Predigt    Römer 8/1-2, 10-11    Pfingstsonntag    11.05.08

"Feuer des Heiligen Geistes"
(von Vikar Jörg Mahler, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

diese Tage treffen sich am Labyrinth allerlei mittelalterliche Gestalten. Ab und an verirren sie sich auch einmal durchs Untere Tor hinein in die Altstadt. Es weht dieser Tage ein besonderer Geist zumindest auf den Hügeln vor Hof: Bauern und Edeldamen, Ritter und Mägde begegnen auf Schritt und Tritt. Ritterturniere, alte Handwerkskunst, Gaukelei und Feuerspiele verzaubern. Ich muss gestehen: Mir hat es gefallen, gestern in diese Welt des Mittelalters abzutauchen, mich von diesem Geist anstecken zu lassen.

Doch im Mittelalter, da herrschten auch noch ganz andere Geister. Damals waren die Wälder noch voller Trolle und Kobolde, in den Gemäuern spuckten die Gespenster. Es herrschte der Geist der Sorge um das täglich Brot angesichts von Missernten und Stürmen. Es herrschte der Geist der Angst vor der kleinsten Verfehlung, denn die kann dich ins Fegefeuer bringen. Die Pest, die vor den Toren lauert. Die Kriegsgefahr, wenn sich zwei Fürsten wegen Nichtigkeiten zerstreiten. Im Mittelalter, da wehten Geister der Furcht und des Dunkels, Geister, die die Menschen knechten.
Nur im Mittelalter? Leider gibt es auch heute genügend solcher dunkler Geister, die Menschen knechten.

Ich war im Oktober mit Schülern im Schullandheim. Am Nachmittag kam plötzlich ein ganzes Mädchenzimmer aufgeregt und außer Atem auf mich zugerannt: „Herr Mahler! Herr Mahler! In unserem Zimmer ist ein Geist!“. Ich habe dann herausgefunden, dass sich die Mädels gegenseitig Geschichten von Untoten, die unter uns wandeln, erzählt haben – Geschichten, die sie aus den Privatsendern kennen, und die als wahr verkauft werden. Beim Erzählen einer solchen Geschichte über einen Untoten, da viel plötzlich das gekippte Fenster mit einem Knall zu, und da war klar: Jetzt ist der Untote in den Raum gekommen. Also nichts wie weg! Dämonenglaube nur im Mittelalter? Bei weitem nicht, gerade die Fernsehprogramme sorgen dafür, dass sich in die Seelen der Kinder der Geist der Furcht und des Dunkels einpflanzt, der unbeschwertes Leben knechten und eine frohe Seele töten kann.
Ich spüre noch viele andere Geister des Dunkels, die uns Menschen von heute knechten: Ohne Leistung zählst du nichts, lautet das ungeschriebene Gesetz unserer Gesellschaft, das schon den Jüngsten in der Schule eingetrichtert wird. Menschen strampeln sich ab für Beruf und Familie, glauben sich keine Zeit mehr für sich und für das Leben nehmen zu können, und gehen daran innerlich kaputt.
Und dann gibt es Menschen, die ein dunkler Geist bestimmt, ohne dass es ihnen bewusst ist, wie jenen Familienvater, der sich selbst in den Mittelpunkt der Welt stellt: Ob im Beruf, der Familie oder unter Freunden: Immer muss er zuerst kommen und den Ton angeben. Und er weiß genau, wie seine Frau, Kinder, Kollegen und Freunde zu denken und zu handeln haben. Ihn bestimmt ein Geist, der die Menschen in seinem Umfeld knechtet: Sie müssen unter ihm leiden, weil sie nicht ernst genommen und von oben herab behandelt werden. Doch irgendwann wird dieser Mann merken, dass in seinem Leben eine Leere herrscht. Und er wird Einsamkeit zu spüren bekommen, wenn sich die anderen zunächst innerlich und dann tatsächlich von ihm abwenden.

Ob im Mittelalter oder heute – es gibt diese Geister, die Leben knechten. Vielleicht wohnen solche Geister auch in uns: der Geist des Leistungsdrucks, der Zukunftsangst, ein Stück vom Geist des Egoismus, oder ganz andere …
Diese Geister schaffen eine Sphäre des Dunklen: Sie engen Leben ein, nehmen die Freiheit und Freude des Lebens. Sie sind nicht lebensfördernd, sondern lebenshindernd, für einen selbst und für andere. Sie gehören mit Paulus zum Gesetz der Sünde und des Todes, das das menschliche Leben bestimmt und knechtet. Sie gehören zum Gesetz der Sünde und des Todes – weil sie Todesdunkel bringen und dem Willen Gottes entgegenstehen, der Leben will.

Paulus aber sagt in unserem heutigen Predigtwort einem jeden von uns zu: „Gottes Geist hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Gottes Wirklichkeit steht gegen alle Strukturen und Kräfte der Zerstörung. Denn der Geist Gottes ist Leben und macht lebendig!“. Das hat der Geist eindeutig bewiesen, als er Christus von den Toten auferweckt hat. Und deshalb wird er auch unsere sterblichen Leiber lebendig machen, sagt der Apostel: Gott setzt allen Geistern des Todes seinen Geist des Lebens entgegen!

Diese Botschaft will Paulus in das Herzen der Gemeinde schreiben. In der Pfingstgeschichte beschreibt Lukas den Geist des Lebens anschaulich mit dem Symbol des Feuers: „Und es erschienen ihnen Zungen, wie Feuer anzusehen. Die zerteilten sich und ließen sich auf einen jeden von ihnen nieder.“. Feuer ist ein Symbol des Heiligen Geistes, und deshalb ist auch die liturgische Farbe für das Pfingstfest rot. Das Symbol des Feuers hilft uns, die Zusage des Paulus in unser Leben hinein zu buchstabieren.

Zunächst hat Feuer eine zerstörerische Wirkung: Das Feuer des Heiligen Geistes zerstört all die unheiligen Geister, die in unserem Leben ihr Unwesen treiben, allen voran unsere Schuld: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“, bezeugt Paulus. Im Mittelalter wurde mit dem höllischen Feuer und der ewigen Verdammnis gedroht. Paulus sagt nun: Jeder, der in Christus Jesus ist, der ist der Verdammnis bereits entronnen. Das Feuer des Heiligen Geistes hat die Schuld ausgebrannt.

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind – kein Verdammungsurteil, sondern Leben. Dieses Gnadenwort gilt überall, wo Menschen die Erfahrung machen, dass Leben zerstört statt gefördert wird. Dann also brennt der feurige Geist alles aus, was Gottes Willen widerspricht. Er kann z.B. Menschen wieder zum Leben führen, die sich dem Gesetz der Leistung unterwerfen. Der Geist kam einst auf die verängstigten Apostel herab. Gott hat sie für wert erachtet, Geistträger zu werden, unabhängig von dem, was sie geleistet haben. Selbst Petrus, der Christus verleugnet hatte, bekommt den Geist und hält daraufhin seine große Predigt in Jerusalem. Das zeigt: Wir haben einen Wert unabhängig von unserer Leistung – einfach auf Grund unseres Daseins als Menschen, die von Gott geliebt sind. Der Geist kann dieses Bewusstsein in uns einpflanzen, so dass wir gelassener den Ansprüchen des Tages begegnen. Der Heilige Geist macht lebendig, wo der Geist der Leistung Leben niederdrückt.

Zum Zweiten: Feuer hat Energie. So ist auch der Heilige Geist eine Energiequelle, die Kraft gibt.

Die Kinder im Schullandheim hatten Angst vor dem Untoten. Noch bevor ich trösten konnte, entdeckte plötzlich eines der Mädchen im Schrank eine Bibel. Sie nahm sie ans ich, drückte sie ganz fest an ihre Brust und sagte: Jetzt kann uns nichts mehr passieren! Ich war beeindruckt! Das Mädchen hat sich selbst in die Schutzmacht Gottes gestellt. Es hat in diesem Moment die Kraft des Glaubens erlebt, über die andere immer nur soviel erzählen, sie aber nicht anschaulich machen können. Jetzt kann mir nichts mehr passieren! Der Geist der Furcht war verschwunden, der Heilige Geist hat in diesem Mädchen Wohnung genommen. Der Heilige Geist macht lebendig, er stärkt und richtet auf, wo andere Mächte ängstigen.

Feuer verbreitet sich drittens unheimlich schnell. Wenn ein Stück Holz einmal Feuer gefangen hat, dann setzt es bald alles in Brand, was ihm begegnet. Wir kennen das von den Fernsehbildern der großen Waldbrände. Der Heilige Geist zieht Menschen in Bann, er springt von einem zum anderen über. Er kam zunächst herab auf die 12 Apostel. Und dann, so berichtet es uns Lukas, sprang der Funke des Evangeliums bereits am ersten Pfingsttag auf etwa 3000 Leute über. Und dann hat der Geist binnen kurzer Zeit den ganzen Mittelmeerraum durchdrungen: Gegen staatliche Verfolgung haben Menschen zu Christus gefunden und die Heilige Geistkraft gespürt. Der Funke springt über, der Geist verbreitet sich schnell wie Feuer. Dadurch führt der Heilige Geist Menschen zusammen, die sonst kaum zusammengekommen wären. Er schafft eine neue Gemeinschaft der Solidarität untereinander, die auch nach außen mit tatkräftiger Hilfe für die Menschen in Not da ist. Das erklärt auch den rasanten Zulauf zur christlichen Gemeinde in den ersten Jahrhunderten: Das Dasein für andere, die nicht der eigenen Gruppe angehören, war damals etwas Außergewöhnliches. Wie von den Aposteln dieser Funke weitergegeben wurde, wie Christinnen und Christen an allen Orten und durch alle Zeiten hindurch von diesem Feuer angesteckt waren und es weitergetragen haben durch ihre Worte und Taten, einfach durch ihr Verhalten im Alltag, so sind es hier und heute wir, in denen das Glimmen des göttlichen Geistes entfacht werden will zu einem Feuer. Und wir sind es, die einfach durch unser Leben als Christinnen und Christen schon längst unbewusst diesen Funken weitertragen, so dass auch durch uns andere angesteckt werden.

Dazu gehört es auch, die Menschen in Liebe anzunehmen, die nur sich selbst im Blick haben und unter denen andere leiden. Vielleicht ist der starke und egoistische Familienvater längst einsam. Und dann kann er spüren, dass es da Leute gibt, die dennoch seine Nähe suchen, die dennoch auf ihn zugehen. Und dann springt vielleicht auch auf ihn dieser Funke über. Er lernt, den anderen Menschen zu sehen, was dem anderen wichtig ist, und er geht mit Respekt damit um. Der Geist macht lebendig, er führt Menschen zu einer Gemeinschaft der Liebe und Solidarität zusammen.
Bei der Feuershow gestern Abend am Burgfest habe ich es erlebt: Feuer zieht in Bann. So will uns hier und heute an Pfingsten auch der Geist Gottes in Bann ziehen, sich in unserem Leben auswirken. Er ist wie das Feuer: Er will uns Kraft und Energie geben, die dunklen Mächte in uns zerstören. Der Geist Gottes macht lebendig und führt Menschen zusammen.

Schön und gut, mögen sie sagen. Doch wie geschieht es, dass dieser Geist des Lebens auch mich ergreift? Paulus lehrt uns keine Methode, wie wir diesen Geist in uns hineinbekommen. Er sagt: Ihr, die ihr in Christus seid, habt den Geist schon längst. Denn in Christus, in seinem Herrschaftsbereich und in seiner Gemeinde seid ihr seit eurer Taufe. Jedesmal, wenn ein Kind getauft wird, dann wird ihm die Hand aufgelegt und der Heilige Geist zugesprochen. Als Christinnen und Christen leben wir im Machtbereich des Geistes, er hat längst in uns Wohnung genommen.
Doch warum spüren dann so wenige von uns diesen Geist?

Ich denke, der Geist Gottes ist oft verschüttet – z.B. durch die vielen anderen Geister die sich in uns Raum verschaffen. Er ist wie die Glut, die vor sich hinglimmt. Doch dann muss der Windstoß kommen, und neu ein Feuer entfachen. Solche ein Windstöße, die das Geistfeuer in uns neu entfachen, sind Gottes Wort und das Abendmahl: Durch sein Wort setzt Gott Herzen in Brand, und durch Brot und Wein kommt er in uns hinein. Und ein Windstoß für das Geistfeuers ist das Gebet. Auch dort können wir spüren, wie Gottes Geistkraft uns ins Leben führt. Und deshalb dürfen wir gerade auch im Gebet um den Geist Gottes bitten, auf dass er uns lebendig mache. Lasst uns deshalb nun bitten: „Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft.“. Denn: Wo der Geist ist, das ist Leben, und wo Leben ist, da ist der Geist.

Vikar Jörg Mahler  (Hospitalkirche Hof)
Text:

Paulus schreibt:

1 So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.
2 Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

10 Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.
11 Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

 


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