Liebe Leser,
die Moderatorin im Fernsehen fragt die Leute auf der Einkaufsstraße:
Was macht ihr Leben zu Weihnachten schön? Was gönnen sie sich? Viel
Phantasie braucht man nicht: Essen, Trinken, sich ein bisschen Luxus
gönnen, Elektronik, Fernsehen, Düfte und Kosmetik. Weit abgeschlagen
und von der Moderatorin ehr unwillig zur Kenntnis genommen: Familie,
Gesundheit und ein bisschen Frieden. Das kann man eher nicht
gebrauchen, denn wir wollen doch Hoffnung schenken, indem wir der
Konjunktur ein wenig auf die Sprünge helfen. Denn nur darauf können
wir in Zukunft wirklich bauen. Da passt die Werbung des Media
Markt-Konzerns in die Adventszeit wie die Faust aufs Auge:
„Weihnachten wird unterm Baum entschieden.“
Womit der Media Markt nicht gerechnet hatte, war der Proteststurm
vor allem im Internet gegen diese Werbekampagne, die offenbar vielen
besonders schmerzhaft vor Augen führt, wie weit unser Weihnachtsfest
über die Jahre heruntergekommen ist zur Konsumorgie unterm
Weihnachtsbaum. Weihnachten wurde unterm Stern entschieden, heißt
deshalb die Gegenkampagne der evangelischen und katholischen Jugend.
Wir sind doch nicht blöd. Wir sind stattdessen gerade zur
Weihnachtszeit besonders sensibel, wenn es um unsere wahren Wünsche
und Hoffnungen und ihre Erfüllungen geht und um die Frage, was sie
dann taugen bis zum nächsten Weihnachtsfest. Denn eins ist doch
klar: Was wir aus dem Media Markt dieses Jahr unter den Baum legen,
ist im nächsten Jahr schon der berühmte Schnee von gestern.
Wir haben vielleicht gerade deshalb in dieser Zeit besonders offene
Ohren und Herzen, wenn Paulus von Hoffnung spricht. Und nicht nur
von Hoffnung, sondern von Trost und Freude. Und nicht nur von Trost
und Freude, sondern von aufkommendem Jubel und Erfüllung und
Reichtum. Und nicht nur Jubel und Erfüllung für das auserwählte Volk
Gottes, sondern auch für die Heiden, sprich für alle und jeden. Und
nicht nur für alle und jeden, sondern für die ganze Welt.
Nur an dieser einen Stelle lässt Paulus, der bedachte Theologe, sich
hinreißen zu der äußerst überraschenden Wendung vom „Gott der
Hoffnung“. Ein Fehler im Eifer des Briefschreibens? Ja bitte, was
soll Gott denn noch hoffen? Er ist schließlich von Ewigkeit zu
Ewigkeit und von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge (Römer
11/36). Was wäre das für ein Gott, der noch Wünsche offen hat?
Stehen die dann auch noch auf dem Wunschzettel des Weihnachtsmanns?
Aber vielleicht… Aber vielleicht hofft dieser Gott der Hoffnung ja
gar nichts für sich, sondern alles für uns. Vielleicht hofft dieser
Gott, der alles hat, dass auch wir alles haben. Vielleicht möchte
dieser Gott, der alles in allem ist, nicht nur ganz bei sich sein,
sondern hofft, auch bald ganz bei uns zu sein und wir bei ihm. Ja
bitte, sagt ihr schon wieder, die Logik! Wenn Gott alles in allem
ist, dann ist er ja wohl auch schon bei uns. Und recht habt ihr!
Aber wissen wir es denn? Nehmen wir es wahr? Leben wir danach?
Hoffen wir auf ihn? Haben wir den, der in keiner Herberge auf dieser
Welt eine Bleibe fand, schon im Herzen aufgenommen, wie der Stall
von Bethlehem das Kind in der Krippe?
Martin Luther wie immer messerscharf zur Stelle: Paulus
unterscheidet durch diese Bezeichnung die falschen Götter vom wahren
Gott. „Die falschen Götter nämlich sind Götter über das, was man
schon hat; sie nehmen Besitz von denen, die nichts von Hoffnung
wissen, weil sie sich auf das verlassen, was sie schon haben.“ (vgl.
Luther-W Bd. 1, S. 261)
Könnte doch gut sein, dass es gar nicht die Schlechtigkeit der Welt,
die Tristesse des eigenen Lebens oder das erbärmliche
Erscheinungsbild der eigenen Religionsgemeinschaft ist, die das
Weihnachtsfest so saft- und kraftlos erscheinen lassen, sondern das,
was wir an eigenen Hoffnungen, an eigener Kraft, an eigenen
Anstrengungen dagegen aufbieten. Die Hoffnung auf das, was wir schon
haben und vielleicht noch schaffen können, ist der größte Feind des
Gottes der Hoffnung, der uns geben will, was wir eben nicht haben
und auch nicht schaffen können. Der Stolz auf das, was wir unter den
Baum legen können, ist der eigentliche Konkurrent des Sterns, der in
unseren Herzen aufgehen will. Die Advents- und Weihnachtsbotschaften
lassen es in die Welt hinaus klingen: Diesen Weihnachtsstern findest
du nicht. Er findet dich!
Wie die Hirten auf dem Feld. Es ist ja alles andere als Zufall, dass
sie es sind, über denen sich der Himmel öffnet. Der Gott der
Hoffnung kommt im Kreis von Hoffnungslosen zur Welt. Im Kreis von
Menschen, die am unteren Ende der Gesellschaft stehen und für die
alle Aufzüge in die oberen Etagen längst abgefahren sind. Über denen
erscheint die Herrlichkeit Gottes. Und die Engel singen „Ja“ und
„Halleluja“! Und Frieden auf Erden, und Trost und Freude – gerade
für die, die nichts zu lachen haben. Gerade für die. Und nicht nur
Trost und Freude, sondern Jubel und Erfüllung. Und nicht nur Jubel
und Erfüllung für das auserwählte Volk Gottes, sondern auch für die
Heiden, sprich für alle und jeden. Und nicht nur für alle und jeden,
sondern für die ganze Welt.
Denn so steht es geschrieben. Schlag nach bei den Alten, bei Mose,
den Psalmen und Propheten, bis es dir wie Schuppen von den Augen
fällt: Das ist Gottes Wille schon immer gewesen. Er will der Gott
der Hoffnung sein, besonders für die, die keine Hoffnung mehr haben.
Und deshalb können wir uns auf sein Kommen gar nicht besser
einstellen, als dass wir unsere Hoffnungen wegwerfen und unsere
Schätze, auch die unterm Baum, nicht überschätzen. Deshalb ist die
Einsicht überaus heilsam, wie fadenscheinig unser weihnachtliches
Treiben doch ist, und wie erbärmlich unsere Lichtlein funzeln - ohne
das große Licht, das an Weihnachten aufgeht. Zu retten ist das wohl
nur so: Dass wir unsere kleinen Schätze, Lichter und Geschenke,
Zeichen sein lassen für den Gott der Hoffnung und des Friedens –
Zeichen der Hoffnung, dass er auch uns findet.
Paulus wäre nicht Paulus, wenn er uns nicht wenigstens einen Tipp
für ein richtig gutes Weihnachtsgeschenk geben würde, das gegen das
große Weihnachtsgeschenk Gottes nicht verblasst. Wer sich an
Weihnachten vom Gott der Hoffnung beschenkt und beseelt weiß, hat es
sozusagen immer dabei und einpacken braucht man es auch nicht.
Es heißt: Nehmt einander an. Ja, bitte, sagt ihr vielleicht jetzt
noch einmal. Das ist jetzt das dicke Ende der Predigt. Der erhobene
Zeigefinger mit Weihnachtssternchen. Jetzt wird angetreten zum
Weihnachtsappell. Und der heißt alle Jahre wieder: Seid wenigstens
an Weihnachten ein bisschen nett zueinander. Ihr habt völlig recht,
wenn ihr denkt: Das hat noch nie funktioniert, nicht bei den Heiden
und bei den Christen schon gar nicht. Selbst mit den größten
Anstrengungen kommen da immer nur Waffenstillstände heraus, auch an
Weihnachten.
Da sage ich euch mit Paulus: Eben! Bei eueren größten Anstrengungen
kann auch nichts Besseres herauskommen. Aber das Geschenk heißt in
Wirklichkeit: Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu
Gottes Lob. Ja, bitte, sage ich euch, und bitte heißt bitte, schaut
euch das große Geschenk vom Gott der Hoffnung doch einmal genau an.
Es ist einfach zu groß, um es für sich zu behalten und zu groß, um
es alleine auszupacken. Weihnachten wird nicht unterm Baum und nicht
nur unterm Stern, sondern vor allem in unseren Herzen entschieden.
Wenn das Christuskind uns seine Arme entgegenstreckt, um bei und in
uns zu sein, dann können unsere Hände nicht länger in den
Hosentaschen bleiben. Dann können unsere Herzen nicht länger mit
sich selbst beschäftigt bleiben. Dann muss es Weihnachten werden bei
uns und nicht nur bei uns, sondern für alle und jeden und für die
ganze Welt.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist
uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der
Schrift Hoffnung haben.
5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr
einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß,
6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres
Herrn Jesus Christus.
7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu
Gottes Lob.
8 Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der
Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die
den Vätern gegeben sind;
9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen,
wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben
unter den Heiden und deinem Namen singen.«
10 Und wiederum heißt es (5.Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden,
mit seinem Volk!«
11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und
preist ihn, alle Völker!«
12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der
Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über
die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.«
13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und
Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch
die Kraft des Heiligen Geistes.
|