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Der Seele Raum geben - Kirchen als Orte der Besinnung und Ermutigung

 


Stand: 16.01.2019

Die Hospitalkirche Hof (Panorama im Fenster links) ist ein Beispiel für einen in Jahrhunderten gewachsenen, höchst eigenwilligen Kirchenraum.

 

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(Herzlichen Dank an Stefan Woinke von 360HD!)

 

Unter diesem Motto tagte vom 22.-25. Mai 03 die Synode der EKD und rief dazu auf, die Bedeutung des eigenen Kirchenraumes neu zu entdecken, ihn vor verbreitetem Missbrauch zu bewahren, ihn zu erhalten und ihn für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gerade in Zeiten leerer Kassen scheint es angebracht, dass sich die Kirche wieder auf das besinnt, was sie oft seit Jahrhunderten hat: ihre Kirchenräume ...

 


Prof. Dr. Fulbert Steffensky hielt ein Grundsatzreferat und dachte über die Bedeutung des Kirchenraumes nach. Hier einige Auszüge:

Wozu brauche ich den heiligen Raum? Im heiligen Raum muss ich nicht
eloquent sein.
Der heilige Raum ist der Raum, in dem die Toten meine Zeugen sind. Hier wurde ihr Lebensanfang unter die große Geste der Taufe gestellt, hier haben sie geschworen, hier haben sie den Bruch ihrer Schwüre bereut, hier haben sie ihr Glück gefeiert und ihre Niederlagen beweint, hier wurden die letzten Gebete über sie gesprochen.

Jeder Kirchenraum ist dunkel von der Patina der Seufzer, der Gebete, der Zweifel, der Hoffnung der Toten. Eine Tradition haben, heißt, an die Stelle der Toten treten, nicht nur um ihre Aufgaben zu übernehmen, sondern um Anteil zu gewinnen am Glauben und an der Hoffnung dieser Toten. Wir bauen uns von außen nach innen, und wir müssen nicht einmal die vollkommenen Meister unseres Glaubens sein.

Eine Kirche ist nicht schon dann eine Kirche, wenn sie fertig gestellt und eingeweiht ist. Eine Kirche wird eine Kirche mit jedem Kind, das darin getauft ist; mit jedem Gebet, das darin gesprochen wird, und mit jedem Toten, der darin beweint wird. Sie ist kein Kraftwort, aber sie wird ein Kraftort, indem sie Menschen heiligen mit ihren Tränen und mit ihrem Jubel. Ich muss im heiligen Raum nicht eloquent sein. Ich muss mir nicht in Dauerreflexion und Dauerberedung sagen, wer ich bin; was der Sinn und das Ziel des Lebens und des Sterbens ist. Der Raum redet zu mir und erzählt mir die Geschichte und die Hoffnung meiner Toten und lebenden Geschwister. Und so baut er an meinen Wünschen und an meinen Lebensvisionen. Es ist kein ästhetisches Urteil, wenn ich sage, dass alte Kirchen mir lieber sind als die neuen. Alte Kirchen haben mehr Vergangenheit, sie erzählen mehr.

Wozu brauche ich eine Kirche? Der heilige Raum arrangiert meine Gebete. Ich will ein einfaches Beispiel erzählen. Wir hatten die Angewohnheit, unseren Enkeln Märchen auf der dritten Treppenstufe in unserem Haus zu erzählen. Es war kein besonderer Kraftort, aber das Aufsuchen dieser Stelle arrangierte uns für die Erzählung fantastischer Geschichten. Der Ort brachte uns in eine Rolle: dort sind wir die Geschichtenerzähler oder die Geschichtenhörer. Der Kirchenraum arrangiert uns und bringt uns in eine Rolle: dort sind wir die Beter, die Hörer; wir sind die Singenden und die Nachdenklichen. Wir sind es anders als zuhause im Wohnzimmer oder im Arbeitszimmer. Räume bauen an unserer Innerlichkeit. Darum sprechen wir dort anders, verhalten uns anders, werden ruhiger oder auch unruhiger durch die Ruhe der Räume. Räume erbauen uns, wenn wir uns erbauen lassen. Ich habe es immer als Problem empfunden, dass die Stimme des Kirchenraumes unhörbar gemacht wird durch lautes Gerede vor dem Gottesdienst. Damit lässt man nicht zu, dass der Raum einen erbaut. Das Gelärme zerstört die Fremdheit des Raumes, die ein köstliches Gut ist.

Die heiligen Räume haben heute ihr Problem mit uns. Wir lieben die Fremde nicht! In narzisstischen Lagen versuchen Menschen, alles sich selber gleich zu machen und sich alles anzueignen. Sie wollen sich dauernd selber vorkommen, sie wollen die Wärme und die Unmittelbarkeit einer sich selbst feiernden Gruppe. Und so soll es auch im Gottesdienst und in der Kirche gemütlich sein wie zuhause im Wohnzimmer.

Je individueller und je formloser die einzelnen und die Gruppen vorkommen, um so authentischer scheint der Gottesdienst zu sein. Die Selbstfeier der Gemeinde wird zur Gottesdienstabsicht. Dieser Selbstfeier werden die Texte, die Formen und manchmal auch die Räume unterworfen. Die Gemeinde will unmittelbar zu sich selber sein, und so verliert der Gottesdienst seine Fremdheit, seine Andersheit. Das Verhalten der Menschen wird ununterscheidbar vom Verhalten zuhause, im Wirtshaus oder auf einer Party. Die Sakralität der Handlung und des Raumes wird nicht aufgehoben, wie oben beschrieben, durch das prophetische Wissen um die Heiligkeit aller Orte, sie wird zerstört durch die Banalität narzisstischer Allgegenwart. Die alten Räume stellen sich in ihrer Fremdheit zum Glück solchen Versuchen noch in den Weg, damit wird die Komik solcher Selbstinszenierungen wenigstens durchschaubar. Ich hoffe, die Kirchen behalten ihre Fremde und das narzisstische Selbstinteresse findet keinen Niederschlag in Kirchbaukonzepten.

Wozu brauche ich eine Kirche? Der heilige Raum ist der fremde Raum, nur in der Fremde kann ich mich erkennen. Der Raum erbaut mich, insofern er anders ist als die Räume, in denen ich wohne, arbeite und esse. Ich kann mich nicht erkennen; ich kann mir selbst nicht gegenübertreten, wenn ich nur in Räumen und Atmosphären lebe, die durch mich selbst geprägt sind, die mir allzu sehr gleichen und die mich wiederholen. Die Räume, die mich spiegeln – das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer – gleichen mir zu sehr.

Der fremde Raum ruft mir zu: Halt! Unterbrich dich! Befreie dich von deinen Wiederholungen. Er bietet mir eine Andersheit, die mich heilt, gerade weil sie mich nicht wiederholt, sondern mich von mir wegführt. Kirchen heilen, insofern sie nicht sind wie wir selber. Ich war vor kurzem in einer modernen Kirche, die mich etwa so sehr berührte wie der Seminarraum, in dem ich meine Veranstaltungen abhalte. Er war arenaartig angelegt, auf jeder Stufe fanden sich ausreichend Sitzkissen für die Bequemlichkeit der Besucher. Der Altar war als solcher nicht zu erkennen. Man konnte ihn als kleinen Tisch oder als Lesepult betrachten. Der Raum war hell und bis zum Gähnen geheimnislos. Er enthielt einige geschmackvolle Plakate. Er wies in nichts über sich selbst hinaus. Es war ein erwartbarer Raum. Er hat mich nicht gebildet, weil er mir nicht entgegentrat, weil er mir nicht Einhalt gebot. Er hat mich nicht still gemacht, und es wäre unnatürlich gewesen, in diesem Raum mit meinem Nachbarn nicht zu plaudern. Es war ein Parlatorium, in dem es natürlich war zu parlieren und der einen Parliergottesdienst mit einer Parlierpredigt arrangierte. Ich vermute, dass die Fremdheit eines Raumes vor allem durch seine Langsamkeit hergestellt wird. Eine Kirche wird also gerade nicht ein Erlebnisraum sein, sondern ein karger Raum, ein präziser Raum; ein Raum, der mit geringen Mitteln arbeitet, ein Raum der Disziplin, ein Raum, der sich wehrt gegen die Superlative, von denen wir täglich umgeben sind. ...

Eine Kirche ist ein Raum des Hörens. Über weite Strecken im Gottesdienst hören wir zu. Wir hören die Orgel, wir hören die Geschichten, wir hören die Predigt. Ein guter Raum verhilft zu einer anderen Weise des Hörens, als wir es aus einem Vortragssaal gewohnt sind. Das Hören ist meditativer. Man will nichts von den Bildern, Texten und Musiken, die man hört. Man will kommen lassen, was kommen will. Man ist Gastgeber der Bilder und der Texte. Man will sie nicht besitzen, nicht erjagen. Man will die Gebete und das Glaubensbekenntnis nicht füllen mit der eigenen Existentialität. Man lässt sich von ihnen in den Glauben von vielen ziehen. Sich nicht wehren und nichts beabsichtigen ist die hohe Kunst eines meditativen Verhaltens. Diese Haltung aber hat es in der Welt der Macher nicht leicht. Die macherischen Fähigkeiten sind in unserem Kulturkreis ins Immense gewachsen, und die pathischen Begabungen verkümmern. Wir fühlen uns allein als Macher gerechtfertigt, und unser Selbstverständnis bricht zusammen, wo wir als Macher an unsere Grenzen stoßen. Kann man in einer solchen Kultur auf etwas anderes hoffen als auf die eigene Stärke? Kann man sich hergeben? Kann man sich entlassen in das große Geheimnis der Welt? Wo wir auf diese imperiale Weise mit uns selber, mit der Natur, mit den Tieren umgehen, da verlieren wir unsere passiven Stärken: die Geduld, die Langsamkeit, die Stillefähigkeit, die Aufnahmefähigkeit, das Hören, das Warten, das Lassen, die Gelassenheit, die Ehrfurcht und die Demut. Wir verlieren die Kunst der Endlichkeit und der Bedürftigkeit.

Der Raum, der die passiven Stärken des Menschen ehrt und stärkt, darf nicht völlig zentralisiert sein. Er müsste den Menschen konzentrieren und schweifen lassen. Er darf nicht bannen wie der Kölner Dom in seiner vollkommenen Ausgerichtetheit, er darf nicht kokettieren und verführen wie die Birnau. Er darf nicht von fader linearer und funktionalistischer Klarheit sein, wie manche neue Kirchen. Als wir noch in Köln wohnten, sind wir ebenso viel in katholische wie in protestantische Gottesdienste gegangen. Unsere Kinder waren die katholischen reich geschmückten Kirchen gewöhnt. Bei einem Urlaub kamen wir in Holland in eine strenge und kahle calvinistische Kirche. Unsere damals dreijährige Tochter sah sich um und stellte kategorisch fest: Is’ kein Gott drin! Ich möchte die katholische und die protestantische Begabung würdigen; die katholische Vorliebe für die Augenschönheiten und die protestantische für die Ohrenschönheiten und für die Skepsis gegen die Augenschönheiten. Der Glaube entwirft Bilder, und er birgt sich in die Bilder der Toten. Ein bildloser Glaube ist ein trostloser Glaube. In allen Grundsituationen seines Lebens kommt der Mensch nicht mit der puren Sagbarkeit aus. Die Sprache selber drängt in die Bilder. In der Bedrohung des Lebens reden wir von der anderen Stadt, in der alle Tränen abgewischt sind und in der der Tod nicht mehr sein wird noch Leid noch Geschrei. Wir reden vom Land, in dem die alten Gesetze nicht mehr gelten und in dem alles neu ist; so neu, dass die Blinden sehen, die Stummen ihren Gesang gefunden haben und die Lahmen ihren Tanz. Die Sprache verliert ihre Begrenzung und fängt an zu fliegen. Diese Bilder sind Flüge der Hoffnung. Sie sind keine Fotos und sie halten nichts fest. Die Sprache kommt nicht mehr mit sich selber aus. Wie eine Welle die andere bricht und überholt, so überpurzeln sich die Bilder. Das Bild selber bricht das Bild und wird bilderstürmerisch. Bilder lehren uns wünschen, und je unbescheidener sie sind, um so mehr entheimaten sie uns aus der faulen Gegenwart. Bilder lehren uns die Sehnsucht nach dem Land des Jauchzens und nach einem unkompromittierten Leben. Und so wird der Mensch mit seiner gebildeten Sehnsucht zu einem unsicheren Kantonist in seiner eigenen Gegenwart. Er fühlt sich überall, wo die Blinden noch nicht sehen und die Lahmen noch nicht springen, an den Flüssen Babylons, auch am Rhein, an der Elbe und am Mississippi. Wer in seinen Träumen gebildet ist, ist ein Ausländer – überall. ...

Eine öffentliche Kirche ist eine geöffnete Kirche, zunächst im Sinne des Wortes. Wenn es wahr ist, dass der Raum unsere Gebete und unsere Ruhe arrangiert, dann muss er auch zugänglich sein. Eine öffentliche Kirche ist eine sich selber erklärende und zeigende Kirche. Ich denke hier vor allem dankbar an die neuen Konzepte und Praktiken der Kirchenpädagogik. Es ist ein Stück Mission. Christen erklären anderen, welche Schätze sie haben und was sie lieben. Mission heißt, zeigen, was man liebt. Was man liebt, das zeigt man, und man hält es nicht in einem geheimen Winkel.“

 


»Sieht man vom Markt in die Kirche hinein
Da ist alles dunkel und düster;
Und so sieht's auch der Herr Philister …
Kommt aber nur einmal herein!
Begrüßt die heilige Capelle;
Da ist's auf einmal farbig helle«

(J. W. von Goethe, Gedichte sind gemahlte Fensterscheiben, in: ders., Werke, hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen, 1. Abt., Bd. 3, 1890 (Nachdr. 1987), 171, 171,2–4)

 

Kirchengebäude neu entdecken - Evangelischer Kirchbautag 2005 in Stuttgart

Stuttgart (epd). Kirchengebäude sind nach den Worten des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, Schlüsselräume für die Zukunft der Kirche. Deshalb müssten sie stärker als bisher mit Leben erfüllt werden, betonte der Berliner Bischof auf dem 25. Evangelischen Kirchbautag am Freitag in Stuttgart. Nach dem Bauboom der Nachkriegszeit müsse die evangelische Kirche «ihre starken Kirchen» als Kernräume des Gemeindelebens wieder entdecken.

Angesichts der «Wiederkehr der Religion» komme dem Erhalt der Kirchen eine zentrale Bedeutung zu, unterstrich der oberste Repräsentant der rund 26 Millionen Protestanten. Huber stellte dabei die Verteidigung der Kirchenräume in eine Reihe mit der Bewahrung der Feiertage sowie dem Eintreten für dem Religionsunterricht als ordentliches Schulfach. Der Umgang mit kirchlichen Räumen gehöre aktuell zu den «symbolisch wichtigen Kämpfen», an denen sich die Auseinandersetzung der Moderne mit ihrem christlichen Erbe zeige.

Allerdings werde die evangelische Kirche ihren Grundstücks- und Häuserbestand nicht komplett erhalten können, räumte Huber ein. Eine Abschmelzung ihres Immobilienbesitzes müsse man auch im Hinblick auf die Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung und die Situation der kirchlichen Finanzen als unerlässlich anerkennen, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende.

Derzeit gibt es in Deutschland nach Hubers Angaben mehr als 21.000 evangelische Kirchen, über 2.500 evangelische Friedhofskapellen und mehr als 3.100 evangelische Gemeindezentren mit Gottesdiensträumen. Der Erhaltungs- und Instandsetzungsbedarf für sie werde auf etwa sechs Milliarden Euro beziffert.

Die Verringerung des kirchlichen Gebäudebestandes dürfe sich aber nur zuallerletzt auf Kirchengebäude beziehen, empfahl der Berliner Bischof. Zuvor müsse man sich von anderen Gebäuden wie Wohnungen, Gemeindehäusern oder auch Pfarrhäusern trennen. Ein Abbruch von Kirchengebäuden sei einer Fremdnutzung, die dem Ansehen der Kirche schade, vorzuziehen: «Schon eine sehr geringe Zahl von Kirchen, die als Diskotheken, als Einkaufszentren oder als Fischrestaurants genutzt werden, gefährdet den Symbolgehalt auch anderer Kirchengebäude.» Wegen des hohen Symbolwertes einer Kirche sei ihre Nutzung etwa als Moschee ausgeschlossen.

Hauptthema des Kirchbautags, an dem bis Sonntag Architekten, Pfarrer, Denkmalschützer und Mitarbeiter kirchlicher Baureferate teilnehmen, ist die Zukunft von Kirchengebäuden in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Dabei geht es um Fragen von Umbau, Erhalt, möglichem Verkauf und Fremdnutzung von Gotteshäusern.

30. September 2005

 

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Presse

Buchtipp

  • Kirchenpädagogik. Kirchen öffnen, entdecken und verstehen.
    von Birgit Neumann, Antje Rösener, Martina. Sünder-Gaß,
    Gütersloher Verlagshaus (Februar 2003), Broschiert
    Praxisbuch für die kirchenpädagogische Arbeit, konkrete Hilfestellungen für eine zeitgemäße Nutzung der Kirchen. Mit einem Geleitwort von Bischof Axel Noack. (Bestellen und weitere Infos)

Webkirchen

Sonstiges

  "Unsere Kirchen sind dann „Zeichen in der Zeit“, wenn sie Orte der treuga dei werden, dem Frieden verpflichtete Räume, die dem Alltag des Dauerkampfes Oasen des Friedens entgegensetzen und eine andere Dimension des Lebens gegenwärtig machen. Kirchen sind eine Heimat für alle Seelen, Raum zum Einkehren bei sich selbst, zum Ankommen bei Gott und zum Aufmerken auf den Nächsten. Kirchen beherbergen "Seelen-Geschichten"; sie sind Räume der Ewigkeit, nicht nur, weil das Wort Gottes hier gesprochen wird, sondern auch, weil durch Gebet und Gesang, durch Dank und Fürbitte, durch Taufe, Trauung und Beerdigung Menschen ihre Seele vor Gott öffnen und so diesen Raum mit einer unsichtbaren Patina des Glaubens überziehen. Kirchenräume haben eine starke spirituelle Kraft, sie legen einen heiligen, heilenden Verband um die Seele des Menschen, damit sie sich erholen kann. Sie verhelfen zur Stille, damit die Stimme des barmherzigen Gottes gut zu hören ist. ...

Vernachlässigte Kirchen sind wie vernachlässigte Manieren. Sie zeigen eine besondere Art der Verwahrlosung. Dafür kann man immer starke finanzielle Gründe geltend machen. Aber im Kern zeigt sich darin eine „Diktatur der Gegenwart“ und zugleich eine „kulturelle Amnesie“.

Angesichts der viel beschworenen „Wiederkehr der Religion“ und der drängender werdenden Frage nach Sinn und Halt werden wir nüchtern wahrnehmen müssen, dass der Verteidigung der Kirchenräume eine ähnlich zentrale Bedeutung zukommt wie der Heiligung des Feiertags und dem Eintreten für den Religionsunterricht als reguläres Schulfach. Es gibt in unserer Zeit einige symbolisch wichtige Kämpfe, an denen sich gleichsam exemplarisch und pars pro toto der Umgang der modernen Welt mit ihrem christlichen Erbe zeigt. Dem Umgang mit Kirchenräumen als „Zeichen in der Zeit“ kommt dabei eine Schlüsselbedeutung zu. Wenn man es martialisch ausdrücken will, kann man darin eines der zentralen Schlachtfelder dieser Auseinandersetzung sehen."

(aus: Kirche als Zeichen in der Zeit - Kulturelles Erbe und Sinnvermittlung für das 21. Jahrhundert/ Von Wolfgang Huber)

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