lebens macht, während in den armen 
      Ländern, Medikamente gegen Aids und Malaria fehlen. So bleibt der Wille 
      zum Leben ein Tanz um sich selbst, ums Geld und ein Tanz ums eigene Grab.
       
       
      Die Freiheit der Kinder Gottes lässt sich auf solche Tänzchen nicht mehr 
      ein. Ein anderer Apostel Paulus wäre heute vielleicht von Pontius zu 
      Pilatus gerannt, auf der Suche nach Heilung, Schönheit und Wellness. Das 
      hat der Apostel Paulus damals nicht getan. Er hat sich durch seine 
      Behinderung nicht daran hindern lassen, das Evangelium zu verkünden. Er 
      hat sie als heilsame Erinnerung an, Gott sei Dank, vergangene 
      Vergangenheit manchmal sogar geschätzt. Für andere ist er dadurch zum 
      Beispiel geworden, dass das Evangelium sich durch die Relikte der 
      Todesmächte nicht aufhalten lässt.  
       
      Am Ende bleibt ein verschwendetes Leben, das zu einem Mann namens Paulus 
      gehörte, der nicht viel von sich reden machte, aber von der frohen 
      Botschaft um so mehr. „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt 
      in mir“, hat Paulus an die Galater geschrieben (Gal 2/20). Mit dem Leben 
      des Christus darf verschwenderisch umgegangen werden. Wer es weitergibt 
      und für andere lebt, wird nicht ärmer. Im Gegenteil. 
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      Text: 
      
       Paulus schreibt: 
       (19)Ich muss menschlich davon reden um der 
      Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet 
      an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer 
      Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der 
      Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. 
      (20)Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der 
      Gerechtigkeit. 
      (21)Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt 
      schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. 
      (22)Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, 
      habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das 
      ewige Leben. 
      (23)Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige 
      Leben in Christus Jesus, unserm Herrn. 
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